Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute. Jürgen Ruszkowski

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Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute - Jürgen Ruszkowski

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unser Schiff beladen hatten, denn es waren zu viele Schiffe da, da hieß es Schlange stehen.

      Das Auslaufen aus dem Hafen von Iquique beschrieb ich schon einmal, und so wurden wir auch dieses Mal mit drei Hurras auf die Reise geschickt, eine Reise, die für uns immer die schönste war, denn es ging Kurs Heimat und in diesem Fall sogar direkt nach Hamburg. Genau am heiligen Abend passierten wir Kap Horn, der Wettergott bescherte uns einigermaßen gutes Wetter (es war dort gerade Sommerzeit), und so konnten wir das Christfest mit Kaffee und Kuchen, den wir „Panzerplatten“ nannten, feiern. Zum Abschluss spendierte der Kapitän wahrhaftig noch einen Grog. Er hatte auch wohl so etwas wie Weihnachtsstimmung, sonst hätte das bestimmt nicht passieren können. Sogar das Essen war in diesen Tagen bedeutend besser als gewöhnlich, es gab für jeden Mann ein halbes Pfund Schinken, Kekse aus Dosen und Butterkuchen. Den aber verstand der Koch nicht zu backen, es wurden immer wieder Panzerplatten. Silvester um 24 Uhr gab es Punsch und wieder brach ein neues Jahr an, eines von den vielen meiner langen Fahrenszeit.

      So langsam mussten wir daran denken, unser Schiff wieder auf Hochglanz zu polieren. Da wurden die Farbtöpfe herausgeholt, denn auf der Elbe musste das Schiff wie eine Luxusjacht aussehen. Den Äquator hatten wir schon hinter uns gelassen, am 24. März 1899 passierten wir Lizard, die SW-Ecke Englands. Zwei Tage vor Lizard kletterten wir schon auf den höchsten Mast (60 Meter hoch), um auszugucken, ob bereits Land in Sicht sei. Wer zuerst Land sah, bekam ein paar Schnäpse. Auf einmal schrie einer: "Land in Sicht". Endlich mal wieder Land zu sehen, das war schon ein Erlebnis. Am 2. April 1899 waren wir glücklich wieder in Hamburg, und Hannes musterte so schnell wie möglich ab, mit 450 Mark Heuer in der Tasche. In Cranz wurde ich schon erwartet, aber ein Seemann kann nicht lange rasten und lange an Land zu bleiben ist nicht Seemannsart.

       Mit Passagieren nach Levante

      Also musterte ich wieder auf einem anderen Schiff an. Es war die "PERA", ein Fracht- und Passagierdampfer, der 80 Fahrgäste mitnehmen konnte und Tourenfahrten nach der Levante machte. 60 Passagiere fuhren mit, als am 26. April 1899 die Reise losging. Das Wetter war gut und die Gäste guter Laune, in der Hauptsache deshalb, weil sie noch nicht seekrank waren. Der Dampfer lief bei gutem Wetter 13 bis 14 Kilometer, das war in der damaligen Zeit eine sehr große Fahrt.

      Am 28. April kamen wir in Le Havre an. Früh um sechs Uhr kam dann die schwarze Gang an Bord. Schwarze Gang war ein anderer Name für den Zoll, der ja bei Auslandsreisenden ein ungern gesehener Gast ist. Sie fanden aber nichts, vielleicht waren aber auch die Verstecke zu gut, wer kann das heute noch wissen. Das meiste unserer Ladung war für Griechenland bestimmt und zwar für Patras, Korinth, Piräus, Athen und Saloniki, der Rest der Ladung ging nach Smyrna und Konstantinopel, Rumänien, Konstanza, Odessa und Batum. Das Schiff war wunderbar eingerichtet und damals eines der besten Schiffe Deutschlands. Bei Kap Finistere und Gibraltar wurden Flaggensignale gegeben, die Nachrichten wurden dann an die Reederei weitergeleitet. Drahtlose Telegrafie gab es ja an Bord noch nicht, heute ist das alles selbstverständlich.

      Am 12. Mai 1899 waren wir dann in der Nähe von Algier, zwei Tage später sahen wir Malta, und da es gerade Tag wurde, konnten wir die Insel gut sehen. Die Passagiere waren natürlich alle an Deck, sie wollten für ihr Geld auch etwas haben. Wir fuhren deshalb auch ganz dicht an Malta vorbei. Durch den griechischen Archipel ging die Fahrt dann weiter, und abends waren wir in Patraa. Einen Tag hatten wir dort Aufenthalt, durch den Kanal von Korinth dampften wir nach Korinth. Der Kanal ist an einigen Stellen so eng, dass sich zwei Schiffe nicht begegnen können. Dass aus Korinth die Korinthen kommen, weiß inzwischen wohl jedes Kind, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass wir dort Korinthen und Rosinen als Ladung übernahmen. Die Gegend ist wunderschön, und da wir an einem Sonntag dort waren, hatten wir auch Gelegenheit, mal an Land zu gehen und einen Ausflug in die Umgebung zu machen. Mit einem Eselsgespann kamen wir wieder zurück, übrigens wurde die Ladung auch mit Eselgespannen an Bord gebracht.

      Die Fahrt ging am 21. Mai 1899 weiter und zwar nach Piräus, der Hafenstadt von Athen. Wir kamen abends an, blieben dort aber ein paar Tage länger, weil wir dort unsere Hauptladung löschen mussten. Hier haben wir in unserer Freizeit herrliche Ausflüge gemacht. Wir waren in Athen und Umgebung, alles wurde besichtigt, die Altertümer bestaunt, und wir waren sehr beeindruckt von all den Sehenswürdigkeiten. Aber auch die Bewohner dieses Landes sahen uns gern als ihre Gäste, und wir wurden häufig eingeladen. Die Bevölkerung war überhaupt sehr deutschfreundlich. Unsere Ladung bestand hauptsächlich aus Südfrüchten, und wir versorgten uns auch damit. Viele Fahrgäste stiegen hier aus, sie wollten länger in diesem schönen Land bleiben. Wir hatten aber immer noch 31 Passagiere an Bord.

      Am 23. Mai machten wir uns auf den Weg nach Saloniki. Auch dort holten wir Südfrüchte an Bord, und am 27. Mai 1899 kamen wir nach Smyrna, dem Teppichland. Hier war nun wieder Gelegenheit, kleine Nebengeschäfte zu machen. Ich habe mir dort einen Teppich eingehandelt, wo der aber später geblieben ist, weiß ich nicht mehr, sicher habe ich ihn versilbert. Die Fahrt durch die Dardanellen war herrlich, wie es wohl immer besonders schön ist, wenn man etwas zum ersten Mal sieht. Konstantinopel ist eine einzig schöne Stadt und beeindruckte uns sehr. Die Bauten machten auf uns einen großen Eindruck, und wir hätten gerne einmal gewusst, wie es hinter den Haremsmauern aussah.

      Von der Reederei aus wurden verschiedene Feste auf unserem Schiff gefeiert. Viele Damen und Herren, die in Konstantinopel ansässig waren, wurden eingeladen, und es ging dann an Bord hoch her. Wir erlebten das aber nur als Zaungäste, denn noch waren wir ja nicht Kapitäne, und bis dahin war es noch ein weiter Weg. Wir hatten aber auch so unseren Spaß.

      Durch den Bosporus setzten wir unsere Reise fort. Die Durchfahrt war sehenswert, all die herrlichen Bauten, prunkvollen Paläste mit märchenhaften Gärten. Wir schauten uns bald die Augen aus dem Kopf. Haremsdamen konnten wir aber nirgends entdecken, die interessierten uns nun mal ganz besonders. In Konstantinopel blieben wir nur vier Stunden, am 5. Juni 1899 verließen wir Odessa und fuhren weiter nach Batum. In Konstantinopel hatten uns alle Passagiere verlassen, wir waren nun wieder nur Frachtdampfer. Batum am Schwarzen Meer wird die russische Riviera genannt. Die Gegend ist aber auch wunderschön, und es gab viel zu sehen. Heute nach sechzig Jahren sind mir alle meine Reisen noch so gegenwärtig, als hätte ich sie erst gestern erlebt. In Hamburg kamen wir am 24. Juni 1899 an. Der Hannes musterte gewohnheitsgemäß mal wieder ab, aber dieses Mal für längere Zeit, denn jetzt musste ich erst mal die Navigationsschule besuchen, denn mein Ziel war ja, ein waschechter Kapitän zu werden. Der häufige Schiffswechsel war aber früher üblich, das hatte nichts mit Unbeständigkeit zu tun.

       Johannes Hubert: Steuermann auf großer Fahrt und Einjähriger

      So war ich denn Navigationsschüler geworden und machte am 1.4.1900 mein Examen als Steuermann auf großer Fahrt.

      Als frischgebackener Steuermann musterte ich am 18.4.1900 auf dem Dampfer "WAGRIEN" an mit einer Heuer von 85 Mark im Monat. Verschiedene kleine Fahrten machte ich mit diesem Schiff und zwar zwischen Hamburg und Manchester. Aber das Schiff gefiel mir ganz und gar nicht, es war ein dreckiger Pott, mit viel Ungeziefer, und die Wanzen peinigten uns die ganze Nacht. Kakerlaken wimmelten überall herum, na von den Ratten ganz zu schweigen. Ich war froh, als ich am 15. September 1900 wieder aussteigen konnte. Vierzehn Tage blieb ich erst mal in Cranz, und dann wurde ich als Einjähriger eingezogen. Kiel war die Garnison. Die dreimonatige Kasernenhofausbildung war damals sicher ebenso unbeliebt wie heute, aber sie gehörte nun mal dazu.

      Auf dem Schulschiff "OLDENBURG" machte ich meine Reserveoffiziersausbildung durch. Bald wurde ich zum Obermatrosen befördert, und nach weiteren drei Monaten bekam ich Kommando. Scheibenkommando nannte es sich, dauerte aber nur vier Wochen. Anschließend kam ich als Aspirant auf den Kreuzer "AEGIR",

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