Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute. Jürgen Ruszkowski

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Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute - Jürgen Ruszkowski

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weiter, dieses Mal nach Jokohama. Diese Stadt ist wohl die schönste Japans, und wir deutschen Seeleute waren dort auch sehr willkommen. Kaum hatte das Schiff festgemacht, als auch schon die fliegenden Händler an Bord kamen. Sie packten gleich ihre Ware aus und fingen einen schwunghaften Handel an. Das ganze Deck sah wie ein Laden aus, man konnte rein alles bekommen: Teeservice, Vasen, Figuren etc... Wir wurden von unseren älteren Kollegen, die schon öfter hier waren, erst mal aufgeklärt, wie so ein Kauf zu handhaben sei, und dann ging der Handel los. Am ersten Tag muss man noch nicht kaufen, nur handeln. Erst kurz vor der Ausfahrt, wenn die Händler Angst bekommen, nichts mehr los zu werden, kann man kaufen, denn dann zahlt man höchstens noch den vierten Teil dessen, was sie am ersten Tag forderten. Ich kaufte mir ein Teeservice, ganz dünnes Porzellan, es sollte erst nach unseren Geld Hundert Mark kosten, aber ich bekam es für 9,50 Mark: 12 Tassen und Teller, Kannen, Milchkannen und verschiedene kleine Schalen. Das Service ist heute noch da, und z. Z. liebäugelt mein Sohn damit, aber... Außerdem erstand ich noch zwei große Vasen, die sollten erst 80 Mark kosten, aber ich zahlte dann 5 Mark dafür. Eine der Vasen existiert noch, die hat mein Sohn bekommen. Dass die Händler schrecklich lamentierten und behaupteten, die Käufer ruinierten sie, gehört zum Geschäft, sie verdienen sicher noch genug an der Ware.

      Unser Schiff war inzwischen voll beladen, bis auf einen Raum, der für Bunkerkohle frei bleiben musste. Am 15.April 1898 morgens dampften wir weiter nach Moji. Die Fahrt dauerte nur vier Stunden, dort nahmen wir die Kohlen über, die wir für die Reederei nach Shanghai bringen mussten. Wir lichteten am 17. April die Anker, um Kurs auf die Heimat zu nehmen. In Singapore konnten wir noch einmal an Land gehen, und natürlich, wie sollte es auch anders sein, wurde dort noch einmal groß eingekauft. Der Kapitän hatte sich auf Schleierschwänze spezialisiert. Da musste auf Deck erst mal ein Aquarium gebaut werden, und dann kamen etwa 4.000 Schleierschwänze und 500 Teleskopfische hinein. Die Fische waren sehr wertvoll und in Hamburg ein begehrter Artikel, der einen großen Nebenverdienst versprach. Jeder an Bord kauft nun irgendein Viehzeug: Affen, Schlangen, kleine Wildtiere wie Leoparden etc. Das ganze Zwischendeck sah aus wie ein Zoo. Wir hatten unterwegs unseren Spaß an all den Tieren. Der Zimmermann fuhr diese Strecke schon seit zehn Jahren, und er gab uns die besten Ratschläge, besonders welche Tiere sich zum Verkauf in Hamburg am besten eigneten. So musste eine Schlange wenigstens zehn Fuß lang sein, sonst hatte sie keinen Wert für die Käufer, und man konnte sie dann nicht loswerden.

      Die Hitze im Hafen war sehr groß, und wir waren heilfroh, als wir endlich in See stechen konnten. Am 16. Mai 1898 waren wir in Suez, es folgte die übliche Fahrt durch den Kanal nach Port Said. Weitere Stationen der Fahrt waren am 24. Mai Gibraltar, am 2. Juni Ouessant, und am 3. Juni kamen wir in Le Havre an, wo wir die für Le Havre bestimmte Ladung löschten. Hatten die Tierhändler erfahren, dass ein Schiff aus Singapore im Hafen lag, waren sie nicht mehr zu halten, sie stürmten das Schiff und wollten alles aufkaufen, was wir von dort mitgebracht hatten. Selbst Hamburger Händler waren dem Schiff entgegengefahren, um nur die ersten zu sein. Wir waren aber ja auch nicht von gestern, wir wussten genau, dass Hagenbeck besser bezahlte, und so hielten wir unsere Schätze zurück. Vor dem Aquarium hatte der Kapitän sogar eine Wache aufgestellt, denn die Händler wären in ihrer Wut fähig gewesen, das Wasser zu vergiften, denn sie ärgerten sich sehr, dass sie uns nicht übers Ohr hauen konnten. Wachmann für die Fische war ich dieses Mal und bekam vom Kapitän 10 Mark dafür. Das war damals ein Batzen Geld, und ich freute mich sehr darüber.

      Am 6. Juni fuhren wir durch den englischen Kanal und durch die Nordsee der Heimat entgegen. Im Hamburger Hafen machten wir am 9. Juni 1898 die Leinen fest, die Heimat hatte uns wieder. Vier Monate und 24 Tage hatte die Reise gedauert. Ich hatte viel von der Welt gesehen, aber auch viel arbeiten müssen, denn vor 60 Jahren wurde es uns nicht so leicht gemacht wie heute. Die seefahrende Jugend glaubt es nur nicht und ist überzeugt, dass sie heute mehr leisten muss. Unsere ersten Besucher an Bord waren natürlich die Händler. Ich verkaufte meine Schlange für 80 Mark und meinen Affen für 40 Mark. An den beiden Tieren hatte ich 110 Mark verdient, das war vielleicht ein Geschäft!

      Nun musterte ich wieder ab, und mein nächster Weg führte mich wie immer nach Cranz. Schönes Geld hatte ich verdient, und das Goldgeld sah auch viel wertvoller aus, man konnte so schön damit klimpern. Ich hatte zwar an Heuer nur 264 Mark verdient, fühlte mich aber reich. Mein Vater holte mich am Cranzer Dampfer ab und war ausnahmsweise einmal sehr spendabel, er gab einen Grog aus. So etwas wurde früher besonders hoch angerechnet. Ich war sehr stolz, mit meinem Vater zusammen im Gasthaus zu sitzen und Grog zu trinken. Nach dieser Reise folgte wieder ein unfreiwilliger Heimaturlaub, denn man streikte mal zur Abwechslung wieder und zwar sechs Wochen lang, aber auch diese Zeit ging vorüber, und ich musterte bei Laisz an.

       Vollmatrose auf der "PAMELIA"

      PAMELIA nannte sich das Schiff, 3.000 Tonnen Ladefähigkeit hatte es. Es war als Bark getakelt, d. h. zwei volle Masten mit Rahsegeln und ein Mast mit Gaffelsegel. Am 21. Juli 1898 erfolgte die Anmusterung als Vollmatrose mit 60 Mark Heuer im Monat. Unser Schiff hatte 24 Mann Besatzung und fuhr nach Santos (Brasilien). Nun hieß es wieder von Hamburg Abschied nehmen, und am 26. Juli passierten wir Dover. Im Kanal hatten wir Gegenwind, und im Atlantik waren die ersten Tage stürmisch, und dauernd mussten die Segel los- und festgemacht werden. Unser Kapitän war dazu noch ein sehr unfreundlicher, herrischer Mann und bei der Besatzung denkbar unbeliebt. Das Essen ließ zu wünschen übrig, also schmeckte die Arbeit auch nicht. Fünf neue Täuflinge hatten wir am Äquator, die Taufe war für die, die diese Prozedur schon kannten, immer wieder eine Gaudi.

      Am 10. September erreichten wir Santos, und dort mussten wir acht Tage bleiben, weil wir das Entladen nur mit eigenen Leuten schaffen mussten, außerdem waren noch drei Mann ausgerückt, denen es an Bord nicht mehr gefiel. Der Kapitän war darüber schrecklich aufgeregt, setzte Himmel und Hölle und die Polizei in Bewegung, um die Ausreißer wieder einzufangen. Nach fünf Tagen hatte die Polizei die Ausreißer auch tatsächlich in Sao Paulo, einer deutschen Siedlung in der Nähe von Santos, aufgegriffen und an Bord gebracht. Das Donnerwetter war nicht von schlechten Eltern, aber die Leute waren zu verstehen, denn an Bord war es wirklich fast nicht auszuhalten.

      Damals war Sao Paulo eine Siedlung von 3.000 Einwohnern, heute ist Sao Paulo eine Großstadt. Von deutschen Familien wurde ich oftmals eingeladen. Sie holten mich dann mit Pferden ab, bis zur Siedlung musste man dann noch 30 Kilometer reiten. Das Essen bei den Siedlern war nach dem ewigen Schlangenfraß an Bord geradezu ein Festgeschenk, und ich langte feste zu. Die Ansiedler mochten mich wohl gerne leiden, sie versuchten wenigstens, mich zu überreden, bei ihnen zu bleiben. Sie versprachen sogar, mich zu verstecken. In den schönsten Farben malten sie mir die Zukunft aus, aber ich konnte mich doch nicht entschließen, meine geliebten Schiffsplanken zu verlassen. Auf der PAMELIA brauchte ich ja auf Dauer nicht zu bleiben. Die Siedler bedauerten meinen Entschluss sehr, mir fiel der Abschied von ihnen gar nicht leicht, aber ich war nun einmal Seemann. Wer weiß, vielleicht hätte ich wirklich dort einmal mein Glück machen können, denn die Stadt hatte in den darauffolgenden Jahren einen enormen Aufstieg.

      Mit Sandballast und einer Ladung Mate setzten wir unsere Reise fort und waren am 28. September in Valparaiso. Die See war gut, und so kamen wir schnell bis Kap Horn. Da es Frühling war, hatten wir meistens gutes Wetter und konnten innerhalb der Falklandinseln gehen und dadurch einen ziemlichen Weg abschneiden. Kap Horn passierten wir am 13. Oktober 1898 bei ganz klarem Wetter, es war das einzige Mal, dass ich Kap Horn richtig gesehen habe. Man bleibt sonst immer in ziemlich respektvollem Abstand von dieser berüchtigten Ecke. Der Kap-Horn-Fahrer sagt immer, wenn er gut ums Kap Horn kommt, hat er Glück gehabt oder der liebe Gott hat geholfen. Der Wind war südlich, und so segelten wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zehn Kilometern nach Valparaiso, wo wir am 24. Oktober eintrafen.

      Iquique, das 830 Seemeilen weiter war, mussten wir auch noch anlaufen. Unser Schiff wurde dort zwischen all den großen Schiffen im Hafen vertaut, vorne beide Anker ausgeworfen und hinten an einer Boje festgemacht. 18 Schiffe aller Nationen waren im Hafen, um Salpeter

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