Pamela, oder die belohnte Tugend. Samuel Richardson
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Читать онлайн книгу Pamela, oder die belohnte Tugend - Samuel Richardson страница 4
Eure gehorsame Tochter
Brief VIII
Liebe Pamela,
ich kann meine Warnungen vor der Güte deines Herrn und seinen ungenierten Worten über die Strümpfe nur erneuern. Es hat vielleicht, und ich hoffe es, nichts zu bedeuten. Doch wenn ich mir überlege, dass es etwas bedeuten könnte und dass, falls es so ist, davon nicht weniger abhängt als das Glück meines Kindes in dieser und in der nächsten Welt, dann ist das genug Grund, sich um dich zu ängstigen. Wappne dich, mein Kind, für das Schlimmste; und entscheide dich dafür, lieber das Leben als deine Tugend zu verlieren. Was für einen Unterschied macht es, dass die Zweifel, die ich in dir geweckt habe, die Freude an der Güte deines Herrn mindern? Hat denn das Vergnügen an ein paar armseligen schönen Kleidern im Vergleich zu einem reinen Gewissen überhaupt eine Bedeutung?
Es sind wahrlich sehr große Wohltaten, mit denen er dich überhäuft, doch umso mehr erregen sie Verdacht. Und wenn du sagst, dass er liebenswert und wie ein Engel aussieht, dann befürchte ich, dass seine Gaben auf dich einen allzu großen Eindruck machen könnten! Denn, obgleich du mit Vernunft und Klugheit über deine Jahre hinaus gesegnet bist, zittere ich doch bei dem Gedanken, welcher Gefahr ein armes Mädchen von kaum mehr als fünfzehn Jahren ausgesetzt ist angesichts der Versuchungen dieser Welt und eines Pläne schmiedenden jungen Edelmanns, der, falls er sich als solcher erweisen sollte, als dein Herr die Macht und das Recht hat, Befehle zu erteilen.
Ich verlange von dir, mein liebes Kind, wenn du den Segen deiner armen Eltern willst, auf der Hut zu sein. Dass Mrs. Jervis eine so anständige Dame und so freundlich zu dir ist, beruhigt mich und auch deine Mutter ganz beträchtlich. Wir hoffen, dass du vor ihr nichts verbirgst und stets ihren Rat einholst. Mit unserem Segen und unseren Gebeten für dich mehr als für uns selbst sind wir
Deine dich liebenden Eltern
Lass dir nicht von den Leuten sagen, wie schön du bist, damit du nicht eitel wirst. Denn du hast deinen Leib nicht selbst gemacht und daher kein Lob dafür verdient. Tugend und Güte allein machen die wahre Schönheit aus. Vergiss dies nicht, Pamela.
Brief IX
Lieber Vater und liebe Mutter,
es tut mir leid, Euch mitteilen zu müssen, dass meine Hoffnung, als Zofe zu Lady Davers gehen zu können, sich zerschlagen hat. Die Lady hätte mich gerne gehabt, doch mein Herr hat dem, wie ich hörte, nicht zugestimmt. Er sagte, dass ihr Neffe sich vielleicht in mich verlieben würde, und dass ich ihn oder er mich verführen könne, und war der Meinung, da seine Mutter mich liebte und mich seiner Sorge anvertraute, dass ich bei ihm bleiben solle und dass Mrs. Jervis wie eine Mutter für mich sein würde. Von dieser weiß ich, dass die Lady den Kopf geschüttelt und gesagt hat:
"Ach, Bruder!"
Und das war alles. Weil Ihr mich durch Eure Warnungen bange gemacht habt, kommen mir immer wieder böse Ahnungen. Bis jetzt habe ich Mrs. Jervis nichts von Eurer Warnung oder meinem eigenen Unbehagen gesagt, nicht weil ich ihr misstraue, sondern weil ich befürchte, dass sie mich für überheblich, aufgeblasen und eitel hält, wenn ich mir trotz des großen Abstandes zwischen einem Edelmann und einem armen Mädchen solche Sorgen mache. Allerdings hat es den Anschein, dass Mrs. Jervis einige Schlüsse aus Lady Davers´ Kopfschütteln zieht und daraus, dass sie nicht mehr sagte als: Ach Bruder!. So hoffe ich, dass Gott Gnade mit mir hat. Ich werde mir daher, wenn ich vermag, darüber nicht allzu sehr den Kopf zerbrechen, denn es gibt dafür hoffentlich keinen Anlass. Ich werde Euch aber über jede Kleinigkeit, die mir widerfährt, in Kenntnis setzen, damit Ihr mir weiterhin guten Rat erteilen und beten könnt für
Eure traurige Pamela
Brief X
Liebe Mutter,
ihr und mein guter Vater wundert Euch vielleicht, warum ihr seit so vielen Wochen keinen Brief von mir erhalten habt. Der Grund dafür war eine sehr, sehr traurige Begebenheit. Denn es ist nun allzu offensichtlich, dass Eure Warnungen wohl begründet waren. Ach, liebe Mutter! Es geht mir elend, wirklich elend! Habt dennoch keine Angst, ich bewahre die Tugend! Gott in seiner Güte erhalte mich darin!
Ach, dieser engelhafte Herr! Dieser feine Edelmann! Dieser liebreizende Wohltäter Eurer armen Pamela!, der sich nach dem Wunsch seiner sterbenden Mutter um mich kümmern sollte. Der so in Sorge um mich war, dass Lady Davers´ Neffe mich verführen würde, dass er mich nicht zu ihr gehen ließ. Genau dieser Edelmann (ja, ich muss ihn so nennen, obwohl er diesen Titel nicht mehr verdient) ist so tief gesunken, dass er sich seiner Dienerin gegenüber eigenmächtige Freiheiten herausnahm. Er hat nun sein wahres Gesicht gezeigt, und nichts erscheint mir finsterer und schrecklicher.
Ich bin nicht müßig gewesen, sondern habe von Zeit zu Zeit aufgeschrieben, mit welch verschlagener Niedertracht er nach und nach seine verderbten Gedanken offenlegte. Doch jemand stahl meinen Brief, und ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Er war sehr lang. Ich fürchte, dass mein Herr, der gemein genug ist, um in einer Hinsicht Übles zu tun, dies auch in anderer getan hat. Wie auch immer, mehr als die eigene Beschämung kann er dadurch nicht erlangt haben, wozu ich selbst aber keinen Grund habe, denn er wird sehen, dass ich an meiner Tugend festhalte und mich glücklich schätze, arme, aber ehrbare Eltern zu haben.
Ich berichte Euch über alles bei der nächsten Gelegenheit, denn ich werde sehr genau beobachtet. So sagte er zu Mrs. Jervis:
"Dieses Mädchen ist ständig am Kritzeln. Ich denke, man könnte ihr Besseres zu tun geben."
Ich arbeite aber den ganzen Tag mit meiner Nadel und kümmere ich um seine Wäsche und die Wäsche des Hauses, und ich sticke ihm nebenbei eine Weste. Aber, ach!, mein Herz will gleich zerbrechen, denn was ich als Lohn erhalte, ist Scham, Schimpf, Schande und schlechte Behandlung! Ich werde Euch alles in Bälde berichten und hoffe, meinen langen Brief zu finden.
Eure höchst betrübte Tochter
Vielleicht übertreibe ich es mit all dem Er und Ihm. Das ist aber seine Schuld. Denn warum hat er sich mir gegenüber so entwürdigt?
Brief XI
Liebe Mutter,
ich kann meinen Brief nicht wiederfinden und versuche also, alles zu erinnern und mich möglichst kurz zu fassen. Eine Zeitlang liefen die Dinge nach meinem vorletzten Brief ganz gut. Schließlich aber kam mir manches verdächtig vor, denn wann immer er mich sah, blickte er mich auf eine Weise an, die nichts Gutes verheißt. Eines Tages kam er zu mir, als ich im Gartenhaus mit meiner Nadel arbeitete und Mrs. Jervis mich gerade verlassen hatte. Ich wollte hinausgehen, doch er sagte:
"Nein, geht nicht, Pamela. Ich muss mit Euch sprechen. Immer flieht ihr vor mir, wenn ich in Eure Nähe komme, als hättet Ihr Furcht vor mir."
Ich war sehr verstört, wie Ihr Euch denken könnt, sagte aber endlich:
"Es kommt Eurer Dienerin nicht zu, in Eurer Nähe zu weilen, Sir, wenn es Eure Angelegenheiten nicht erfordern. Und ich hoffe, immer meinen rechten Platz zu kennen."
"Nun", sagte er, "meine Angelegenheiten erfordern es manchmal, und ich finde, dass Ihr bleiben solltet, um zu hören, was ich Euch zu sagen habe."
Ich stand immer noch verwirrt da und begann zu zittern, und zitterte noch mehr, als er mich bei der Hand fasste, denn keine Menschenseele war in der Nähe.
"Meine Schwester Davers" (er schien ebenso verlegen um Worte zu sein wie ich) "wollte Euch bei sich haben. Aber sie würde nicht das für Euch tun,