Quentin Durward. Walter Scott
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Gestützt auf Dunois' Arm, erschien Ludwig der Namensvetter des Königs und Herzog von Orleans, mit langsamem und schwerem Schritt. Der Herzog und Prinz, eifersüchtig bewacht von König Ludwigs Argwohn, der im Fall eines Fehlens männlicher Nachkommenschaft des Königs, würde der Thronerbe sein. Er durfte sich nicht vom Hof entfernen, und doch gestattete man ihm nicht, während er sich dort aufhielt, jedweden Einfluss zu nehmen. Die Niedergeschlagenheit, welche sein entwürdigender, einer Gefangenschaft ähnlicher Zustand, verursachte wurde durch die ungerechten Handlungen des Königs betont. Der König wollte ihn zwingen, der Prinzessin Johanna von Frankreich, mit der er bereits in seiner Kindheit verlobt wurde, zu heiraten. Das Äußere dieses unglücklichen Prinzen zeichnete sich in keinerlei Hinsicht vorteilhaft aus. Dafür trug er einen Ausdruck von Sanftmut, Milde und Wohlwollen. Selbst unter dem Schleier der schrecklichsten Niedergeschlagenheit, mit dem sein Charakter umhüllt war, wurde dieser nicht verdeckt.
Ganz anders das Benehmen des stolzen Kardinals und Prälaten, Johann von Balue, des damals begünstigten Ministers Ludwigs. König Ludwig hatte diesen Minister aus dem niedrigsten Stande zu der Würde, oder wenigstens dem Genuss der Pfründe eines Großalmoseniers von Frankreich erhoben. Sogar ihn mit Wohltaten überhäuft und den Kardinalshut verschafft. Der Kardinal war durch diese Auszeichnung dem Irrtum erlegen, aus einem niedrigen Stand zu Macht und Ehre erhoben, zu allem etwas sagen zu können. Er war überzeugt, dass seine Talente ihn dazu befähigten, selbst zu solchen, die weder seinem Stand noch seinen Studien nach, noch so fern lägen. Groß und plump, wie er war, befliss er sich dennoch einer gewissen Galanterie und Bewunderung für das schöne Geschlecht. Irgendein Schmeichler oder eine Schmeichlerin hatten ihm in einer unglücklichen Stunde in den Kopf gesetzt, dass ein Paar plumpe, unförmige Beine, die von seinem Vater, einem Fuhrmann von Limoges, als Erbstück auf ihn übergegangen waren, eine besondere Schönheit in ihren Umrissen verrieten. Diese Idee hatte ihn so weit betört, dass er seinen Kardinalsrock beständig auf einer Seite etwas aufgehoben trug, damit sein plumper Gliederbau dem Auge ja nicht entgehen könne.
„Weiß der König“, fragte Dunois den Kardinal, „dass der burgundische Gesandte auf eine unverzügliche Antwort dringt?“
„Ja, er weiß es“, antwortete der Kardinal, „hier kommt Oliver Dain, um uns mit dem Willen Seiner Majestät bekannt zu machen.“
Während dieser Worte trat ein merkwürdig aussehender Mann, der damals die Gunst Ludwigs mit dem eingebildeten Kardinal teilte, aus dem inneren Gemach. Im Gegensatz zum kardinal kam er ohne die wichtigtuerische, bedeutsame Miene aus. Der aufgeblasene, übermütige Diener der Kirche stand im krassen Gegensatz dazu. Dieses kleine, blasse und schmächtige Männchen, dessen schwarzseidene Jacke und Hose, ohne Oberkleid, Mantel oder Überwurf, schien wenig geeignet, seine ganz gewöhnliche Gestalt etwas zu ihrem Vorteil herauszuputzen. Er trug ein silbernes Becken in der Hand und ein über den Arm geworfenes Handtuch. Die Insignien seines niedrigen Berufes als Barbier. Seinen durchdringen scharfen Blick versuchte er dadurch zu verwischen, indem er die Augen beständig zu Boden schlug, während er mit dem verstohlenen, leisen Tritt einer Katze mehr durch das Zimmer schlich als ging.
Ein paar Augenblicke sprach er mit dem Grafen Dunois, dieser verließ das Zimmer, und der Barbier schlich in das königliche Gemach zurück. Nebenbei flüsterte er Ludwig Lesley ins Ohr, dass seine Angelegenheit günstig beigelegt wäre.
Kurz darauf erhielt er die Bestätigung der angenehmen Nachricht; weil der Generalprofos der königlichen Hofhaltung Tristan l'Hermite, eintrat. Er ging geradewegs auf Balafré zu. Der reich bestickte Anzug des furchtbaren Beamten hatte die Wirkung, das Finstere, Unheil weissagende seines Gesichtes, sowie das Unangenehme seiner Miene stärker hervorzuheben. Der Ton seiner Stimme, in die er etwas Versöhnliches zu legen meinte, klang ungefähr so, wie das Brummen eines Bären. Der Inhalt seiner Worte war jedoch freundlicher als die Stimme, mit der sie gesprochen wurden. Er bedauerte das erwähnte Missverständnis am vorigen Tage. Ludwig Lesley gab hierauf den gebührenden Bescheid. Sobald Tristan ihm den Rücken zugewandt hatte, machte er seinen Neffen darauf aufmerksam, ab sofort die Ehre zu haben, in ihm einen Todfeind zu sehen. „Ein Soldat“, fügte er hinzu, „der seine Pflicht tut, lacht über den Generalprofos.“
Quentin teilte die Meinung, seines Onkels, denn als Tristan l'Hermite den Rücken wandte, tat er es mit dem grimmigen Blick eines verwundeten Bären. In der Tat sprach aus seinen tückischen Augen, eine Bosheit, die jeden, der seinem Blick begegnete, schaudern ließ. Das Gefühl des Abscheus war bei dem jungen Schotten umso tiefer, da er immer noch an seinen Schultern den Griff der todbringenden Helfershelfer dieses grässlichen Beamten zu fühlen glaubte. Die Flügeltüren öffneten sich kurz darauf und König Ludwig betrat das Audienzzimmer.
Wie alle anderen richtete Quentin seine Augen auf ihn. Ein Blitzschlag des Erkennens traf ihn, erschrak so plötzlich, dass ihm fast die Waffe entfallen wäre. Er erkannte im König von Frankreich jenen Seidenhändler, der sich Meister Peter nannte. Sonderbare Ahnungen über den wahren Stand dieses Mannes hatten sich ihm mehrmals aufgedrängt, lediglich die Wirklichkeit übertraf seine kühnsten Vermutungen.
Der gestrenge Blick seines Onkels, der sich über den Verstoß gegen das, was der Anstand des Dienstes erforderte, ärgerte, brachte ihn bald zur Besinnung. Er staunte nicht schlecht, als der König, dessen geübter Blick ihn sofort erkannte, geradewegs auf ihn zukam, ohne von irgendjemand anderes Kenntnis zu nehmen.
„Ich hörte, junger Mann“, wandte er sich an Quentin, „Ihr begannt gleich bei Eurem Eintritt in die Touraine Händel zu bereiten. Ich verzeihe Euch, da es hauptsächlich die Schuld des alten Kaufmanns war, der törichterweise dachte, Euer kaledonisches Blut müsste schon früh des Morgens durch Beaune-Wein erwärmt werden. Wenn ich ihn finde, will ich an ihm ein Exempel statuieren, dass er meine Garden zu Ausschweifungen verleitet.
„Balafré“, fuhr er fort, indem er sich direkt an ihn wandte, „Euer Neffe ist ein feuriger, wackerer Junge. Mir gefallen Leute von solchem Gemüt. Ich gedenke, die tapferen Männer, um uns herum, höher zu heben, als wir es jemals taten. Lasst Jahr, Tag und Stunde seiner Geburt aufzeichnen und reicht es an Oliver Dain weiter.“
Balafré verbeugte sich tief um kurz danach seine aufrechte, kriegerische Haltung wieder einzunehmen. Genauso, wie jemand, der seine Bereitwilligkeit zeigt, sich zum Kampf für seinen König oder dessen Verteidigung das Schwert zu gürten. Quentin erholte sich unterdessen von seinem Erstaunen. Er bemühte sich, das Äußere des Königs genauer zu studieren. Zu seiner Verwunderung erlebte er den verschiedenartigen Eindruck, den dieser bei ihm hinterließ. In seiner Kleidung bemerkte er keine große Veränderung. Ludwig, ein Verächter des äußeren Prunkes, trug auch bei dieser Gelegenheit eine alte dunkelblaue Jagdjacke, die nicht viel besser war, als die Kleidung vom Vortag. Ein Rosenkranz aus Ebenholz war sein einziger Schmuck. Statt der Mütze mit einem einzelnen Bild trug er einen Hut, dessen Rand mit wenigstens einem Dutzend kleiner bleierner Heiligenbilder umgeben war.
Quentins Eindruck, die Augen würden nur Gewinnsucht widerspiegeln, bekamen da sie einem talentvollen, mächtigen Fürsten angehörten,