Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee. Friedrich Gerstecker
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Wunderbarer und wie es mir vorkam, höchst unnützer Weise klebte der braune Bursche seinen Zettel aber entsetzlich hoch, man konnte die Worte, trotz der großen Schrift, kaum erkennen, und erst nachdem er sich fast die Arme ausgerenkt hatte, und irgendetwas dabei in seiner Sprache murmelte, stieg er den Tritt wieder hinunter, nahm ihn unter den Arm und verschwand um die nächste Ecke, nach einer Weile aber – wohl zehn Minuten mochten darüber vergangen sein – kam sein Kopf mit dem Kleistertopf plötzlich noch einmal zum Vorschein, und nach einem langen misstrauischen Blick auf den Bock verschwand er zum zweiten Mal, ohne dass der Ziegenbock auch nur die geringste Notiz von ihm genommen hätte.
Mir kam das alles so merkwürdig und außergewöhnlich vor, dass ich dem Mann folgte, zu sehen was er weiter treibe, ich hatte aber kaum die Ecke erreicht, wo ich ihn mit einem anderen Zettel beschäftigt sah, als es der Ziegenbock wurde, für den ich mich zu interessieren anfing, denn dieser hob jetzt zum ersten Mal vorsichtig den Kopf, schaute aufmerksam die Straße erst hinunter und dann hinauf, und als er Niemand Verdächtiges sah, denn mir mochte er es ansehen, dass ich ihn in seinen Operationen nicht stören würde, kam er rasch zwischen den Korallblöcken vor, war mit ein paar Sätzen auf einem Haufen Bauholz, das wenige Schritte von dort aufgeschichtet lag, und von dem ein Balken schmal und schwankend bis dicht neben den Zettel hinausragte, lief auf diesem hin wie ein Seiltänzer, und ehe ich nur begreifen konnte was er da oben wollte, hatte er den eben frisch angeklebten Zettel erfasst, riss ihn herunter, und wie er den Boden wieder erreichte, war das nasse Papier auch schon, wenn noch nicht verschlungen, doch wenigstens umgekaut.
Ohne sich unten aber weiter aufzuhalten, wanderte er langsam die Straße hinauf, dem Zettelträger nach, und vier Zettel zog er herunter, bei denen ich gegenwärtig war, bis ein Polizeidiener die Straße nieder kam und der Ziegenbock, rasch in eine schmale Beistraße einbiegend, hinter den niederen Bambushäusern verschwand.
Der Eigentümer des Amerikanischen Zirkus, der einen von seinen eigenen Leuten herumgeschickt hatte seine Zettel anzukleben, behielt, da dieser sie nur kaum vier Fuß von der Erde anpappte, nicht einen einzigen oben, und das Ganze einer Schikane irgendeines Nebenbuhlers zuschreibend, beklagte er sich sogar deshalb bei den Gerichten. Gott weiß übrigens ob der Ziegenbock „tabu“ war, das heißt nicht berührt oder geschädigt werden durfte, oder ob es – das Wahrscheinlichere – den Eingeborenen selber Spaß machte das gemütliche Tier in solcher Weise beschäftigt zu sehen, kurz trotz all diesen verschiedenen Vergehungen geschah ihm gar nichts, außer dann und wann einmal vielleicht ein kleiner Klaps, wenn er eben zufälliger Weise gerade von dazu Beauftragten auf frischer Tat ertappt wurde.
Ich versuchte später mein Bestes, den Ziegenbock anzukaufen um die Rasse nach Deutschland zu verpflanzen; der Reingewinn bei einer Gattung Tiere, die allein an Makulatur gezogen werden konnte, wäre enorm gewesen, der Besitzer wollte ihn aber unter keiner Bedingung veräußern.
Was die Regierung des Landes betrifft, so ist diese rein monarchisch. Kamehameha III. regiert als unumschränkter Herrscher, d. h. seine Minister, zwei Amerikaner und ein Schotte, regieren für ihn, und Se. Majestät suchen indessen den Fremden, welche stets behaupten wollen er stünde unter der Herrschaft der Missionare, auf das Kräftigste zu beweisen, dass dies nicht allein keineswegs der Fall ist, sondern dass sie sogar, wenn dies nur die Missionare litten, das Verbot der Branntweineinfuhr total aufheben würden. Über diese beiden etwas schwer zu vereinigenden Beweisgründe soll der arme Mann in den letzten vierzehn Tagen noch gar nicht nüchtern geworden sein.
Wer weiß übrigens ob er, wenn sich selber überlassen, so stark trinken würde, und ob nicht gerade das Verbot und das Aufpassen und stete Mahnen der Missionare dem alten Häuptlingsstolz gegenüber viel dazu beiträgt ihn mehr aus Ärger als Betrübnis nach der Flasche greifen zu lassen. Was ich sonst über ihn gehört habe, war nur zu seinem Vorteil. Er soll, wenn sich selbst überlassen, ein gutmütiger, ja selbst liebenswürdiger, nur natürlich gegen Fremde etwas misstrauischer Mann und außerdem noch ein vortrefflicher Boxer und Reiter sein und, wenn auch eben nicht sehr groß und robust gebaut, doch ungemeine Körperstärke besitzen.
Über die Damen des Hofes habe ich leider in der kurzen Zeit meines dortigen Aufenthalts gar keine Erkundigungen einziehen können.
Was nun die Bewohner von Honolulu betrifft, so ist ihre Bevölkerung, wenn auch nicht so gemischt wie die San Franciscos, dieser doch ebenfalls gar nicht so viel nachstehend. Das Proletariat, um von unten anzufangen, besteht nur in den Kanakas selber, und einigen, sehr wenigen ganz ordinären Branntweinschenken für Matrosen, die von Europäern gehalten werden.
Die Kanakas selber leben ungemein einfach und mäßig, und das Einzige, was sie sich früher und heimlich auch wohl noch hie und da jetzt an Extravaganzen erlaubten, war ein aus der Awawurzel bereitetes ziemlich berauschendes Getränk; Spirituosen sind ihnen aber gänzlich verboten, und schwere Strafen darauf gesetzt, sie an Eingeborene zu verkaufen, während diese selber keineswegs solches Verlangen darnach zu zeigen scheinen, dem Genuss derselben etwa gierig nachzustreben. Ich kann mich nicht ein einziges Mal erinnern, auch nur einen angetrunkenen Eingeborenen gesehen zu haben.
Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus der Taro- oder Palowurzel (denn sie verwechseln in ihrer Sprache das T und P und L und R fortwährend mit einander, indem ihr Ohr gar keinen Unterschied dafür haben kann) die ihnen dasselbe zu sein scheint, was den südlichen Inseln die Brotfrucht, den Kalifornischen Insulanern die Eichel, den Indern der Reis ist. Der Taro ist eine große starke Wurzel von zwölf bis fünfzehn und selbst mehr Zoll im Umfang, von einer fast purpurähnlichen Farbe, große Stängel und fleischige Blätter treibend, die Ähnlichkeit mit Pfeilspitzen haben aber mehrere Fuß lang und zwölf bis sechzehn Zoll breit sind, während die Pflanze selber durchaus im Wasser oder wenigstens dünnem flüssigem Schlamme gezogen sein will. Die kleinen Plätze in welchen dieses Hauptnahrungsmittel wächst, gleichen deshalb auch vollkommen kleinen Teichen, deren Ränder Bananen, Orangen und Kokospalmen einfassen.
Roh ist die Wurzel ungenießbar, scharf und beißend, gekocht aber vortrefflich und der süßen Kartoffel nicht ganz unähnlich, ja eher noch nahrhafter als diese. Zum Gebrauch wird die Tarowurzel in der Erde gebacken, bis sie trocken und mehlig, dann mit einem Stein zu feinem Mehl und in Wasser zerrieben, bis sie zu einem zähen nicht zu dünnen Brei wird, und dann zum Jähren bei Seite gestellt. Nach vierundzwanzig Stunden etwa hat dieser den nötigen Wohlgeschmack erlangt, und selbst die Art dann ist appetitlich, wie die Masse verzehrt oder besser eingestrichen wird. Auf seine Matte halb ausgestreckt, oder mit eingezogenen Füßen neben der Kalebasse kauernd die das allbeliebte Gericht enthält, fährt der Insulaner mit dem rechten Zeigefinger – der so alleinig zu diesem Gebrauch bestimmt scheint, dass er selbst den Namen Poe-Finger ka rima poe erhalten hat, in den Brei, und mit einem gewandten Schwung, nichts von der dickflüssigen Masse abtropfen zu lassen, bringt er die Labung in den Mund, streicht ab und ist für einen zweiten „Löffel voll“ fertig. Getrockneter oder roher Fisch dient dem Mahl als Würze.
Zu Wassergefäßen benutzt der Insulaner, noch eigentlich aus seiner alten Heidenzeit herstammend, Flaschenkürbisse, die zierlich geschnitten und mit regelmäßigen, oft äußerst geschmackvoll ausgeführten Figuren und Arabesken verziert oder gewissermaßen tätowiert werden. Diese mit ein paar Poe-Kalebassen, bilden aber auch in der Tat sein ganzes Küchengerät, und kommt man in eine solche Hütte der Eingeborenen