Anna Q und die Suche nach Saphira. Norbert Wibben
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Der Physikunterricht nutzt das Gewitter des vergangenen Abends, um die dabei auftretenden Vorgänge zu erläutern. In kleinen Experimenten wird die statische Aufladung der Luft und der Wolkenschichten demonstriert, die sich schließlich in heftigen Blitzen entlädt. Der Raum wird verdunkelt. Eine Wolldecke wird von einigen mutigen Schülern über den Kopf gezogen. Während sie dabei die Augen offen halten, können sie kleine Blitze als Folge einer statischen Entladung sehen. Der Professor erläutert, dass dies in ungefährlicher Form dasselbe sei, wie in der Natur das Gewitter in größeren Dimensionen.
Nach einer kleinen Unterbrechung für eine Mittagspause steht Sport auf dem Plan, dann werden die Schüler in den Nachmittag und zur freien Gestaltung entsprechend ihren Neigungen entlassen.
Anna kann es kaum erwarten, das Schachspiel gegen Robin bestreiten zu können. Sie stürmt von den Sportstätten in das Haupthaus des Internats und rennt durch den Flur zur Bibliothek. Einmal muss sie plötzlich bremsen. Um eine Ecke biegend wäre sie sonst direkt in eine Gruppe diskutierender Schüler gerast. Sie gehören in die fünfte Schulklasse und schütteln verstehend die Köpfe. Es ist typisch für viele Kinder des ersten Jahrgangs, dass sie andauernd meinen, etwas zu versäumen.
Anna bremst nach wenigen Momenten erneut ihren Lauf. Was ist los? Warum steht Robin vor dem Eingang zur Bibliothek und geht nicht hinein? Sie stutzt. Er wartet doch wohl nicht auf sie, damit sie gemeinsam den Lesesaal betreten können? Ein frohes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus.
»Robin. Das ist aber nett von dir, auf mich zu warten!« Der Junge antwortet verlegen:
»Hallo Anna. Ehrlich gesagt stehe ich nicht im Flur, damit wir gemeinsam hineingehen können. Es ist vielmehr so, dass die Tür versperrt ist. – Hast du heute Morgen einen diesbezüglichen Hinweis an der Pinnwand zum Speisesaal bemerkt?«
»Nein. Dort hing nur eine seltsame Notiz, in der es um Interesse an großen Herausforderungen ging. Das habe ich nicht verstanden. Du?« Der Junge blickt grübelnd erst sie, dann seine Armbanduhr an.
»Es passt nicht zu Professor Mulham, nicht wenigstens für eine Vertretung in der Bibliothek zu sorgen. Das im Zusammenhang mit der Notiz ist seltsam. Ob sie der Urheber der Nachricht ist?« Ein auffordernder Blick genügt, dann stürmen beide im Laufschritt Richtung Speisesaal. Die Turmuhr schlägt drei Mal, als sie die Saaltüren öffnen und hineinstolpern.
»Das war auf dem letzten Drücker!« Gleichzeitig mit diesem Ausspruch verriegelt Morwenna Mulham die Eingangstür und geht langsam zum erhöhten Podest, auf dem die Tische stehen, an denen die Professoren des Internats am Essen teilnehmen. Robin und Anna schauen sich an, dann folgen sie der Professorin weiter in den Raum hinein. Nur wenige Plätze der langen Tischreihen sind besetzt, es mögen insgesamt etwa zwanzig Anwesende sein.
Die Lehrerin blickt die Schüler einen nach dem anderen an. Anna meint, ein freudiges Aufleuchten ihres Blicks zu bemerken, als der auf Robin und ihr ruht, so wie vorhin am Eingang.
»Ihr habt also Interesse an großen Herausforderungen!« Pause. »Dass ihr ohne weitere Erläuterungen gekommen seid, beweist eine gewisse Neugier, und das ist gut!« Pause. »Hat jemand von euch eine Idee, worum es gehen mag?« Pause. Ein Schüler der fünften Klasse erhebt sich und wartet, bis ihm das Wort erteilt wird.
»Sie sind doch die Bibliothekarin. Hat es etwas mit Büchern zu tun, möglicherweise die Verfolgung einer alten Spur, die in einem Wälzer erwähnt wird?«
Die Professorin schaut ihn lange an, bevor sie entgegnet:
»Die Möglichkeit könnte bestehen, trifft aber nicht zu. Trotzdem danke ich dir, da du damit einen Gedanken in meinem Kopf angestoßen hast, den ich verfolgen werde!« Der Jugendliche blickt in die Runde und setzt sich. Anna hatte erwartet, ein Kichern zu hören, so wie es ihr manchmal in der Grundschule ergangen ist. Doch das passiert nicht. Sie atmet erleichtert auf. Offenbar sind die hier versammelten Schüler reifer als andere, oder es liegt an der streng blickenden Professorin. Anna schaut zu ihr hin und stellt eine Änderung fest. Sie blickt heute viel freundlicher als sonst. Ein feines Lächeln umspielt ihre Lippen, als ihre Augen lange in ihre schauen. Es wirkt so, als ob sie das Mädchen zu einer Antwort auffordern würde.
Jetzt erhebt sich eine Schülerin, die in Robins Jahrgang ist.
»Ja? Wie lautet dein Vorschlag?«
»Machen wir eine Forschungsreise? Vielleicht einen Ausflug zu einer archäologischen Ausgrabung?«
»Das wäre sehr interessant«, denkt Anna. Ihre Gedanken wandern sofort wieder zu den Wikingern, doch die Professorin verneint. Der nächste Schüler schlägt einen Rätselwettkampf vor. Aber das wird genauso wie ein Logikwettbewerb als nicht zutreffend bezeichnet. Die Spannung steigt mit jedem Vorschlag und seiner Verneinung. Jetzt erhebt sich Alexander.
»Da sie keinen Sportunterricht erteilen, entfällt ein entsprechender Ausflug zu einem Wettkampf. – Wollen sie ein Wissensturnier austragen, dessen Kategorien aus verschiedenen Fächern gebildet werden? Sozusagen einen Zehnkampf über geistige Herausforderungen?«
»Ich danke dir für diese Anregung«, beginnt Professor Mulham. »Aber das ist es auch nicht, obwohl das einen großen Reiz hätte. Hat sonst niemand einen Vorschlag? Was ist mit euch beiden?« Sie schaut jetzt direkt zu Anna und Robin. »Liegt euch nicht die Lösung auf der Zunge?«
»Was meint sie wohl?«, rätselt der Junge an Anna gewandt.
»Sie schaut uns so seltsam an, ob sie damit auf unsere Partie von gestern anspielt?« Das Mädchen fast sich nach dieser Frage ein Herz und steht auf.
»Ich glaube, du hast die Lösung, stimmt’s?« Die Professorin ist gespannt.
»Wenn es das ist, worauf sie mich und Robin vermutlich hinweisen wollen, dann …« Sie stoppt.
»Ja?«
»Dann geht es um Schach. Wollen sie ein Schachturnier ausrichten?«
»Du hast es fast getroffen, Anna. Das ist doch dein Name, richtig? Gut. Ich möchte eine alte Tradition dieses Internats wieder aufleben lassen. Früher nahm unser Haus an Schachwettkämpfen teil, die zwischen den Schulen des Landes ausgetragen wurden. Dafür ist es erforderlich, eine Mannschaft aus Spielern in verschiedenen Altersklassen zu bilden. Gerade in den jüngeren Jahrgängen ist es aber schwierig, geeignete Kandidaten zu finden. Gestern habt ihr mich beeindruckt, was mich sofort auf die Idee brachte, die alte Tradition wieder aufleben zu lassen.« Ein Murmeln unter den Schülern entsteht. Etwa die Hälfte gibt zu verstehen, kein Interesse an turniermäßigem Schachspiel zu haben. Die Professorin dankt für ihr Kommen und schließt ihnen die Tür auf. Währenddessen ruht Alexanders nachdenklicher Blick auf Robin und Anna. Sollte er das Mädchen doch unterschätzt haben? Er ist trotzdem überzeugt, gegen sie mit Leichtigkeit zu gewinnen.
Morwenna Mulham trägt die verbliebenen Schüler mit Namen, Alter und Jahrgang in eine Liste ein. Sie vereinbaren anschließend, sich in den nächsten Wochen mindestens jeden zweiten Tag zum Üben zu treffen. Als Ort dafür wird der Lesesaal gewählt und der Beginn auf fünf Uhr nachmittags festgelegt. Professor Mulham verspricht, sich darum zu kümmern, dass sie auch nach der offiziellen Zeit fürs Abendessen etwas bekommen werden. Die Zeit für ein Spiel kann wesentlich länger als eine Stunde dauern, wie sie aus Erfahrung weiß. Der erste Tag soll der morgige