Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
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Er verengte seine weißen Augen und blickte dem Sklaven hinterher. Dieser sah ebenfalls noch ein letztes Mal zurück, direkt in Sarsars Gesicht, schien noch immer irritiert von dessen Antlitz.
»Dann sind diese Sklaven also wie … das kostbare Haustier der Stammesführerinnen?«, fragte er nachdenklich. »Wirklich wie ein Zuchthengst?«
»Weiß nicht, was ihr Westländer immer mit euren Zuchthengsten habt, aber wenn es bedeuten soll, dass man sie behandelt, als wären sie fast menschlich, dann ja, davon kannst du ausgehen, Freund«, stimmte Chusei zu, »die bekommen sogar das Fell gebürstet.«
»Interessant.« Wirklich höchst interessant.
Kapitel 17
Es regnete noch immer. In den letzten drei Tagen war die heiße Sonne über Elkanasai vielleicht nur für wenige Augenblicke am Stück durch die tiefhängenden Wolken gebrochen. Drei Tage strömender Regen, Dampf, Dunst, Schwüle, Schlammmassen. Und Desith hing noch immer am Pfahl, kniete im sumpfigen Matsch und in seiner eigenen Scheiße und Pisse.
Doch er flehte nicht um Gnade, noch um Wasser oder ein Stück Brot. Er legte den Kopf in den Nacken und streckte die Zunge heraus, wenn er durstig war, ansonsten rührte er sich kaum.
Wie stur dieser magere Winzling doch sein konnte.
Seufzend lehnte Vynsu sich unter einem Zelt an einen Pfosten und blickte durch den grauen Regenvorhang über den wie leergefegten Platz. Desith blieb unbehelligt, dafür hatte er persönlich gesorgt. Auch wenn die Menschen es kaum hatten erwarten können, ihn mit faulem Obst zu bewerfen, und die Krieger, die ihn nicht hatten besiegen können, darauf gewartet hatten, ihm ins Gesicht zu pissen. Ihnen war ihr Verhalten nicht übel zu nehmen, welche Unterhaltung bot sich ihnen außer saufen, ficken und sich am Leid anderer zu laben denn sonst? Aber Vynsu hatte jedem einzelnen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Desith – auch wenn er bestraft wurde – mit dem höchsten Respekt behandeln würden. Immerhin war und blieb er ein Prinz von Rechtswegen. Er hatte sie daran erinnert, wie das Kaisersöhnchen gekämpft hatte. Hatte allen ins Gedächtnis gerufen, dass dieser dürre, kleine Kerl vier fette Barbaren in Schach gehalten hatte. Das verdiente den größten Respekt, dieses Zugeständnis mussten sie alle machen.
Und mit jedem Tag, den Desith ohne einen Mucks im Regen saß, trotzig und stark, je mehr Verwunderung und Achtung schlug ihm entgegen. Es hatten schon viele Männer an Prangern gestanden, waren vom Großkönig wie Vieh ausgestellt worden, viel ältere und größere Männer als Desith, die viele Schlachten und Handgemenge gewonnen hatten, aber bereits nach einer Nacht angebunden auf dem Marktplatz, weinten und jammerten sie wie Schlosshunde.
Desith schwieg eisern.
Auch Vynsu musste zugeben, dass er beeindruckt war. Allerdings hatte er Desith noch nie für einen Schwächling gehalten, oder gar feige. Aufmüpfig, gewiss, stur und manchmal arrogant, und hin und wieder hatte er die Stärke seiner schlanken Arme unterschätzt – und es immer wieder bereut – doch für einen weinerlichen Burschen hatte er ihn nie gehalten.
Weil er das einfach nicht war.
Jori trat neben ihn und reichte ihm einen der beiden Becher, die er herantrug. Vynsu nahm den Met blind an sich und trank einen Schluck.
»Feuriges Kerlchen.«
Vynsu starrte lippenleckend in sein Getränk. »Hm.«
Forschend sah Jori ihn an. »Einige böse Zungen behaupten, du bewachst ihn wie eine Löwin ihr Junges. Und man hört, es gefällt dem Großkönig nicht, dass du dich einmischst.«
»Ist das so?«, gab er trocken zurück und drehte nachdenklich den Becher in den Fingern.
»Weißt du, was ich glaube?«
»Ich kann vieles, Jori, aber Gedanken lesen gehört nicht dazu.«
Jori setzte diese Miene auf, die er immer bekam, wenn er jemandem vorsichtig ins Gewissen reden wollte. »Ich denke, dass du versuchst, eine Sache wieder gut zu machen, die gar nicht deine Schuld war.«
Vynsu schwieg.
»Er ist der Bruder deiner Frau, aber er ist nicht dein Gemahl, du schuldest ihm nichts und solltest dich wegen ihm nicht mit Melecay anlegen.«
Erstaunlich, dachte Vynsu bei sich, dass Jori geradezu riechen konnte, wenn jemand in seiner Nähe etwas ausgefressen hatte oder im Begriff war, etwas wirklich Dämliches zu tun. Leise lachend nahm Vynsu noch einen Schluck, genoss das wohltuende Gefühl der Flüssigkeit, die seine Kehle anfeuchtete. »Du bist die Löwin, Jori, die spürt, wenn ihre Jungen auf einen Abgrund zulaufen.«
»Komm«, Jori schlug ihm mit dem Handrücken gegen den Arm, »lass uns reingehen, ja?«
»Ja, gleich«, versprach er.
Nickend wandte sein Freund sich ab und schlenderte zurück zum Tisch, der sich hinter Vynsus Rücken im warmen und trockenen Zelt befand. Seine Kameraden spielten Würfelpoker und setzten ihren letzten Sold. Das erinnerte ihn daran, was er der Gruppe für die Zeit im Dschungel schuldete. Denn auch wenn er sie als Freunde bezeichnete, er hatte ihnen ein hohes Sümmchen versprochen und die Gruppe musste essen. Sie waren, sind und würden immer Söldner bleiben. Er schuldete es ihnen. Und er hielt immer sein Wort.
Immer…
Vynsu hob den Blick und sah noch ein letztes Mal zu Desith. Das lange Haar triefte und lag wie ein Helm um seinen Kopf, die feuerroten Strähnen klebten in seinem Gesicht und schimmerten wie frische Kratzer, das Hemd stand offen und der weiße Stoff war von der Nässe durchsichtig geworden, es lag hauteng an Desiths flacher Brust und Bauch, sodass die Brustwarzen hart und rosig hervorschimmerten. Ein Rinnsal klarer Regen floss über seinen Bauch und durch den Nabel wie ein Fluss auf einer unberührten Landschaft.
Unberührt? Wohl kaum, dachte Vynsu amüsiert.
Kopfschüttelnd setzte er den Becher an die Lippen, trank seinen Met aus und wandte sich ab.
*~*~*
Nacht. Schon wieder. Die dritte seither. Nein! Falsch. Es war die vierte Nacht. Oder doch die fünfte?
Desiths Vorsatz, bei klarem Verstand zu bleiben, schwand mit zunehmendem Hunger und Durst.
Sein Nacken tat davon weh, dass er immer wieder verzweifelt den Kopf zurücklehnte und das Maul aufsperrte, um einen Schluck Regenwasser zu sammeln.
Aber noch war er nicht am Ende seiner Kräfte und ganz gleich wie oft der Großkönig vorbei schlenderte und ihm die süße Aussicht auf Erlösung bot, indem er der Ehe mit Derrick ohne Wenn und Aber zustimmte, er würde nicht einknicken.
Melecay hatte gesagt, er würde ihm nicht die Wahl lassen, auch nicht die Wahl, zu sterben. Aber er konnte ihn auch nicht zwingen, dieser Vermählung beizuwohnen. Er müsste ihm schon ein Schwert in den Rücken drücken, um ihn dazu zu bewegen. Und selbst dann würde Desith sich lieber selbst aufspießen.
Vielleicht… hätte er zugestimmt. Vielleicht, wenn es eine Aussicht darauf gäbe, dass Rick ihn noch erkennt, oder er sich hier und jetzt zurück in einen Menschen verwandeln…
Nein. Desith machte sich etwas vor. Er konnte Rick nicht heiraten, selbst wenn sein kleines, naives Herz noch immer an ihm hing.