Raus aus der Krise. Geri Schnell
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Als am Mittag Mustafa noch immer nicht zurück ist, macht er sich Sorgen. Auf jeden Fall muss er den Abend abwarten, ehe er seine Stellung aufgibt. Er hat grossen Hunger und ist durstig. Doch er kann sich damit abfinden, in solchen Situationen stellt der Körper automatisch auf Notfall um und ist bedeutend weniger anspruchsvoll.
Seine Gedanken durchwandern noch mal sein Leben, als ob das Ende nahe wäre. Seine schönste Zeit hatte er, als er mit seinen drei Freunden die eigene Firma betrieb und auch die ersten Jahre mit seiner Frau waren recht glücklich. War das nun das Ende? Wieso hängt er eigentlich noch so an seinem Leben, wenn er daran denkt, was ihn in Olten erwartet, gibt es eigentlich keinen Grund, Angst zu haben, er hat den Zenit in seinem Leben überschritten. Doch dann denkt er wieder an Rebekka, an die Frage, welche er ihr noch beantworten will und die nach diesen Erlebnissen noch schwerer zu beantworten sind.
Gegen Abend erspäht er eine Gestallt auf einem Esel. Ist es Mustafa, oder jemand der zufällig hier vorbei reitet? Max ist insofern beruhigt, dass die Person allein kommt, denn wenn es die Polizei oder die Revolutionäre wären, dann würde sicher eine ganze Horde von Leuten anmarschieren, so eine Verhaftung ist etwas, bei der man Lorbeeren ernten kann. Da kommt sicher nicht einer allein. Nachdem er den Eseltreiber einige Zeit beobachtet hat, weiss er, dass es sich um Mustafa handelt und er macht sich an den Abstieg.
Sie begrüssen sich hastig und ziehen sich wieder in die Felsnische zurück. Mustafa informiert Max über die Lage. Zurzeit putschen die religiösen Führer, sie wollen Ägypten in einen streng muslimisch geführten Staat verwandeln. Wer in diesem Machtkampf die Oberhand gewinnt, ist zur Stunde noch offen, im Moment ist es für jeden Ausländer, respektive nicht Moslem, gefährlich. Für die religiösen Führer sind die Touristen das Hauptübel für den Sittenverfall im Land.
Mustafa hat herausgefunden, dass sie etwas südlich von Girga aus dem Zug gesprungen sind. Es ist klar, dass Max Ägypten verlassen sollte, nur wie? Der Weg über Kairo ist zu gefährlich, da gibt es viele Kontrollen, ausserdem ist der Flughafen zurzeit geschlossen. Durch die Wüste nach Libyen? Über die Berge zum Roten Meer und dort versuchen ein Schiff zu finden, oder südwärts in den Sudan bis nach Karthum? Aber das sind fast fünfhundert Kilometer.
Das Rote Meer liegt rund hundertfünfzig Kilometer weit weg, man muss aber noch den Nil überqueren. Sich nach Libyen durchschlagen ist sowieso zwecklos. Erstens ist die Wüste lebensfeindlich, zweitens wird die Grenze sehr gut bewacht und drittens herrscht in Libyen Chaos.
Nach gründlichem Abwägen entscheiden sie sich, für das Rote Meer. Mustafa wird sich sofort mit seinem Esel auf den Weg machen und auf einer Fähre versuchen über den Nil zu gelangen. Er übergibt Max einige Datteln, dann verabschiedet er sich von seinem Freund. Bis zum Einbruch der Nacht zieht er sich in sein Versteck zurück.
Vorsichtig, jede Deckung ausnützend, schleicht er an das Ufer des Nils und sondiert die Lage. Es ist niemand zu sehen. Max versucht abzuschätzen, wie stark die Strömung ist und wie weit das andere Ufer entfernt liegt. Bevor er sich in das Wasser wagt, verdrückt er noch die restlichen Datteln, welche ihm Mustafa als Proviant mitgegeben hat. Dann beginnt er zu schwimmen.
Ohne Hast, Zug um Zug schwimmt er los. Die Strömung ist stark. Er muss sich nicht allzu sehr beeilen, denn es dauert lange, bis das nächste Dorf kommt. Er versucht seinen Körper so im Wasser zu halten, dass ihm die Strömung hilft, an das andere Ufer zu treiben.
Der Aufenthalt im Wasser kommt Max endlos vor, dank seinem dosierten Krafteinsatz, hat er keine Konditionsprobleme, das Wasser ist angenehm warm. Nur die Strudel sind eine echte Gefahr. Wenn er aufpasst, kann er sie rechtzeitig erkennen und es gelingt ihm auszuweichen. Endlich steht Max tropfnass am andern Ufer und versteckt sich sofort hinter einem Strauch.
Nach Mitternacht macht er sich auf den Weg zum Eingang der Schlucht. Max wählt nicht den Weg im bewachsenen Teil des Tals, sondern entfernt sich sofort vom Ufer. Der Felswand entlang schleicht er weiter, auch wenn er sich nun schlechter verstecken kann. Er hat Angst, dass er im Landwirtschaftsteil, überraschend auf Häuser treffen könnte. Wenn sich die Bauern Hunde halten, könnten diese angeben und sie verraten.
Vorsichtig schleicht er der Felswand entlang nach Süden. Er ist doch sehr weit nach Norden abgetrieben worden, so dass ein längerer Fussmarsch auf ihn wartet. Er erreicht den Treffpunkt noch vor der Morgendämmerung und ist sehr froh, als er die Stimme von Mustafa flüstern hört. Bis zur Dämmerung können sie sich noch einige Kilometer weit das Tal hinaufkämpfen und finden wieder eine Felsnische, in welcher sie den Tag verbringen wollen.
Abwechselnd wird geschlafen. Das einzige kleine Problem ist der Esel, der einfach nicht schlafen will und einen übermütigen Eindruck macht. Es gibt trotzdem keine Komplikationen, da es sich um eine total verlassene Gegend handelt. Wenn Max Wache schieben muss, mustert er die Umgebung. Für einen Europäer ist die Wüste etwas faszinierendes, diese scheinbare Leblosigkeit, entpuppt sich, bei näherem Hinsehen, als ein wahres Paradies für Lebewesen. welche sich dieser extremen Landschaft ideal angepasst haben.
Gegen Abend ziehen sie schon früh los. In dieser verlassenen Gegend ist das Risiko, dass sie von jemandem entdeckt werden gering. Es wird ein strapaziöser Marsch und Max ist froh, dass sie einen Esel bei sich haben, welcher ihnen wenigstens die Lasten schleppt. Wenn es leicht bergab geht, kann einer reiten, doch das Hinterteil von Max schmerzt ihn so, dass er bald freiwillig darauf verzichtet.
Im Morgengrauen haben sie erhebliche Probleme, ein geeignetes Versteck für den Tag zu finden. Die Gegend ist sehr flach und sie müssen noch weit in den Tag hinein marschieren, bis sie sich in einer Bodensenke wenigstens teilweise unsichtbar machen können.
Das Rote Meer erreichen sie in der vierten Nacht. Weit und breit ist keine Siedlung auszumachen, sie wenden sich nach Süden. Nach weiteren zwei Stunden Marsch taucht hinter einem Felsen eine Stadt auf. Sie ruhen sich nochmals aus, dann will Mustafa sich in der Stadt umsehen und frische Lebensmittel kaufen. Max wartet gespannt auf seine Rückkehr. Ist der Spuk bereits vorbei? So ein Putsch dauert manchmal nur ein paar Stunden, und meistens, nach zwei bis drei Tagen, ist wieder alles ruhig.
«Wir sind in der Nähe der Stadt Marsa Alam», berichtet Mustafa, als er nach mehreren Stunden von seiner Erkundungsreise zurückkehrt.
«Am Besten verstecken wir uns in einem verlassenen Hotel», schlägt Mustafa vor, «die sind alle verwüstet. Einrichtungen die mit dem Tourismus zu tun haben, wurden alle zerstört.»
Max findet die Idee gut, die Hotels sind nicht mehr interessant. Alles ist zerstört, aber es rechnet niemanden damit, dass sich jemand dort verstecken könnte. Alle Touristen sind vertrieben und zum Plündern gibt es auch nichts mehr, das ist bereits am ersten Tag der Revolution geschehen.
Als es dunkel wird, lassen sie den Esel an seinem Pflock angebunden und machen sich auf den Weg zu den Hotels. Man hat sich auf ein zweistöckiges Hotel geeinigt und bezieht im ersten Stock Quartier. Das Hotel hat zwei Treppenhäuser und einen übersichtlichen Vorplatz, so dass man nicht so leicht überrascht werden kann.
Mustafa schafft mit dem Esel die Lebensmittelvorräte zum Hotel. Max richtet sich in der Zwischenzeit ein. Als Mustafa zurückkehrt, hat Max schon die Boote inspiziert, mit welchen die Touristen das Korallenriff besichtigen. Eines scheint noch einen dichten Schiffsrumpf zu haben, allerdings ist die Glasplatte im Bootsboden eingeschlagen. Nach langer Suche findet er eine neue Glasplatte in einem kleinen Lager und er versucht, die Platte auszuwechseln. Noch bevor Mustafa zurückkommt, ist Max klar, dass er noch heute Nacht in See stechen will. Er ist mit