Raus aus der Krise. Geri Schnell
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Читать онлайн книгу Raus aus der Krise - Geri Schnell страница 9
Mit Mustafa hat er eine Woche lang alle Tempel und Ruinen der Umgebung besucht. Mit zwei alten Fahrrädern gelangen sie überall hin, auch wenn es manchmal recht anstrengend ist und oft geschoben werden muss. Besonders die Fahrt nach Abu Simbel war eine harte Angelegenheit, obwohl sie einen grossen Teil der Fahrt auf dem Schiff zurücklegten. Von den Ruinen war Max enttäuscht, irgendwie wollte die Faszination, welche von anderen Orten ausging, dort nicht aufflammen. Vermutlich ist die moderne Technik doch noch zu gegenwärtig. Es fällt ihm auf, dass praktisch keine Touristen Abu Simbel besuchen.
Allmählich erkennt Max, dass die Ägyptenreise sehr interessant verläuft, aber die wesentlichen Fragen nicht beantwortet werden. Mit jeder möglichen Antwort sind neue Fragen verbunden. Er hat genug vom oberen Niltal gesehen und will zurück nach Kairo.
Er besorgt zwei Tickets. Diesmal bucht er die Fahrt nach Kairo, in der zweiten Klasse. Für Mustafa ist das die reinste Verschwendung. Am Anfang der Fahrt fühlen sie sich wie Könige und geniessen es, sich vom Kellner bedienen zu lassen. Herrscht in der dritten Klasse ein unglaubliches Gedränge, so ist es hier die Einsamkeit, welche einem bedrückt.
Erstaunt stellen sie fest, dass kein einziger Europäer im Zug reist. Er wundert sich darüber, denkt sich aber nichts dabei und geniesst die reichliche und qualitativ gute Mahlzeit, welche serviert wird. Danach legen sie sich ins gemachte Bett und schlafen schnell ein.
Max hat noch nicht tief geschlafen, als er plötzlich geweckt wird. Der Zug wird mit einer Vollbremsung gestoppt. Der Schaffner gestikuliert in Panik wie wild vor Max herum. Max realisiert, dass etwas nicht stimmt. Mustafa klärt ihn kurz auf.
«Der Zug wird von religiösen Fanatikern gestoppt. Der Schaffner befürchtet, dass sie es auf die Touristen abgesehen haben. Schnell ziehe deine arabische Kleidung an, wir müssen versuchen zu flüchten!»
Während sich Max schnell umzieht und seine Habseligkeiten im Rucksack verstaut, richtet der Schaffner das Abteil so her, dass man nicht mehr erkennen kann, dass es belegt war. Die Seite im Gästebuch reisst er heraus und wirft sie aus dem Fenster, dann führt er Max und Mustafa in die Küche, wo sich Max im Kasten für den Abfall verstecken muss. Mustafa wird schnell in einen Küchenburschen verwandelt.
Max kauert im Abfallschrank und wagt kaum zu atmen, was auch fast nicht möglich ist, bei dem Gestank, welcher hier herrscht. Max spürt, wie mehrere Leute den Wagen besteigen und einen kriegerischen Lärm verbreiten. Ein lautes Wortgefecht mit dem Schaffner und dem Koch ist zu hören. Jetzt betreten sie offensichtlich die Küche, die Rebellen durchsuchen die Vorräte und sind zufrieden, als sie keinerlei Alkohol und auch kein Schweinefleisch finden. Das Palaver scheint endlos zu dauern und Max erstickt beinahe in seinem Gefängnis. Auch das Verhör von Mustafa verläuft für die ungebetenen Gäste zufrieden stellend. Er kennt sich bestens aus, sowohl über den Koran und die moslemischen Gesetze und nach einer endlosen Zeit, hat die Überprüfung der Küche ein Ende gefunden. Max muss immer noch in seinem Versteck ausharren, aber wenigstens kann Mustafa die Tür einen Spalt öffnen, so dass Max etwas frische Luft bekommt. Noch immer herrscht um den Zug herum grosse Aufregung, ab und zu wird sogar geschossen, es sind aber nur Schüsse, welche in die Luft abgegeben werden. Trotzdem, die Lage bleibt angespannt. Wie sich herausstellt, ist Max der einzige Europäer im Zug, die Reisebüros haben mit solchen Aktionen gerechnet und ihre Gäste schon letzte Woche schnellstens ausgeflogen. Max hat bei seiner Gastfamilie nichts davon mitbekommen. Immer wieder fragt er sich, wie geht es hier weiter? Zu was sind Fanatiker fähig, welche ausser Kontrolle geraten sind? Wenn die merken, wie befriedigend es ist, Macht auszuüben! Wenn man sich mit einem Gewehr in der Hand, stark fühlen kann und erst noch die Überzeugung hat, in den Augen Allahs das Richtige zu tun. Auf alle Fälle ist die Situation, in der sich Max befindet, höchst gefährlich, auch für seinen Freund.
Max hat zurzeit wirklich kein Glück, die Scheidung, arbeitslos und nun ging es ihm endlich besser und jetzt so etwas. Langsam fährt der Zug weiter. Mustafa späht aus dem Zug und beobachtet unauffällig den Gang, in welchem anscheinend immer noch die Zugsbesetzer patrouillieren.
Plötzlich, nach unendlich langer Zeit, flüstert Mustafa: «Komm!», blitzschnell verlässt Max sein Versteck, hastet das kurze Stück durch den Gang zur Tür und springt vom langsam fahrenden Zug, in die Finsternis und landet, für ihn völlig überraschend im Wasser. Er getraut sich fast nicht aufzutauchen, doch langsam geht ihm die Luft aus. Vorsichtig schaut er sich um, er ist offensichtlich im Nil gelandet und der Zug fährt, ohne seine Fahrt zu verlangsamen weiter. Ihre Flucht ist von niemandem bemerkt worden.
In langen Zügen schwimmt er dem Ufer entlang, bis er eine Stelle findet, an der er an Land robben kann. Er hört Mustafa neben sich flüstern, «Geht’s dir gut?»
«Ja und dir?»
Mustafa hat den Sprung ebenfalls unverletzt überstanden. Nun kann ihn Mustafa aufklären. Die Fundamentalisten haben zum Sturz der Regierung aufgerufen. Die Lage ist noch total verworren, niemand weiss, auf welcher Seite das Militär steht, aber das kümmert die Fanatiker nicht, auch wenn es Tote gibt, für eine gerechte Sache lohnt es sich zu sterben.
Max merkt, dass es Mustafa im Prinzip mit den Putschisten hält, doch nun ist er unerwartet auf die falsche Seite geraten, denn einen Freund lässt man nicht aus einer politischen Überzeugung hängen. Max ist erleichtert, dass er endlich weiss, was los ist. Er muss sich so arabisch wie nur irgendwie möglich präsentieren. Das Äussere ist eigentlich kein Problem, sein von der Sonne gebräuntes Gesicht und seine hagere Gestalt machen ihn nicht verdächtig. Schwieriger wird das Sprachproblem sein, auch die Ausweise, welche in solchen Situationen, doch sehr oft gezeigt werden müssen, könnten ihn verraten.
Da auch Mustafa keine Ahnung hat, wo sie sich genau befinden, schleichen sie dem Ufer entlang auf der Suche nach einem Versteck. Wo sind sie sicherer? In der Wüste, oder sollen sie versuchen, in einer Ortschaft in der Menge unterzutauchen?
Bis zum Morgengrauen halten sie ein abgelegenes Versteck für besser, nachts fällt man auch in einer grösseren Ortschaft auf, also verlassen sie das Nilufer und schleichen auf eine Hügelkette zu, welche bereits in der Wüste liegt.
In einer Felsnische setzen sie sich und versuchen abwechslungsweise zu schlafen, was allerdings nicht gelingt. Am Morgen will Mustafa an das Nilufer zurückkehren, um sich besser zu informieren.
Als Mustafa aufbricht, verabschieden sie sich, als ob es für immer wäre. Max gibt ihm ein Teil seines ägyptischen Geldes, damit er Verpflegung kaufen kann. Für den Fall, dass sie durch die Wüste flüchten müssen, soll er versuchen, einen Esel zu beschaffen. Aus seinem Versteck späht Max Mustafa lange nach, bis er hinter einem Felsvorsprung verschwindet. Wird Mustafa wiederkommen? oder rettet er seine eigene Haut und verschwindet mit dem Geld? Max will auf der Hut sein. Er verändert seinen Standort so, dass ihn Mustafa, falls er ihn verraten würde, nicht so leicht findet. Ausserdem will er einen besseren Rundblick, damit er bei Gefahr Zeit zum Reagieren hat. Er klettert deshalb eine steile Wand hinauf. Der Fels ist recht griffig, so dass er leicht vorankommt. Bald ist er mit seinem Standort zufrieden, hoch auf dem Felsen, hat er eine gute Übersicht auf das vor ihm liegende Niltal, er kann sich notfalls in einer Felsspalte so gut verstecken,