Der große Reformbetrug. Udo Schenck

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Der große Reformbetrug - Udo Schenck

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angeblich nicht meinen Mitwirkungspflichten nachgekommen wäre. Erfahrungen, die ebenso regelmäßig von anderen und bundesweit gemacht werden. Z. B. schätzungsweise etwa jede zweite bis dritte Krankschreibung, die nicht direkt am Schalter gegen eine Eingangsbestätigung abgegeben wird, verschwindet irgendwo im Universum, was ebenso von Ärzten bestätigt wird, die dann wiederholt eine Bescheinigung ausstellen müssen. Aufgrund meiner Erfahrungen war ich später jedoch immer auf solche Fälle vorbereitet und hatte entsprechende Nachweise in der Hinterhand, so auch im zuletzt geschilderten Fall. Ich hatte noch weitere Kopien von meinen Bewerbungen und ging damit noch einmal zum Jobcenter. Zu meinem großen Glück wurde ich zu dem Sachbearbeiter, der meinen Antrag auf Bewerbungskostenerstattung ablehnte vorgelassen, nachdem ich dem zugänglichen Empfangsmitarbeiter die Sachlage schilderte. Diese Praxis ist aber völlig unüblich und dürfte, wenn überhaupt, nur noch sehr selten vorkommen. Entsprechend verdattert war der Sachbearbeiter, ein junger Mann, als ich zu ihm hinein trat und ihn zur Rede stellte. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich auch eine Anzeige wegen Unterschlagung in Erwägung ziehen würde, was offenbar Eindruck machte, händigte ihm die Kopien aus und verlangte eine schriftliche Bestätigung für den Erhalt der Bewerbungen, wobei sich herausstellte, dass der junge Mann erhebliche Probleme im Umgang mit seinem Computer hatte und mich hinaus bitten wollte um unbeobachtet die Bestätigung schreiben zu können. Zunächst wollte mir der junge Mann nur eine handgeschriebene Bestätigung geben, was ich jedoch aus verständlichen Gründen ablehnte. Einige Tage später hatte ich den entsprechenden Bewilligungsbescheid im Briefkasten. Anzumerken ist an dieser Stelle allerdings, dass solche Unterschlagungen i. d. R. nur sehr schwer wenn überhaupt nachzuweisen sind, wodurch sie wohl auch umso häufiger auftreten.

      So weit so gut und doch so schlecht, wenn man sich vergegenwärtigt mit welch einem nervenaufreibenden Aufwand man hier permanent um jeden Zentimeter Boden, um sein Recht kämpfen muss. Zu manchen Zeiten, und für manche sog. Kunden gar über längere Zeiträume hinweg, gerät das häufig zu einem Vollzeitjob, sich nur mit der Verwaltung des Jobcenters, mit einer vielköpfigen Hydra herum schlagen zu müssen, abgesehen von den Sorgengetriebenen und schlaflosen Nächten, die einen mürbe machen. Viele Menschen sind nicht so wehrhaft, nicht so kundig, wissen sich oft nicht zu helfen oder merken sehr häufig nicht einmal, dass ihnen Rechte vorenthalten werden, was bei der absichtlich kompliziert gehaltenen Amtssprache in Anträgen und Bescheiden nicht verwunderlich ist, oder aber sie lassen sich einschüchtern und wagen es nicht ihre Rechte wahrzunehmen. Und dann sind da noch die, die man so mürbe gemacht hat, denen der letzte Rest an Mut und Lebensfreude abhanden gekommen ist, weshalb sie sich kraftlos geworden nur noch treiben lassen können. Insofern muss durchaus von einer sehr hohen Dunkelziffer unrichtiger und z. T. regelrecht absurder Bescheide und Entscheidungen der Jobcenter zulasten der zu betreuenden ausgegangen werden (s. u.).

      Im Folgenden sollen in Kürze noch einige weitere Beispiele die fragwürdige Praxis der Jobcenter illustrieren. Am 19.12.2006 unterzeichnete ich einen Arbeitsvertrag. Am 21.12.06, dem nächstmöglichen Termin, meldete ich mich vom Jobcenter ab bzw. hinterließ dort eine Kopie meines Arbeitsvertrages und eine ausgefüllte Veränderungsmitteilung. Damit hatte ich nun wirklich alles Menschenmögliche getan, meiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Von sämtlichen Dokumenten hatte ich Kopien und Belege ihres Eingangs. Mit Schreiben vom 18.01.2007 forderte das Jobcenter zu meiner Verwunderung erneut eine Kopie meines Arbeitsvertrages an, die ich umgehend mit dem Hinweis zusandte, bereits am 21.12.06 eine Kopie von meinem Arbeitsvertrag im Jobcenter abgegeben zu haben. Nur wenig später, mit Schreiben vom 26.01.07 erhielt ich ein Schreiben vom Jobcenter worin bemerkt wurde, ich hätte in meiner Beschäftigung ALG II bezogen, das überzahlt worden wäre, weil ich seit meiner Arbeitsaufnahme nicht mehr bedürftig war. Dies gipfelte in folgendem Satz: „Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie in grob fahrlässiger Weise die Überzahlung verursacht, da Sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in Ihren Verhältnissen verspätet angezeigt haben.“ Bis dahin hatte ich noch nicht bemerken können, dass das ALG II weiter gezahlt wurde, da mir die entsprechenden Kontoauszüge noch nicht vorlagen. Ferner wurde zudem grotesker Weise ein Überzahlungszeitraum in der Zukunft, im Februar moniert, obwohl das Jobcenter inzwischen über die Überzahlung im Bilde war. Ich wurde aufgefordert umgehend über ein sonderbares sog. Anhörungsformular, das mir bedauerlicherweise nicht mehr vorliegt, Stellung zu nehmen, dessen eigenartige und z. T. wahrhaftig geistlose Fragen ich kaum beantworten konnte und wollte. Ansonsten verwies ich mit beigefügten Kopien auf meine o. g. Eingangsbestätigungen, womit dieses furchtbare Theater endlich sein Ende fand.

      Das war jedoch längst nicht der letzte Fall dieser Art, den ich erleben musste. Das Ganze ist schon ärgerlich genug. Schlimm ist aber vor allem, dass auch solche leider alltäglichen Fälle gern als Leistungsmissbrauch mitgezählt und in der Öffentlichkeit angeprangert werden. Womöglich sollen sogar so erst „Leistungsmissbräuche“ kreiert bzw. fingiert werden.

      Ein anderer späterer Fall. Wieder standen eine Beschäftigung und eine Abmeldung aus dem Leistungsbezug an. Nach entsprechend langem Anstehen bei der Anmeldung im Jobcenter wurde mir am Schalter gesagt, ich müsse jede einzelne Seite meines Arbeitsvertrages als Kopie abgeben, die Kopien, die ich davon gemacht habe würden nicht ausreichen (obwohl sie in dieser Form bis dahin ausreichten), die müsse ich dann noch nachreichen. Die Kopien, die ich zunächst vorweisen konnte, gaben Auskunft über Beginn, Ende und Art der Beschäftigung, alle erforderlichen Informationen die das Jobcenter zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigte. Die übrigen Seiten des Arbeitsvertrages behandelten lediglich betriebsinterne und arbeitsrechtliche Angelegenheiten, die völlig irrelevant waren, zumal es sich um eine vom Jobcenter selbst eingeleitete Arbeitsgelegenheit handelte. Auf meine Frage weshalb das Jobcenter nicht einfach die restlichen Kopien machen könne antworte man mir schlicht, das Jobcenter würde für diese Zwecke keine Kopien mehr machen. So wurde ich genötigt mich mit den angeforderten Kopien einen Tag später noch einmal anzustellen um eine Eingangsbestätigung für diese zu erhalten, was ich der unwillig und selbstgefällig erscheinenden Sachbearbeiterin am Schalter, die bemerkte: „Hier geht nie etwas verloren“, erst noch lang und breit auseinandersetzen musste.

      Ein Jahr später, nach dem Ende dieser befristeten Beschäftigung, reihte ich mich wieder in die Warteschlange beim Jobcenter ein um das Ende der Beschäftigung mit den entsprechenden Kopien bekannt zu geben und ALG II zu beantragen. Auf meine vorsorgliche Frage, ob das Jobcenter noch einmal eine vollständige Kopie von meinem Arbeitsvertrag haben möchte, die ich nun komplett dabei hatte, antwortete der Sachbearbeiter am Schalter mit Blick in seinen PC das wäre bereits alles vorhanden und damit nicht mehr notwendig. Eigentlich durfte auch ich davon ausgehen, dass diese Unterlagen, um die es ja den o. g. Wirbel gab, im Jobcenter vorhanden sein müssen; aber man kann ja bei dieser schrägen Institution nie genau wissen woran man mit ihr ist, sagte ich mir nach allen Erfahrungen. Auf der anderen Seite erschien mir mein Verhalten doch etwas übervorsichtig und musste selbst ein wenig darüber schmunzeln. Unter „normalen“ Bedingungen wäre dieses Verhalten vielleicht tatsächlich ein wenig zu belächeln, aber nur wenige Tage später wusste ich wie sehr Misstrauen gegenüber dem Jobcenter gerechtfertigt ist. Unfassbar aber leider wahr erhielt ich vom Jobcenter eine „Aufforderung zur Mitwirkung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts“ worin wiederum Kopien meines Arbeitsvertrages angefordert wurden, die spätestens in zwei Wochen an einer bestimmten Stelle eingereicht werden sollten. Und weiter: „Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 69, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie keine Leistungen erhalten.“

      Sollte Sie solch eine Aufforderung zur „Mitwirkung“ aus irgendeinem Grunde nicht oder zu spät erreichen, sei es wegen eines Urlaubes außerhalb des Wohnortes, sofern Sie noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sei es wegen eines Bewerbungsgespräches andernorts oder wegen eines Krankenhausaufenthaltes o. ä. können die Folgen verheerend sein. U. a. besteht dann keine Krankenversicherung, erhalten Sie kein ALG usw.

      Was ist das, grenzenlose Schlamperei oder Schikane? Würde ein Betrieb in der freien Wirtschaft so „arbeiten“, würde er wirklich so viele „Fehler“ machen und Missgeschicke verursachen,

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