Winnetou Band 1. Karl May
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denken, reden und handeln. Aber wer hat denn gesagt, daß Ihr einem Mustang die Freiheit rauben sollt?
Ihr habt Euch im Werfen des Lasso geübt und sollt nur die Probe machen. Ich will sehen, ob Ihr Euer
Examen besteht. Verstanden?«
»Das ist etwas Anderes; ja, da mache ich mit.«
»Schön! Bei mir handelt es sich freilich um den Ernst. Ich brauche ein Pferd und werde mir eins holen.
Ich habe es Euch schon oft gesagt und sage es Euch jetzt wieder: Sitzt ja recht fest im Sattel, und stemmt
Euer Pferd gut ein in dem Augenblicke, an welchem sich der Lasso straff zieht und der Ruck erfolgt.
Wenn Ihr das nicht tut, werdet Ihr umgerissen, und der Mustang rennt davon und zieht Euer Pferd am
Lasso mit sich fort. Dann habt Ihr kein Pferd mehr und seid ein gemeiner Infanterist, so wie ich jetzt einer
bin.«
Er wollte weiter sprechen, hielt aber inne und deutete mit der Hand nach den bereits erwähnten beiden
Bergen am Nordende der Prairie. Dort erschien ein Pferd, ein einzelnes, lediges Pferd. Es lief langsam
und ohne zu grasen vorwärts, warf den Kopf bald auf diese, bald auf jene Seite und sog die Luft durch die
Nüstern ein.
»Seht Ihr es?« flüsterte Sam. Er sprach vor Erregung nicht laut, sondern leise, obwohl das Pferd uns
unmöglich hätte hören können. »Habe ich es nicht gesagt, daß sie kommen! Das ist der Späher, welcher
vorausgesprungen ist, um zu sehen, ob die Gegend sicher ist. Ein schlauer Hengst. Wie er nach allen
Richtungen äugt und windet! Uns bekommt er nicht weg, denn wir haben den Wind im Gesicht; ich habe
deshalb diese Stelle gewählt.«
Jetzt schlug der Mustang einen Trab ein; er rannte geradeaus, dann nach rechts, hierauf nach links, warf
sich schließlich herum und verschwand da, wo wir ihn hatten erscheinen sehen.
»Habt Ihr ihn beobachtet?« fragte Sam. »Wie klug er sich benimmt und jeden Busch zur Deckung benutzt
hat, um nicht gesehen zu werden! Ein indianischer Späher kann es kaum besser machen.«
[Illustration Nr. 5: Ein Mustang]
»Das ist richtig. Ich bin ganz erstaunt darüber.«
»Nun ist er zurück, um seinem vierbeinigen Generale zu melden, daß die Luft rein ist. Sollen sich aber
getäuscht haben, hihihihi! Ich wette, in höchstens zehn Minuten sind sie da; paßt einmal auf. Wißt Ihr,
wie wir es machen?«
»Nun?«
»Ihr reitet jetzt schnell bis an den Ausgang der Prairie zurück und wartet dort. Ich aber reite bis in die
Nähe des Einganges hinunter und verstecke mich dort im Walde. Kommt die Herde, so lasse ich sie
vorüber und jage dann hinter ihr her. Sie wird zu Euch hinauf fliehen; dann laßt Ihr Euch sehen, und da
flieht sie wieder zurück. So treiben wir sie zwischen uns hin und her, bis wir uns die zwei besten Pferde
ausgewählt haben; die fangen wir; ich lese mir da wieder das beste aus, und das andere lassen wir laufen.
Seid Ihr einverstanden?«
»Wie könnt Ihr so fragen! Ich verstehe ja gar nichts von der Pferdejagd, in welcher Ihr jedenfalls ein
Meister seid, und habe mich also ganz nach Euren Anordnungen zu verhalten.«
»Well, habt recht. Habe schon manchen wilden Mustang unter mir gehabt und ihn bezwungen und kann
wohl behaupten, daß Ihr mit dem "Meister" nichts Dummes gesagt habt. Also, macht Euch davon, sonst
vergeht die Zeit und wir sind dann nicht an Ort und Stelle.«
Wir stiegen wieder auf und ritten auseinander, er nordwärts und ich nach Süden, bis dahin, wo wir die
Prairie betreten hatten. Da mir mein schwerer Bärentöter bei dem, was wir vorhatten, hinderlich war,
hätte ich mich gern einstweilen seiner entledigt; aber ich hatte gelesen und gehört, daß ein vorsichtiger
Westmann sich nur dann von seinem Gewehre trennt, wenn er ganz sicher weiß, daß er nichts zu
befürchten hat und es also nicht brauchen wird. Dies war aber hier nicht der Fall; es konnte in jedem
Augenblick ein Indianer oder gar ein Raubtier erscheinen; darum sorgte ich nur dafür, daß das "alte Gun"
fest am Riemen hing und mich nicht schlagen konnte.
Nun wartete ich mit Spannung auf das Erscheinen der Pferde. Ich hielt zwischen den ersten Bäumen des
Waldes, an den die Prairie stieß, band das eine Ende des Lasso am Sattelknopfe fest und legte ihn dann in
Schlingen so vor mich hin, daß ich ihn nur zu erfassen brauchte.
Das untere Ende der Prairie war so weit von mir entfernt, daß ich die Mustangs, wenn sie dort erschienen,
nicht sehen konnte. Sie konnten mir erst dann, wenn Sam sie getrieben brachte, sichtbar werden. Ich war
noch keine Viertelstunde am Platze, als ich da unten eine Menge von dunklen Punkten sah, welche sich
schnell vergrößerten, indem sie sich aufwärts bewegten. Erst von der Größe von Sperlingen, schienen sie
hierauf Katzen, Hunde, Kälber zu sein, bis sie sich so weit genähert hatten, daß ich sie in ihrer wirklichen
Größe sah. Es waren die Mustangs, welche im wilden Jagen auf mich zugesprengt kamen.
Welch einen Anblick boten diese herrlichen Tiere! Die Mähnen wehten um die Hälse, und die Schwänze
flogen wie Federbüsche im Winde. Es waren höchstens dreihundert Stück, und doch schien die Erde unter
ihren Hufen zu zittern. Ein Schimmelhengst flog allen voran, ein prächtiges Tier, welches man sich hätte
fangen mögen, aber es wird keinem Prairiejäger einfallen, einen Schimmel zu reiten. So ein helles Tier
würde ihn jedem Feinde schon von weitem verraten.
Jetzt war es Zeit, mich ihnen zu zeigen. Ich lenkte unter den Bäumen heraus ins Freie, und die Wirkung
trat augenblicklich ein: der führende Schimmel prallte zurück, als ob er eine Kugel in den