Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May Winnetou

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Maultier bändigen zu können. Ich ließ es zunächst weiterlaufen und galoppierte mit den beiden Pferden

       hinterdrein, zog aber den Riemen nach und nach kräftiger an, so daß die Schlinge sich immer mehr

       verengte. Dabei konnte ich das Tier ganz leidlich lenken; ich brachte es durch scheinbares Nachgeben

       soweit, daß es in einem Bogen dahin zurückkehrte, wo Sam Hawkens stand. Dort zog ich die Schlinge

       plötzlich so stark an, daß dem Maultiere der Hals zugeschnürt wurde; es verlor den Atem und stürzte zu

       Boden.

       »Haltet fest, bis ich den Racker festhabe, und laßt dann los!« rief Sam.

       Er sprang hinzu und stellte sich, obgleich das auf dem Boden liegende Tier mit den Beinen um sich

       schlug, hart neben dasselbe.

       »Jetzt!« sagte er.

       Ich ließ den Lasso los; das Maultier bekam Luft und sprang auf; ebenso schnell hatte sich Sam auf seinen

       Rücken geschwungen. Es blieb einige Augenblicke bewegungslos stehen, wie vor Schreck erstarrt; dann

       aber ging es in die Luft, bald vorn, bald hinten; dann sprang es plötzlich mit allen Vieren auf die Seite,

       machte einen Katzenbuckel, aber der kleine Sam saß fest.

       »Bringt mich nicht herunter!« rief er mir zu. »Jetzt wird es das Letzte versuchen und mit mir davonrasen.

       Wartet hier auf mich; ich bring es gezähmt zurück!«

       Aber da hatte er sich geirrt. Es ging keineswegs mit ihm durch, sondern es warf sich plötzlich nieder und

       wälzte sich. Es konnte dem kleinen Kerl alle Rippen brechen; er mußte aus dem Sattel. Ich sprang aus

       dem Sattel, ergriff den am Boden schleifenden Lasso wieder und schlang ihn schnell zweimal um die

       starke Wurzel eines daneben stehenden Busches.

       Da hatte das Maultier seinen Reiter abgestreift und sprang auf. Es wollte fortstürmen, aber die Wurzel

       hielt fest; der Lasso wurde angespannt und die Schlinge zog sich wieder scharf zusammen; das Tier

       stürzte abermals nieder.

       Sam Hawkens hatte sich auf die Seite retiriert, betastete sich die Rippen und die Schenkel, zog ein

       Gesicht, als ob er Sauerkraut mit Pflaumenmus gegessen hätte, und sagte:

       »Laßt die Bestie laufen; die bändigt kein Mensch, wenn ich mich nicht irre.«

       »Das wäre! Möchte mich von keinem Maultiere beschämen lassen, dessen Vater kein Gentleman, sondern

       ein Esel gewesen ist. Es wird gehorchen müssen. Paßt auf!«

       Ich schlang den Lasso von der Wurzel ab und stellte mich mit weit ausgespreizten Beinen über das Tier.

       Sobald es Luft bekam, sprang es auf. Jetzt kam es vor allen Dingen auf den kräftigsten Schenkeldruck an,

       und da war ich dem kleinen Sam wohl über. Eine Pferderippe muß sich unter dem Schenkel des Reiters

       biegen; das drückt die Eingeweide zusammen und macht Todesangst. Während das Maultier dieselben

       Mittel, mich abzuwerfen, wie vorher bei Sam versuchte, nahm ich den Lasso auf, welcher, vom Halse

       herabhängend, auf der Erde lag, wand ihn zusammen und faßte ihn dann hart hinter der Schlinge fest.

       Diese zog ich an, sobald ich bemerkte, daß sich das Tier niederwerfen wollte; durch diese Manipulation

       und den Schenkeldruck wurde es auf den Beinen gehalten. Es war ein böser Kampf, ich möchte sagen,

       Kraft gegen Kraft; ich begann aus allen Poren zu schwitzen; aber das Maultier schwitzte noch weit mehr;

       der Schweiß rann ihm vom Leibe, und vom Maule troff der Schaum in großen Flocken. Seine

       Bewegungen wurden schwächer und mehr unwillkürlich; sein erst wütendes Schnauben ging in ein kurzes

       Husten über, dann endlich brach es unter mir zusammen, nicht mit Willen, sondern weil es von seiner

       letzten Kraft verlassen worden war. Da blieb es bewegungslos und mit verdrehten Augen liegen. Ich holte

       tief, tief Atem; es war mir, als ob in meinem Körper alle Sehnen und Bänder zerrissen wären.

       »Heavens, was seid Ihr für ein Mensch!« rief Sam.

       »Ihr habt ja mehr Kräfte als das Tier gehabt! Könntet Ihr Euer Gesicht sehen, so würdet Ihr erschrecken!«

       »Glaube es.«

       »Eure Augen sind herausgetreten, Eure Lippen geschwollen und Eure Wangen förmlich blau!«

       »Das kommt daher, daß man ein Greenhorn ist und sich nicht abwerfen lassen will, während ein Anderer,

       der Meister in der Mustangjagd ist, klüger war und sich abstreifen ließ, nachdem es ihm vorher gar

       passierte, daß er sein eigenes Pferd ans Maultier hing und beide dann spazierenlaufen ließ.«

       Er machte ein doppelt jämmerliches Gesicht und bat im kläglichsten Tone:

       »Schweigt davon, Sir! Ich sage Euch, es kann dem tüchtigsten Jäger einmal so etwas passieren. Ihr habt

       gestern und heut zwei gute Tage gehabt.«

       »Hoffe, noch mehr solche Tage zu erleben. Dafür waren sie für Euch um so schlimmer. Wie steht es denn

       mit Euren Rippen und den andern Knöchelchens?«

       »Weiß nicht. Werde sie nachher einmal zusammensuchen und zählen, sobald mir besser ist. Jetzt klappern

       sie mir allüberall im Leib herum. Das war eine Bestie, wie ich noch keine zwischen den Beinen gehabt

       habe! Hoffe, daß sie nun zu Verstand kommen wird!«

       »Das ist sie schon. Seht, wie matt sie daliegt, grad wie zum Erbarmen. Wollen ihr den Sattel auf- und den

       Zaum anlegen. Ihr reitet sie nach Hause.«

       »Da wird sie wieder zu bocken anfangen!«

       »Fällt ihr nicht ein! Die hat genug. Sie ist ein gescheites Viehzeug, und Ihr werdet ganz glücklich sein, sie

       gefangen zu haben.«

       »Ja, das glaube ich. Hatte es aber auch von allem Anfang gleich auf sie abgesehen. Ihr auf den Schimmel,

       was eine sehr große Dummheit war.«

       »Wißt Ihr das so genau?«

       »Natürlich war es eine Dummheit!«

       »Das

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