Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May Winnetou

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Ihr Lust, eine Probe zu zeigen?«

       »Gern.«

       »So kommt! Es ist erst sieben Uhr, und Ihr habt noch eine Stunde Zeit. Wir gehen zu Jim Korner, dem

       Pferdehändler; der hat einen Rotschimmel, der es Euch schon besorgen wird.«

       Wir kehrten in die Stadt zurück und suchten den Pferdehändler auf, bei dem es einen weiten Reithof gab,

       welcher rings von Stallungen umgeben war. Korner kam selbst herbei und fragte nach unserm Begehr.

       »Dieser junge Sir behauptet, daß ihn kein Pferd aus dem Sattel bringe,« antwortete Henry. »Was meint

       Ihr dazu, Mr. Korner? Wollt Ihr ihn einmal auf Euern Rotschimmel klettern lassen?«

       Der Händler maß mich mit prüfendem Blicke, nickte dann befriedigt vor sich hin und antwortete:

       »Das Knochengestell scheint gut und elastisch zu sein; übrigens brechen junge Menschen den Hals nicht

       so leicht wie ältere Leute. Wenn der Gentleman den Schimmel versuchen will, so habe ich nichts

       dagegen.«

       Er gab den betreffenden Befehl, und nach einiger Zeit brachten zwei Knechte das gesattelte Pferd aus

       dem Stall geführt. Es war höchst unruhig und strebte, sich loszureißen. Meinem alten Mr. Henry wurde

       Angst um mich; er bat mich, von dem Versuche abzustehen; aber erstens war mir gar nicht bange, und

       zweitens betrachtete ich die Angelegenheit nun als Ehrensache. Ich ließ mir eine Peitsche geben und

       Sporen anschnallen; dann schwang ich mich, allerdings nach einigen vergeblichen Versuchen, gegen

       welche das Pferd sich wehrte, in den Sattel. Kaum saß ich oben, so sprangen die Knechte eilends fort, und

       der Schimmel tat einen Satz mit allen Vieren in die Luft und einen zweiten zur Seite. Ich behielt den

       Sattel, obgleich ich noch nicht in den Bügeln war, beeilte mich aber, hineinzukommen. Kaum war dies

       geschehen, so begann der Gaul, zu bocken; als dies nichts fruchtete, ging er zur Wand, um mich an

       derselben abzustreifen; die Peitsche aber brachte ihn rasch von derselben fort. Hierauf gab es einen bösen,

       beinahe für mich gefährlichen Kampf zwischen Reiter und Pferd. Ich bot alles auf, das wenige Geschick

       und die unzureichende Uebung, welche ich damals nur besaß, und die Kraft der Schenkel, die mich

       schließlich doch zum Sieger machte. Als ich abstieg, zitterten mir die Beine vor Anstrengung; aber das

       Pferd triefte vor Schweiß und schäumte große, schwere Flocken; es gehorchte nun jedem Drucke und

       Rucke.

       Dem Händler war Angst um sein Pferd geworden; er ließ es in Decken wickeln und langsam hin und her

       führen; dann wendete er sich an mich:

       [Illustration Nr. 2: Ein Rotschimmel wird zugeritten]

       »Das hätte ich nicht gedacht, junger Mann; ich glaubte, Ihr würdet schon beim ersten Sprunge unten

       liegen. Ihr habt natürlich nichts zu bezahlen, und wenn Ihr mir einen Gefallen tun wollt, so kommt wieder

       und bringt mir die Bestie vollends zu Verstand. Es soll mir auf zehn Dollars nicht ankommen, denn es ist

       kein billiges Pferd, und wenn es gehorchen lernt, so mache ich ein Geschäft.«

       »Wenn es Euch recht ist, soll es mir ein Vergnügen sein,« antwortete ich.

       Henry hatte, seit ich abgestiegen war, noch nichts gesagt, sondern mich nur immer kopfschüttelnd

       angesehen. Jetzt schlug er die Hände zusammen und rief aus:

       »Dieses Greenhorn ist wirklich ein ganz außerordentliches oder vielmehr ungewöhnliches Greenhorn!

       Hat das Pferd halb tot gedrückt, anstatt sich in den Sand werfen zu lassen! Wer hat Euch das gelehrt,

       Sir?«

       »Der Zufall, der mir einen halbwilden, ungarischen Pußtenhengst, der niemand aufsitzen lassen wollte,

       zwischen die Beine gab. Ich habe ihn nach und nach bezwungen, dabei aber fast das Leben riskiert.«

       »Danke für solche Kreaturen! Da lobe ich mir meinen alten Polsterstuhl, der nichts dagegen hat, wenn ich

       mich auf ihn setze. Kommt, wir wollen gehen. Es ist mir ganz schwindelig geworden. Aber umsonst habe

       ich Euch nicht schießen und reiten sehen; darauf könnt Ihr Euch verlassen.«

       Wir gingen nach Hause, er zu sich und ich in meine Wohnung. Während dieses und der beiden nächsten

       Tage ließ er sich nicht sehen, und ich hatte auch keine Gelegenheit, ihn aufzusuchen; aber am

       darauffolgenden Tage kam er des Nachmittags zu mir; er wußte, daß ich da frei hatte.

       »Habt Ihr Lust, einen Spaziergang mit mir zu machen?« fragte er.

       »Wohin?«

       »Zu einem Gentleman, der Euch gern kennen lernen will.«

       »Warum mich?«

       »Das könnt Ihr Euch doch denken: weil er noch kein Greenhorn gesehen hat.«

       »So gehe ich mit; er soll uns kennen lernen.«

       Henry machte heut so ein pfiffiges, unternehmendes Gesicht, und wie ich ihn kannte, hatte er irgend eine

       Überraschung vor. Wir schlenderten durch einige Straßen und dann führte er mich in ein Bureau, in

       welches von der Straße aus eine breite Glastür führte. Er nahm den Zutritt so schnell, daß ich die

       goldenen Lettern, welche auf den Glasscheiben standen, nicht mehr lesen konnte, doch glaubte ich, die

       beiden Worte Office und surveying gesehen zu haben. Bald stellte es sich heraus, daß ich mich nicht

       geirrt hatte.

       Es saßen drei Herren da, welche ihn sehr freundlich und mich höflich und mit nicht zu verbergender

       Neugierde empfingen. Karten und Pläne lagen auf den Tischen; dazwischen gab es allerlei

       Meßinstrumente. Wir befanden uns in einem geodätischen Bureau.

       Welchen Zweck mein Freund mit diesem Besuche verfolgte, war mir unklar; er hatte keine Bestellung,

       keine Erkundigung vorzubringen; er schien nur der freundschaftlichen Unterhaltung wegen gekommen zu

       sein. Diese kam allerdings sehr bald in einen lebhaften Gang, und es konnte nicht auffallen, daß sie sich

      

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