Winnetou Band 1. Karl May
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im Parlour; die Gäste kamen, und ich ging hinüber, sie zu begrüßen. Sie waren alle drei zu gleicher Zeit
gekommen, auf Verabredung hin, wie ich später erfuhr. Henry stellte mir einen jungen, etwas stumpf und
ungelenk aussehenden Mann als einen Mr. Black und dann Sam Hawkens, den Westmann, vor.
Den Westmann! Ich gestehe offen zu, daß ich, als mein Auge verwundert auf ihm ruhte, wohl nicht sehr
geistreich ausgesehen haben mag. Eine solche Gestalt hatte ich denn doch noch nicht gesehen; später
freilich habe ich noch ganz andere kennen gelernt. War der Mann schon an sich auffällig genug, so wurde
dieser Eindruck dadurch erhöht, daß er hier in dem feinen Parlour ganz genau so stand, wie er draußen in
der Wildnis gestanden haben würde, nämlich ohne die Kopfbedeckung abzunehmen und mit dem
Gewehre in der Hand. Man denke sich folgendes Äußere:
Unter der wehmütig herabhängenden Krempe eines Filzhutes, dessen Alter, Farbe und Gestalt selbst dem
schärfsten Denker einiges Kopfzerbrechen verursacht haben würden, blickte zwischen einem Walde von
verworrenen, schwarzen Barthaaren eine Nase hervor, die von fast erschreckenden Dimensionen war und
jeder beliebigen Sonnenuhr als Schattenwerfer hätte dienen können. Infolge dieses gewaltigen
Bartwuchses waren außer dem so verschwenderisch ausgestatteten Riechorgane von den übrigen
Gesichtsteilen nur die zwei kleinen, klugen Äuglein zu bemerken, welche mit einer außerordentlichen
Beweglichkeit begabt zu sein schienen und mit einem Ausdrucke von schalkhafter List auf mir ruhten.
Der Mann betrachtete mich ebenso aufmerksam wie ich ihn; später erfuhr ich den Grund, warum er sich
so für mich interessierte.
Diese Oberpartie ruhte auf einem Körper, welcher bis auf die Knie herab unsichtbar blieb und in einem
alten, bockledernen Jagdrocke stak, der augenscheinlich für eine bedeutend stärkere Person angefertigt
worden war und dem kleinen Manne das Aussehen eines Kindes gab, welches sich zum Vergnügen
einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung
guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor, welche in ausgefransten Leggins steckten, die so
hochbetagt waren, daß sie das Männchen schon vor zwei Jahrzehnten ausgewachsen haben mußte, und
die dabei einen umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in denen zur Not der Besitzer
in voller Person hätte Platz finden können.
In der Hand trug dieser berühmte "Westmann" eine Flinte, welche ich wohl nur mit der äußersten
Vorsicht angefaßt hätte; sie war einem Knüppel viel ähnlicher als einem Gewehre. Ich konnte mir in
diesem Augenblicke keine größere Karikatur eines Präriejägers denken, doch sollte keine lange Zeit
vergehen, bis ich den Wert dieses originellen Männchens vollauf erkennen lernte.
Nachdem er mich genau betrachtet hatte, fragte er den Büchsenmacher mit einer dünnen Stimme, die wie
eine Kinderstimme klang:
»Ist dies das junge Greenhorn, von dem Ihr mir erzählt habt, Mr. Henry?«
»Yes,« nickte dieser.
»Well! Gefällt mir gar nicht übel. Hoffe, daß Sam Hawkens ihm auch gefallen wird, hihihihi!«
Mit diesem feinen, ganz eigenartigen Lachen, welches ich später noch tausendmal von ihm gehört habe,
wendete er sich nach der Tür, die sich in diesem Augenblicke öffnete. Der Herr und die Dame des Hauses
traten ein und begrüßten den Jäger in einer Weise, welche vermuten ließ, daß sie ihn schon einmal
gesehen hatten. Das war hinter meinem Rücken geschehen. Dann luden sie uns ein, in das Speisezimmer
zu treten.
Wir folgten dieser Aufforderung, wobei Sam Hawkens zu meinem Erstaunen gar nicht vorher ablegte.
Erst als wir unsere Plätze an der Tafel angewiesen erhielten, sagte er, indem er auf seinen alten
Schießprügel deutete:
»Ein richtiger Westmann läßt sein Gewehr niemals aus den Augen und ich meine brave Liddy erst recht
nicht. Werde sie dort an die Gardinenrosette hängen.«
Also Liddy nannte er sein Gewehr! Später erfuhr ich freilich, daß es die Gewohnheit vieler Westläufer ist,
ihr Gewehr wie ein lebendes Wesen zu behandeln und ihm einen Namen zu geben. Er hing es an die
genannte Stelle und wollte den famosen Hut hinzufügen; als er ihn abnahm, blieb zu meinem Entsetzen
sein ganzes Kopfhaar an demselben hängen.
Es war wirklich zum Erschrecken, welchen Anblick nun sein hautloser, blutigroter Schädel bot. Die Lady
schrie laut auf, und die Kinder kreischten, was sie konnten. Er aber wandte sich zu uns um und sagte
ruhig:
»Erschreckt nicht, Myladies und Mesch'schurs; es ist ja weiter nichts! Hatte meine eigenen Haare mit
vollem Rechte und ehrlich von Kindesbeinen an getragen, und kein Advokat wagte es, sie mir streitig zu
machen, bis so ein oder zwei Dutzend Pawnees über mich kamen und mir die Haare samt der Haut vom
Kopfe rissen. War ein verteufelt störendes Gefühl für mich, habe es aber glücklich überstanden, hihihihi!
Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir einen neuen Skalp gekauft, wenn ich mich nicht irre;
wurde Perücke genannt und kostete mich drei dicke Bündel Biberfelle. Schadet aber nichts, denn die neue
Haut ist viel praktischer als die alte, besonders im Sommer; kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt,
hihihihi.«
Er hing den Hut zur Flinte und stülpte sich die Perücke wieder auf den Kopf. Dann zog er den Rock aus
und legte ihn über einen Stuhl. Dieser Rock war viele, viele Male geflickt und ausgebessert worden,
immer ein Lederfetzen wieder auf den andern genäht, und dadurch hatte dieses Kleidungsstück eine
Steifheit