Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang Schneider
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„Aufgrund der Strömungsrichtung der Isar ist klar, dass die Leiche irgendwo südlich von hier ins Wasser gelangt sein muss.“ Dabei sah er auf's Wasser hinaus und zeigte mit dem Finger Richtung Süden. „Wo genau das passiert ist, können wir allerdings auch nicht präzise sagen. Leichen sinken zunächst auf Grund, bevor sie durch Gasbildung im Körper nach einer Weile wieder an die Oberfläche treten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass genau das vor kurzem passiert ist und die Leiche dadurch eine unbestimmte Wegstrecke mit der Strömung getrieben ist, bevor sie sich in diesem Gebüsch verfangen hat.“ Sedlmeyer sah Jansen entmutigt an. Der fuhr fort:
„Wir haben Verbissspuren von Fischen entdeckt. Die dokumentieren wir im Moment noch, eventuell lassen sich daraus Rückschlüsse auf gewisse Besonderheiten im Fischbestand des Flusses ziehen, aber macht euch mal keine allzu großen Hoffnungen deswegen. Dann haben wir noch einige ziemlich seltsame Verletzungen am Oberkörper entdeckt, die von keinem Tier zu stammen scheinen, aber die können wir nicht einordnen, das muss sich die Pathologie dann genauer anschauen. Ich hoffe, die haben mehr zu bieten als wir.“ Sedlmeyer sah kurz zu Jutta hinüber, die sich soeben zu ihnen gesellt hatte, dann fragte er:
„Wie lange braucht ihr hier noch?“ Jansen sah auf seine Armbanduhr, dann sagte er:
„Noch etwa ne halbe Stunde, Stunde, würde ich sagen.“ Sedlmeyer wandte sich Jutta zu:
„Lass uns den Leichentransport her bestellen oder hast du noch irgend eine zündende Idee?“ Sie überlegte kurz, dann sagte sie:
„Nö, Sedi, keine Ideen mehr. Ich organisier das mal eben. Geh du eine rauchen, ich seh's dir an der Nasenspitze an, dass du's nötig hast.“ Sie sah einen Moment niedergeschlagen zu Boden, dann hob sie den Blick, sah ihm einen Moment in die Augen und sagte:
„Drehst du mir auch eine?“ Sedlmeyer zog die Augenbrauen zusammen und sah sie verwundert an. Jutta hatte schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört und Sedlmeyer war nicht bekannt, dass sie seither in irgend einer Form rückfällig geworden wäre.
„Bist du sicher?“ fragte er.
„Ja, heute bin ich sicher.“ Sedlmeyer nickte ihr zu.
„Gut, ich bin dann beim Auto, bis gleich.“ Dann duckte er sich unter dem Absperrband durch und trabte zurück zum Wagen. Dort angekommen, drehte sich eine Schwarze Krauser und dann noch eine für Jutta. Noch nie hatte er sie rauchen sehen. Unter normalen Umständen hätte er ihr die Bitte wahrscheinlich abgeschlagen; nur allzu leicht wird man als ehemaliger Raucher wieder rückfällig, wie er aus leidvoller Erfahrung selber wusste und er hätte nicht derjenige sein wollen, der eine Mitschuld an der Wiederaufnahme der Raucherkarriere eines befreundeten Menschen zu verantworten hatte. In diesem Moment, während er auf Jutta wartete, fiel ihm etwas auf: er war froh darum, in diesem Moment nicht alleine rauchen zu müssen sondern die üble Situation und die gedrückte Stimmung mit jemandem teilen zu können. Die Wasserleiche dieses jungen Mädchens halbverwest und aufgedunsen auf dem Boden liegen zu sehen, das war schon harter Tobak und auch für einen erfahrenen Kriminalbeamten nicht eben leicht zu verdauen. Und als er Jutta dann nach einer Weile durch das Unterholz balancierend auf ihn zukommen sah, erkannte er plötzlich ganz deutlich, dass sie nicht einfach nur eine Kollegin für ihn war, sondern tatsächlich so etwas wie ein Freund. Sie nahm die Zigarette, die er ihr angeboten hatte entgegen und lehnte sich neben ihn an den Wagen. Dann sagte sie:
„Leichentransport ist unterwegs. Haste Feuer?“ Sedlmeyer gab ihr Feuer, dann lehnten sie eine Weile schweigend am Wagen und rauchten.
Pathologie
Sonntag, 8. Juni 2008, 14:25
Sedlmeyer und Jutta bogen ein auf den Parkplatz vor dem Gerichtsmedizinischen Institut. Er parkte den Wagen, sie stiegen aus, dann drückte er eine Taste auf dem Autoschlüssel und schloss mit einem leisen Doppel-Piepton die Zentralverriegelung. Auf der Fahrt hatten sie kaum ein Wort gewechselt; beide waren noch immer einigermaßen mitgenommen vom Anblick der Wasserleiche und insbesondere von der Tatsache, dass hier ein so junges Mädchen in so einem entsetzlich entstellten Zustand tot aus der Isar gezogen werden musste. Sedlmeyer sah sich kurz auf dem Parkplatz um, dann fragte er Jutta:
„Meinst du, der Mommsen ist schon da mit seiner Autopanne?“ Sie sah an der Fensterfront des Gebäudes hoch, dann sagte sie:
„Muss. Wenn nicht, kill ich ihn persönlich, dann hat der Leichentransport noch einen weiteren Auftrag heute. Ich ruf ihn mal eben an, warte 'nen Moment.“ Sie drückte ein paar Tasten auf ihrem Mobiltelefon, wartete ein paar Sekunden und sprach danach kurz mit der Stimme am anderen Ende. Dann legte sie auf.
„Kommt gleich runter.“ Sie warteten schweigend fünf Minuten, dann glitt eine Schiebetüre an der Vorderseite des Gebäudes auseinander und ein kleiner, dicklicher Mann Mitte fünfzig kam heraus. Er trug einen dunklen Anzug ohne Krawatte, der oberste Hemdknopf war geöffnet. Sein blondes Haar klebte ihm in Form eines Seitenscheitels am Kopf und sein rundes Gesicht umrahmte einen voluminösen Schnauzbart. Er kam mit schnellen Schritten zu ihnen herüber und begrüßte zunächst Jutta per Handschlag.
„Morgen, Frau Hemmers,“ sagte er, dann reichte er Sedlmeyer wortlos die Hand. Der wusste nicht recht, was er sagen sollte und versuchte sich mit smalltalk:
„Wie geht’s ihrem Wagen, Herr Mommsen?“ Dafür erntete er einen vernichtenden Blick.
„Dem fabulösen ADAC sei Dank, vermutlich inzwischen besser als mir. Könnten Sie mich schonmal auf den Stand der Dinge bringen, während wir auf die Leiche warten?“ Sedlmeyer war leicht irritiert von dieser Wortwahl. Auf die Leiche warten, das hatte etwas vom Warten auf den Weihnachtsmann. Er begann, Mommsen zu informieren:
„Wie Frau Hemmers schon mit Ihnen besprochen hat, hatten wir heute morgen einen Leichenfund an der Isar. Wir haben einigen Grund zu der Vermutung, dass es sich dabei um die vor drei Wochen als vermisst gemeldete Schülerin handelt. Der Leichnam schien längere Zeit im Wasser gelegen zu haben und ist gelinde gesagt... nicht sehr ansehnlich.“ Mommsen runzelte die Stirn.
„Für die Wissenschaft gibt es kein 'ansehnlich' oder nicht, Herr Sedlmeyer. Was Ihnen vielleicht unangenehm aufgestoßen ist, sind die normalen Mazerations-Prozesse toter menschlicher Körper in wässriger Umgebung.“ Er schaute kurz auf seine Uhr, dann sah er von Sedlmeyer zu Jutta und zurück und verschränkte die Arme. Sedlmeyer fuhr fort:
„Die Kriminaltechnik war nicht in der Lage, wirklich brauchbare Spuren zu sichern. Der Zustand der Leiche ist auch nach deren Auskunft sehr dürftig, wenn man das überhaupt so sagen kann. Sie haben allerdings ein Detail gefunden, das sie nicht einordnen konnten; neben Verbissspuren von Fischen sind denen noch weitere ungewöhnliche Verletzungen im Bereich des Oberkörpers aufgefallen, die keinen natürlichen Ursprung zu haben scheinen.“ Mommsen verzog keine Miene.
„Aha. Nun ja, wir werden ja sehen.“ Er sah sich ungeduldig um. Die drei standen etwa fünf Minuten schweigsam herum, dann sahen sie wie der Leichentransport auf den Parkplatz einbog und in der Nähe der Schiebetüre zum Stehen kam. Der Fahrer und zwei weitere Männer stiegen aus und öffneten die Heckklappe, während Sedlmeyer, Jutta und Mommsen zu ihnen herüber trabten. Eine Bahre wurde ausgeladen, auf der ein länglicher schwarzer Plastiksack lag, mit einem Reißverschluss vom einen Ende zum anderen. Ein Fahrgestell unter der Bahre wurde aufgeklappt, einer der Männer kam um den Wagen herum auf sie zu und schüttelte ihnen allen die Hand. Mommsen drehte ihnen daraufhin wortlos den Rücken zu, ging zum Eingang des Instituts und bedeutete ihnen mit einer ausladenden Handbewegung, ihm zu folgen.