Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang Schneider

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Der Gärtner war der Mörder - Wolfgang Schneider

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      Sedlmeyer riss die Augen auf. Verschlafen und verwirrt. Was passierte gerade? Warum war er aufgewacht, statt ordnungsgemäß auszuschlafen, wie geplant? Schließlich hatte er gestern abend bis halb drei Uhr morgens genussvoll Musik gehört, beide CDs seiner Pantera-Rarität und die eine davon immerhin zweimal am Stück. Das Telefon läutete. Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und starrte ein paar Sekunden lang die Wand an. Dann wälzte er sich aus dem Bett, stand auf und ging in den Flur, wo das Telefon wütete. Er setzte sich auf die Holzkiste, die er einmal in einem Laden für antike Bauernmöbel erstanden hatte und die zugleich als Sitzgelegenheit und Aufbewahrungsort für selten bis nie gebrauchte Gegenstände diente, wie beispielsweise Skischuhe oder einen Satz Hanteln, den er sich vor einiger Zeit im guten Glauben an die eigene Trainingsmoral gekauft hatte. Er nahm den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung war seine Kollegin Jutta Hemmers:

      „Mojn Sedi, hab ich dich geweckt?“ Sedlmeyer gähnte, dann sagte er:

      „Nein, ich sitze schon seit zwei Stunden neben dem Telefon und warte auf deinen Anruf.“

      „Sedi, du müsstest bitte sofort ins Präsidium kommen, ich warte da auf dich, es gibt Arbeit.“ Er war noch immer nicht richtig wach und sein noch teilweise schlafendes Gehirn sah sich einem akut schwer lösbaren Konflikt gegenüber: Sonntag früh? Ausschlafen? Präsidium? Arbeit? Er fragte:

      „Moment mal. Was ist denn los?“ Jutta fasste zusammen:

      „Also, folgendes: wir haben ne weibliche Leiche im Teenager-Alter, irgendwo bei Freimann, lag in der Isar. Es ist davon auszugehen, dass es sich um das entführte Mädchen handelt.“ Sedlmeyer war immer noch nicht klar, was hier eigentlich gespielt wurde:

      „Aha. Aber was haben wir damit zu tun? Das ist doch Jakubinski's Fall!“

      „Jetzt ist es offenbar unserer. Sedi, ich erklär's dir auf der Fahrt. Bitte komm erst mal ins Präsidium. Bis gleich, Tschöö!“

      Sedlmeyer gähnte noch einmal und rieb sich die Augen, dann ging er ins Bad und begann, sich die Zähne zu putzen. Was war da los? Warum rief ihn Jutta an, um ihm zu eröffnen, dass sie Jakubinski's Fall geerbt hatten? Und warum überhaupt hatten sie ihn geerbt? Er ging in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine an, um sie vorzuwärmen, dann zog er sich an. Frisch bekleidet mit schwarzer Jeans und hellblauem Hemd, unter das er ein schon etwas betagtes Motörhead T-Shirt angezogen hatte, legte er eine Kaffeepatrone ein, stellte eine Tasse unter und drückte auf einen Knopf. Er musste unwillkürlich an die klischeehaften Cops aus amerikanischen Kriminalfilmen denken, die ständig mit Kaffeetassen in der Hand herumliefen und ohne diese keinen Tatort besichtigen und keinen Bericht verfassen konnten, letzteres in der Regel auf altertümlichen mechanischen Schreibmaschinen. Im Gegensatz zu amerikanischen Film-Polizisten, die scheinbar jeden Meter mit voluminösen spritfressenden Autos zurücklegten, würde er gleich mit dem Fahrrad ins Präsidium fahren. Er besaß privat kein Auto, da dies in einer Großstadt wie München wenig Sinn machte und ihm für berufliche Zwecke ein Dienstwagen zur Verfügung stand, der allerdings im Moment auf dem Parkplatz im Präsidium wartete. Nachdem er den Kaffee ausgetrunken hatte, suchte er seine sieben Sachen zusammen und stellte genervt fest, dass sein Handy leer war. Er nahm es trotzdem mit, zusammen mit dem Ladegerät. Dann ging er hinunter in den Hinterhof, zu seinem Fahrrad und schloss es auf.

      Zwanzig Minuten später bog er auf den Parkplatz des Präsidiums ein, sperrte sein Rad am Fahrradständer an und sah dabei aus dem Augenwinkel Jutta neben dem Dienstwagen warten. Sie war eine leicht untersetzte, quirlige Frau Anfang dreißig mit halblangen, dünnen hellblonden Haaren und einer Brille mit modischem Stahlgestell. Vor ein paar Jahren von Kiel nach München gekommen, bereicherte sie Sedlmeyer's Truppe seitdem um eine gute Portion lebendig-norddeutscher Fröhlichkeit. Anfangs war das nicht immer einfach gewesen; der Norddeutsche an sich ist dem Bayern ja generell eher ein Dorn im Auge und Jutta's hemdsärmlige Art und ihr lockeres Mundwerk hatten zu Beginn für einige Animositäten auf Seiten der etwas behäbigeren unter ihren bajuwarischen Kollegen gesorgt. Da sie allerdings ein kontaktfreudiger Mensch war, über ein pragmatisches Organisationstalent verfügte und zudem gut in ihrem Job war, war sie inzwischen zu einer geschätzten Kollegin geworden und pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu Sedlmeyer. Sie begrüßten sich:

      „Servus Jutta. Alles klar?“

      „Mojn Sedi. Willst du fahren? Ich erzähl dir dann alles weitere. Nee, nich alles klar. Ich bin seit halb sieben Uhr morgens auf den Beinen und das am Sonntag, so'n Schiet. Los, einsteigen!“ Sedlmeyer schloss den Wagen auf und sie stiegen beide ein. Er startete des Wagen und fuhr los.

      „Wohin?“ fragte er.

      „Fahr erst mal grob Richtung Oberföhring, dann sag ich dir, wie's weiter geht. Am besten ist's wahrscheinlich, du fährst Innenstadt, direkt über Schwabing.“ Sedlmeyer grummelte:

      „Danke, die Dame, ich find's schon selber. Jetzt erzähl mal, was hier los ist. Warum rufst du mich mitten in der Nacht an und wieso ist das hier auf einmal unser Fall?“

      „Mitten in der Nacht? Jetzt mal Budder bei die Fische, du Schlafmütze. Also pass auf. Ich krieg heute morgen um kurz nach halb sieben nen Anruf – und das ist übrigens mitten in der Nacht. Egal, also ich krieg nen Anruf vom Widenmayer. Und der beschwert sich erst mal, dass er dich nicht erreichen kann!“ Sedlmeyer hob an zu protestieren:

      „Wieso das denn? Ach, ja verdammt, mein Handy war ja leer.“

      „Genau, irgend sowas. Und scheinbar hat der nur deine Handy-Nummer und nicht die von deinem privaten Festnetzanschluss!“ Sedlmeyer sagte nichts. Dr. Widenmayer war ihr Dienststellenleiter und Sedlmeyer hatte in der Arbeit absichtlich nur seine Handynummer hinterlassen. Streng genommen war das zwar höchst fragwürdig, denn in Zeiten der mobilen Rundum-Erreichbarkeit machte es so gut wie keinen Unterschied, aber wenn es auch nur einen symbolischen Effekt hatte, so gab es ihm doch das Gefühl, sich dadurch wenigstens ein kleines Stück Privatsphäre erhalten zu haben. Jutta fuhr fort:

      „Jedenfalls haben wir wie gesagt eine Wasserleiche. Ein älteres Ehepaar hat sie heute früh beim Spazierengehen gefunden. Kannst du dir das vorstellen? Um welche Uhrzeit diese ollen Schabracken Sonntags zum Wandern gehen?“ Sedlmeyer tat entrüstet:

      „Na na na! Ein bisschen mehr Respekt vor der älteren Generation bitte!“ Er grinste zu ihr herüber. „Gut, soweit klar. Aber wieso werden wir da hin geschickt und nicht der Jakubinski und seine Leute?“ Jutta zuckte mit den Schultern.

      „Das weiß ich auch nicht. Der Widenmayer war nicht sonderlich gesprächig am Telefon. Genauer gesagt war er 'n büschen füünsch weil er dich nicht erreichen konnte.“ Sedlmeyer rollte mit den Augen.

      „Jutta, mir san hier in Bayern, du sprichst in fremden Zungen!“ Sie grinste ihn bewusst affektiert an und fuhr fort:

      „Jedenfalls hab ich schon mal soweit alles organisiert. Die Kollegen von der Streife sichern den Fundort, die KT ist auf dem Weg. Ich hab auch Mommsen angerufen und ihn gebeten, direkt hin zu kommen. Wird er allerdings nicht.“ Christian Mommsen war der Leiter der Pathologie und nicht gerade Sedlmeyer's Liebling. In seinen Augen war er der Inbegriff des humorlosen Gerichtsmediziners, der eine für ihn unverständliche Befriedigung daraus zog, in fensterlosen Kellern im Licht von Neonröhren tote Menschen auseinander zu schneiden. Was ihn allerdings regelmäßig auf die Palme brachte, war Mommsen's inflationärer und genussvoller Gebrauch medizinischer Fachbegriffe. Wie oft schon hatte er sich genötigt gesehen, bei medizinischen Gutachten mehrmals nachzufragen und um eine halbwegs verständliche Erklärung zu bitten – er kam sich dann jedes mal wie ein zurückgebliebener Schüler vor, der die simpelsten Dinge einfach nicht begreifen will. Er runzelte die Stirn:

      „Und

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