Luca - Zwischen Nichts und Allem. Billy Remie

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Luca - Zwischen Nichts und Allem - Billy Remie

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style="font-size:15px;">      Doch das stimmte nicht.

      »Woran liegts denn?« Er kam in den Raum, zog einen rollbaren Hocker von der Krankenliege zu mir herüber und setzte sich neben mich.

      Kaffee und Leder. Er roch wieder danach. Und er war mir so nahe, dass ich sehen konnte, wie die Stoppeln auf seinen Wangen nachwuchsen.

      »Ich bin nur müde«, log ich, als er sich zu mir hinüber über das Buch beugte. Jeder andere Schüler wäre vermutlich ausgewichen, wenigstens ein Stück. Ich nicht, ich blieb sitzen, und hätte mich am liebsten ihm entgegen gelehnt.

      Ob er mich auch roch? Was nahm er wohl wahr? Den Moschusgeruch meines Duschbades, die Amberhölzer mit Vanille meines Deos? Meinen Schweiß, der mir auf der Oberlippe stand?

      Roch er mich genauso gerne wie ich ihn?

      Mr. Olsson verzog unglücklich die Miene. »Mathe war auch nie meine Stärke.«

      Ich blinzelte ihn überrascht an. Konnte es wirklich sein, dass wir etwas gemeinsam hatten? Dass wir beide Mathenieten waren, die an der Supermarktkasse übers Ohr gehauen wurden? War ich doch nicht der einzige, der diese Hieroglyphen nicht entziffern konnte?

      »Lass mal sehen.« Er zog das Buch zu sich heran und grübelte, während er sich langsam über den langen Kinnbart strich.

      Er hat was von einem Piraten, ging es mir durch den Kopf. Seine Tattoos, sein lässiges Hemd, sein Bart, alles schrie nach Freibeuter. Ich wäre gern ein paar Monate allein mit ihm auf See. Dann, wenn sogar Delphine für ihn zu Meerjungfrauen wurden, würde ich bestimmt nicht von seiner Bettkante geworfen werden.

      »Du musst …«, er sah mich an und stockte, zuckte beinahe ein Stück zurück. »Hörst du zu?«

      Ich blinzelte meine Trance fort, denn sein Tonfall klang streng. »Sicher«, bestätigte ich, konnte meine Augen aber nicht von seinen losreißen.

      Er blickte mir noch einen Herzschlag lang unergründlich in die Augen, Gott weiß, was er in jener Sekunde dachte.

      Schließlich sah er auf die aufgeschlagene Buchseite hinab, als wäre nichts gewesen, während mir der Atem im Halse stecken geblieben war und mein Schwanz in der Hose wuchs.

      »Das wird so gemacht …«, begann er und versuchte, mir den Rechenweg zu erklären. Die ersten beiden Formeln rechnete er mir aus, um es mir deutlich zu zeigen. Ich konnte Dinge besser verstehen, wenn man sie mir vormachte, statt nur zu erklären. Und er war geduldig, obwohl ich anfangs zu schüchtern und beschämt war, Fragen zu stellen. Ich nickte einfach, wenn er nachhakte, ob ich es verstanden hätte, und gab mich trotzig, wenn er wollte, dass ich es ihm vor machte.

      Er wurde nicht wütend, auch nicht genervt, er sagte keine herabwürdigenden Dinge wie: »Das ist doch ganz einfach, Luca.« Sondern er verwendete Worte wie: »Du musst dich nicht schämen, ich habe mich viel dümmer angestellt als du.«

      Hatte er das? Vermutlich manipulierte er mich. Vielleicht aber auch nicht. Es bestand zumindest die Möglichkeit, dass wir etwas gemein hatten. Dass er wie ich war. Dass wir uns vermutlich zu seiner Schulzeit ganz ähnlich gewesen wären.

      Ich ließ mich darauf ein, dass er mir half. Und plötzlich war Sport auch nicht mehr so wichtig. Das hier war viel besser. So nahe würde ich ihm vermutlich nie mehr wieder kommen.

      Mathe war viel zu schnell erledigt.

      »Deutsch klappt auch nicht so«, sagte ich, meine Würde vergessend, weil ich wollte, dass er bei mir sitzen blieb.

      »Zeig mal«, forderte er mich auf.

      Und ich zeigte es ihm.

      Plötzlich verstand ich, was es mit der Relativitätstheorie auf sich hatte. Wir waren fast durch, aber es kam mir so vor, als hätte er sich gerade erst neben mich gesetzt.

      Verdammt, warum musste er denn auch mein Lehrer sein!

      Wobei, wenn ich ehrlich bin, machte dies einen Teil seiner Faszination aus.

      Ich wollte schlichtweg meinen Lehrer verführen.

      War es nicht seltsam, dass, wäre es anders herum, er sich strafbar machen würde, ich aber einfach so damit durchkam, weil ich der Schüler war. Ich könnte mich nackt in seine Umkleide stellen und auf ihn warten, ihn mit mir dort einsperren, ihn bedrängen, ohne von der Schule zu fliegen. Allerhöchstens würde ich einige ernste Gespräche über mich ergehen lassen müssen, aber ein Rausschmiss wäre erst dann fällig, wenn er sich wegen mir ernsthaft bedroht fühlte. Es brauchte deutlich mehr als einen einzigen Verführungsversuch meiner Seite aus, um eine echte Strafe heraufzubeschwören. Aber würde er es auch nur wagen, jetzt seine Hand ganz unschuldig auf mein Knie zu legen, wäre er der Perverse.

      Als mir die Vorstellung kam, starrte ich unwillkürlich hinab auf mein Bein. Es war dem seinem so nahe, nur eine Handbreit Luft stand zwischen uns. Er überprüfte gerade die Personenbeschreibung, bei der er mir geholfen hatte, indem er mir das ein oder andere Wort erklärte, mir neue Wörter beibrachte, die passender klangen und einfacher zu schreiben waren.

      Ich stieß ganz beiläufig mit meinem Knie gegen seines, noch bevor ich mich davon abhalten konnte, und beobachtete die Reaktion in seinem Gesicht.

      Er zuckte überrascht zusammen und nahm sein Bein fort. »Oh, Entschuldigung.« Er war es, der sich entschuldigte, obwohl ich ihn angestoßen hatte.

      Ich ließ mir Zeit, bevor ich erwiderte: »Macht nichts.« Und ich sagte es nicht einfach so daher, wie wenn man es jemanden nachrief, der einem auf der Straße mit der Schulter anrempelte und der sich dann halbernstgemeint entschuldigte, während er bereits weiter ging. Sondern ich sagte »Macht nichts« mit einem Lächeln. Bedeutsam. Es darf ruhig wieder vorkommen.

      Er schien die Bedeutung nicht zu bemerken, er las weiter, was wir zusammen zu Papier gebracht hatten, und setzte ein paar Kommas, die ich vergessen hatte.

      Ich war enttäuscht und atmete frustriert aus.

      Dann spürte ich es.

      Sein Knie an meinem. Er stieß es nicht so an wie ich, nicht so kräftig und ungeschickt, er lehnte es gegen meines, als habe er lediglich sein Bein entspannen wollen und dabei haben sich rein durch Zufall unsere Knie berührt.

      Ich zuckte nicht zurück. Sein Bein blieb, wo es war.

      War das ein Test? Sollte ich nun von ihm abrücken?

      Und wenn ich nicht wollte?

      War es eine Frage, auf die ich mit einer bestimmten Geste antworten sollte?

      Oder bildete ich mir all das nur ein?

      Mir schlug das Herz bis zum Hals, und dort, wo wir uns berührten, stand meine Haut in Flammen. Ich wollte meinen Schenkel gegen seinen pressen, ganz fest, und dann darüber reiben. Würde das noch als Versehen durchgehen, als Zufall? Wohl kaum.

      Ich blieb wie angewurzelt sitzen, weil ich Angst hatte, den Zauber zu durchbrechen. Und er schien plötzlich äußerst lange zu brauchen, um die Seite zu Ende zu lesen.

      Oder bildete ich mir auch das nur ein?

      »Gut«,

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