Die Flüchtlinge und wir. Neue Osnabrücker Zeitung

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Die Flüchtlinge und wir - Neue Osnabrücker Zeitung

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der 80er wollte die Familie zurück in die Türkei. Ali, der als Einziger vorerst in Deutschland geblieben war, kaufte dort einen Hof, doch er wurde betrogen. Er erwarb einen Reisebus, der in der Türkei Städte verband, und wurde erneut über den Tisch gezogen. „Da hatte ich die Schnauze voll. In Deutschland bin ich nie betrogen worden. Ich hatte viel Geld gespart, dann war es weg.“

      1991 kehrten Frau und Sohn Hidayet (34) nach Deutschland zurück, drei Kinder blieben in der Türkei. „Hätte ich gewusst, dass wir zurückkommen, wären wir gar nicht erst gegangen“, seufzt Reyhan Yildiz. Was für den Vater vor allem ein finanzieller Eklat und eine Enttäuschung war, bedeutete für den Sohn einen Neuanfang in einem fremden Land mit unbekannter Sprache. „Wir hätten gar nicht gehen sollen oder dableiben“, sagt der gelernte Elektriker Hidayet, „dann hätte ich sicherlich mehr erreichen können. Aber ich bin zufrieden, so ist das nicht.“ Nach der Episode beantragte Ali die deutsche Staatsbürgerschaft, kaufte den Bauplatz und errichtete sein Haus. Ganz klassisch mit den deutschen Nachbarn, Richtfest und allem Pipapo.

      In seinem Freundeskreis finden sich heute weitaus mehr Deutsche als Türkischstämmige. „Was bist du eigentlich für ein Türke?“, raunzt ein Freund ihn deshalb gerne an. Ali liebt es, solche Anekdoten zu erzählen. Wie er seine einzige Frikadelle aß, weil der Wirt mit tiefer Stimme „Muuuh“ gemacht hatte. Wie er sich ein Fahrrad kaufte, es jeden Tag putzte, aber nie fuhr, weil es zur Arbeit nur 50 Meter waren. Dass sie ihn in der Türkei sofort als „Deutschen“ erkennen, weil er Preise akzeptiert und nicht handelt.

      Vielleicht lässt er sich dort begraben, vielleicht in Buer, dort verhandeln sie derzeit über eine muslimische Begräbnisstätte. Aber erst einmal will er die Rente genießen. „Hier in Deutschland ist es schön“, sagt Yildiz, „die Leute sind etwas ganz Besonderes.“ Sein Sohn grinst etwas schief: „Ganz so bunt hätte ich es nicht ausgedrückt.“

      47 Jahre in Deutschland gearbeitet: Ali Yildiz mit einer Ehrenurkunde der IHK. (Jörn Martens)

      Emsländischer Hans im Glück: Der Liebe wegen nach Dänemark

      Von Stefan Prinz

       Bernhard Griese ist der emsländische Hans im Glück: Vor mehr als vierzig Jahren fand er in Dänemark die Frau fürs Leben – und einen Beruf, der ihn zu einem der erfolgreichsten Unternehmer des Landes machte.

      Ein Lächeln legt sich auf die Lippen des 73-Jährigen, wenn er an seine Heimat denkt. Bernd, wie sie ihn in Dänemark alle nennen, ist im Zweiten Weltkrieg in Walchum zur Welt gekommen und als Sohn eines Arbeiters aufgewachsen. Die Nachkriegszeit in ärmlichen Verhältnissen hat ihn geprägt. Angesichts der Schrecken, die deutsche Soldaten ein paar Jahre zuvor in der Welt verbreitet hatten, wollte Bernd Griese nie selbst eine Waffe in die Hand nehmen. Um dem Wehrdienst in der noch jungen Bundeswehr zu entgehen, heuerte der gelernte Elektriker auf Frachtschiffen an, die um die ganze Welt fahren. Jahrelang fuhr Griese so von Kontinent zu Kontinent. Als er nach einigen Jahren zurückkam, „da waren mir Walchum und das Emsland einfach zu klein“.

      1972 führte ihn eine Dienstreise nach Skælskør, einer Kleinstadt auf der dänischen Ostseeinsel Seeland. Er genoss „das freie Leben“, das damals so ganz anders war als in seiner Heimat. Bei einer Strandparty lernte er nicht nur das „besonders leckere Bier“ der örtlichen Brauerei Harboe kennen, sondern auch Anne, die Tochter des Brauereibesitzers.

      Aus der deutsch-dänischen Party-Bekanntschaft entwickelte sich eine Liebe fürs Leben. Die beiden heirateten und bekamen drei Töchter. Bernd Griese stieg in die kleine Dorfbrauerei seines Schwiegervaters ein. „Damals hatte der Betrieb 30 Mitarbeiter und belieferte die Häuser um den Kirchturm von Skælskør“, schmunzelt Griese heute. Das Bier wurde damals noch von Hand in die Flaschen gefüllt. Das sollte sich mit dem Emsländer ändern: Er investierte seine Ersparnisse in die Modernisierung des Unternehmens und packte an: „Wir haben jeden Tag 16 Stunden malocht.“ Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Die Brauerei wuchs von Jahr zu Jahr.

      Harboe konnte es nun sogar mit dem dänischen Giganten Carlsberg aufnehmen, der damals den nationalen Biermarkt unangefochten dominierte. Grieses Leidenschaft für die Jagd und für das Segeln führte zur Begegnung mit dem dänischen Prinzgemahl Henri. Aus dieser Begegnung wurde eine bis heute andauernde Freundschaft zur Königsfamilie. Bernhard Griese sponserte auch den Segelsport Kronprinz Frederiks und belieferte mit seinem Bier den Königshof.

      Nach mehr als 20 Jahren bekam Harboe den offiziellen Titel „königlicher Hoflieferant“. „Das hilft uns besonders im Ausland sehr“, sagt Bernd Griese. Das Ausland ist ein wichtiger Absatzmarkt für Harboe – heute eine der größten Brauereien des Landes. Harboe verkauft unter verschiedenen Bezeichnungen Bier, Limonade, Energydrinks und Mineralwasser in mehr als 90 Länder der Erde. Ganz egal, ob zweiprozentiges Schwachbier für Norwegen oder 16-prozentiges Starkbier für den afrikanischen Kontinent. Mit seinem größten Konkurrenten Carlsberg lieferte sich Griese jahrelang einen harten Wettbewerb. „Immer dann, wenn Carlsberg die Preise anhob, haben wir unsere Preise gesenkt“, lacht der Wahl-Däne. „Das hat uns in Dänemark viel Sympathie eingebracht.“

      Ein wichtiger Baustein seines Erfolgs war Grieses Engagement in Deutschland: Unmittelbar nach dem Mauerfall baute der Unternehmer eine Brauerei in Dargun in Mecklenburg-Vorpommern. Drei Jahre lang musste das Bier mit Tanklastzügen nach Deutschland gefahren werden. Danach war das Brauen auch am neuen ostdeutschen Standort möglich. Der Gerstensaft fand reißenden Absatz, sagt Griese: „Wir haben gutes Bier zu günstigen Preisen angeboten.“

      Sein Bier verkauft er in Deutschland unter anderem in den Netto-Märkten. Mit den Saisonarbeitskräften arbeiten über tausend Menschen in den Firmen von Bernd Griese. Denn er ist nicht nur einer der größten Brauereibesitzer in Dänemark, sondern auch ein großer Landwirt. Auf Hunderten Hektar bauen seine Mitarbeiter Kirschen an.

      Bernhard Griese hat es vom Arbeiterkind zum ausgezeichneten Unternehmer gebracht: Er ist Vorsitzender der deutsch-dänischen Handelskammer und hat den deutschen Bundesverdienstorden Erster Klasse verliehen bekommen. Den Kontakt zu seiner emsländischen Heimat hat er dabei in all den Jahren nie verloren: „Meine Schwester wohnt in Oberlangen.“ Erst vor ein paar Jahren hatte er Verwandtschaft mit dem Bus nach Dänemark geholt und seinen 70. Geburtstag gefeiert: „Die Heimat vergisst man doch nie.“

      Bernd, der Unternehmer: Die ehemals kleine Familienbrauerei „Harboe“ seines Schwiegervaters hat Bernhard Griese zu einer der größten Brauereien Dänemarks gemacht. (Stefan Prinz)

      Bei ihnen steht die Bibel neben dem Koran

      Von Rainer Lahmann-Lammert

      Im Bücherregal steht die Bibel neben dem Koran. Margret Flohr-Bilalic ist Katholikin, ihr Mann Elvir Bilalic Muslim. Beiden ist der Glaube wichtig, aber keiner will den anderen bekehren. Auch nicht die beiden Kinder Malaika und Malik. Sie alle finden, dass Christentum und Islam ganz gut zusammenpassen.

      Als in Osnabrück 4500 Menschen im Januar 2015 gegen Rassismus und Ausgrenzung demonstrierten, wagte sich die 15-jährige Malaika aus der Gesamtschule Schinkel ans Mikrofon und sprach einen Satz, der viele beeindruckte: „Meine Mutter ist Christin, mein Vater Muslim, und wenn sich Pegida in diesem Land durchsetzt, könnte ich nicht in Frieden in diesem Land leben!“

      Elvir Bilalic ist stolz auf seine Tochter. Sie hat auf den Punkt gebracht, was auch ihm wichtig ist. In der Sutthauser Familie wird viel über Glaubensdinge gesprochen, über das Zusammenleben

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