Andran und Sanara. Sven Gradert

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Andran und Sanara - Sven Gradert Band 1&2

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dass man sie auch ohne den Vorhang kaum entdecken konnte. Ohne besondere Eile, schritten sie den geräumigen Flur entlang, und Elze hielt Morna einen Vortrag über ihre Pflichten als Dienerin in diesem Teil des Palastes. Wäre ihnen jemand über den Weg gelaufen, hätte er ihnen wahrscheinlich absolut keine Beachtung geschenkt. Es kam schließlich oft vor, das älteren Bediensteten Neulinge zur Seite standen, bis diese in der Lage waren, ihren Pflichten alleine nachzukommen. Am Ende des Korridors schob Elze wieder einen schweren Vorhang zur Seite, der von der Decke bis zum Boden reichte. Sie blickte sich vorsichtshalber noch einmal um, dann betätigte sie einen versteckten Hebel wobei erneut eine Schiebetür zur Seite glitt.

      Beim zweiten Flur, den sie durchqueren mussten, hatten sie weniger Glück. Auch hier befand sich der Zugang hinter einem wuchtigen Samtvorhang versteckt. Lautes Stimmengewirr drang an ihre Ohren. Elze öffnete behutsam die geheime Schiebetür und lugte wie ein Spion hinter dem Vorhang hervor. Ein Heer von Bediensteten wuselte durch den Korridor. Viele von ihnen trugen Tabletts mit den verschiedensten Speisen, zu den Bewohnern der hiesigen Gemächer. Dienstmädchen waren damit beschäftigt, Bettwäsche auszutauschen während andere mit Putzlappen, Eimern und Besen bewaffnet kreuz und quer liefen. Blitzschnell huschte Elze zurück in den Gang und ließ die Schiebetür wieder zugleiten.

      „Was ist los?“ Fragte Morna ungeduldig. Hilflos zuckte die Dienerin mit den Schultern.

      „Es ist im Augenblick unmöglich, ungesehen den Flur zu betreten. Wir müssen einfach ein Weilchen abwarten.“

      „Warten? Wie lange denn? Können wir keinen anderen Weg nehmen?“

      Elze schüttelte mit dem Kopf: „Zum einen müssten wir dann den Flur von vorhin noch einmal durchqueren, zum anderen müssten wir fast den gesamten Palast umrunden. Glaub mir Kind, wenn die Götter wollen das wir einen Moment warten, dann sollten wir dem auch nachkommen.“

      Elze setzte sich auf den Boden und kramte ein paar Trockenfrüchte aus ihrem Jutebeutel hervor, den sie immer bei sich trug. Morna setzte sich neben sie und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Lächelnd nahm sie die Früchte entgegen, die Elze ihr reichte.

      ***

      Godvere las den Text vom Pergament, das ihm der Schreiber soeben reichte sorgsam durch. Seine Stirn begann sich in immer tiefere Falten zu legen. Wer den Herrscher gut kannte, wusste das dies ein Zeichen dafür war, ihm besser aus dem Weg zu gehen. Niemand bemerkte wie sich direkt hinter dem Thron lautlos eine kleine Schiebetür öffnete, die sich unterhalb eines großen Tisches befand. Ein kleiner Junge, von vielleicht acht Jahren huschte unter den Tisch, auf dem sich Speisen für den Herrscher befanden, und spähte vorsichtig jeden Winkel des Saales aus, den er von seiner Position her ausmachen konnte.

      Der Herrscher warf die Pergamentrolle verärgert auf den Tisch der Schreiber, und brüllte den Mann, der ihm die Rolle gereicht hatte an:

      „Seid ihr alle von Sinnen? Was soll dieser Unsinn? Die Kornspeicher der Stadt sind allesamt bis zum Rand gefüllt. Ich unterschreibe doch keinen Erlass, der die Preise für das Korn nahezu verdoppelt. Wer ist verdammt noch mal für den Gedanken verantwortlich? Was glaubt ihr was auf den Straßen los ist, wenn die Bürger das doppelte für einen Laib Brot zahlen müssen?“

      „Es, es ist zwingend notwendig, denn...“

      „Zwingend notwendig? Genauso wie dieses Dekret? Die Steuern sollen erhöht werden, da wir mehr Eisen aus dem Norden brauchen, welches das teuerste Eisen in der gesamten bekannten Welt darstellt?“ Godvere betrachtete erneut die Papiere, die auf seine Unterschrift warteten:

      „Welcher verdammte Idiot hat sich all das ausgedacht?“

      „Das Eisen wird für Rüstungen und Schwerter benötigt. Es wurde ausgehandelt, das dafür nur der beste Stahl verwendet wird.“

      Godvere bedachte den Gelehrten, der für das Erstellen der Verordnungen verantwortlich war, mit einem fassungslosen Blick:

      „Befinden wir uns etwa im Krieg. Einen Krieg von dem ich bisher noch nichts mitbekommen habe?“

      Der Mann blickte beinahe panisch über all die Papiere bis er endlich die große gelbe Ledermappe erblickte. Augenblicklich befahl er einem der anderen Gelehrten ihm die Mappe zu reichen und hielt sie anschließend zitternd Godvere Garien hin.

      Der Junge huschte lautlos unter dem Tisch hervor und verharrte für einen Moment in der Bewegung. Unter seinem verdreckten Gesicht, funkelten wachsame, intelligente Augen, mit denen er wiederholt in alle Richtungen blickte. Wie geplant befand er sich jetzt in einem toten Winkel zu den Armbrustschützen auf der oberen Galerie. Der Knabe war barfuß, hatte sich aber Lederlappen um die Füße gewickelt um nicht von spitzen Steinen oder Glas verletzt zu werden, sich aber trotzdem lautlos bewegen zu können. Seine weitere Kleidung bestand aus einer kurzen, dunklen, zerschlissenen Hose sowie ein ärmliches Hemd, welches er selbst schwarz gefärbt hatte. Er liebte schwarz, weil die Farbe bestens dazu geeignet war sich im dunklen zu verstecken, oder in irgendwelchen Schatten unterzutauchen. Mit einem schnellen Griff nahm er seinen kleinen Rucksack vom Rücken und füllte ihn mit verschiedenen Speisen, die direkt am Rand des Tisches platziert waren. Dass der Herrscher gerade einen seiner gefürchteten Wutausbrüche bekam, war dem Knaben nur recht. Sorge stets für eine gute Ablenkung, schossen ihm die Worte seines Bruders durch den Kopf. Wenn das nicht möglich ist, finde einen Schwachkopf der für diese Ablenkung sorgt. In diesem Augenblick stellte für den Jungen, der Herrscher höchst persönlich diesen Schwachkopf dar. Nachdem der Rucksack gut gefüllt war ließ er noch einmal seinen Blick umherstreifen. Für einen Moment blieb ihm fast das Herz stehen, als er den prächtigen Dolch, am äußersten Rand des Tisches liegen sah. Der Herrscher schrie noch immer diesen Trottel an, dem man gerade eine gelbe Mappe reichte. Der junge Dieb schlich sich soweit ans Ende des Tisches, wie er sicher sein konnte, nicht von einem der Armbrustschützen auf der Galerie gesehen werden zu können. Um die Blutwölfe in ihren Nischen machte er sich keine Gedanken. Von ihrem Winkel aus, war es unmöglich ihn zu erblicken.

      Godvere nahm die gelbe Mappe entgegen und blickte auf das eingestanzte Wappen.

      „Ist das nicht das Wappen der Stadt Kushtur?“ Fragte er den Gelehrten. Als dieser nur eifrig nickte öffnete der Herrscher die Mappe und begann die ersten Seiten eines Vertrages zu lesen, auf dem ganz offensichtlich nur noch seine Unterschrift fehlte. Als Unterhändler des Darkanischen Reiches wurde mehrmals Lord Reichel genannt, der die Bedingungen ausgehandelt hatte.

      „Reichel!“ Brüllte der Herrscher aus Leibeskräften dem Minister hinterher, der erst vor kurzem den Thronsaal verlassen hatte. Dabei schritt er in Richtung der schweren Doppeltür. Der Herrscher bebte vor Wut. Mit seiner Hand zeigte er auf zwei der Blutwölfe, deren Nischen sich unmittelbar neben der Tür befanden.

      „Holt mir sofort den Minister her. Sofort. Sollte er nach Ausflüchten suchen, schleift ihn hierher!“

      Die Männer schlugen gleichzeitig mit ihrer rechten Faust auf ihre linke Brust und verließen umgehend den Thronsaal, um den Befehl auszuführen.

      Der Junge konnte sein Glück kaum fassen. Ungesehen schlich er zum Ende des Tisches, griff nach dem Dolch und ließ ihn ebenfalls in seinem Rucksack verschwinden. Blitzschnell huschte er wieder unter die Tischplatte und verschwand in dem geheimen Gang. Ein schneller Griff am kleinen Hebel sorgte dafür, dass die Schiebetür sich wieder lautlos schloss. Es war stockdunkel in diesen geheimen Fluren. Trotzdem verzichtete der Junge darauf, eine der vielen Fackeln anzuzünden, die überall in den Halterungen steckten. Er liebte die Dunkelheit und es dauerte nicht lange bis sich seine Augen wieder vollständig ans Dunkle gewöhnt hatten.

      Ein empörtes Gezeter verriet dem Herrscher, dass die Blutwölfe ihren Auftrag schnellstens erledigt

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