Steintränen. Manja Gautschi
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„Einen wunderschönen guten Tag, schöne Frau.“ winkte Bachschaum freudig von seinem Pferd. Mara schoss es kalt den Rücken hinunter ‚Schöne Frau’ hatte auch dieser Kerl gesagt, damals. Brr....
Mara nickte „Guten Tag.“
Bachschaum zügelte sein Pferd. „Verzeihung“ sagte Bachschaum so freundlich wie immer. Custa hielt an, legte ihre Ohren drohend nach hinten. „Ist das der Weg nach Rotsand?“
‚Wieso fragt der das? Es gibt nur einen Weg hier? Was soll das?’ Mara nickte „Ja, ist es. Tut mir leid, aber ich muss weiter. Auf Wiedersehen.“ verabschiedete sich Mara schnell und drängte Custa weiter zu gehen.
Bachschaum drehte sich im Sattel „Besten Dank. Wünsche einen schönen Tag.“ und ritt ebenfalls weiter.
„Ja, auf Wiedersehen“ brummelte dann auch noch der ältere Herr, Admiral Richard Torns, hinterher, bevor er sein Pferd antrieb.
Die Soldaten dahinter winkten zum Teil freundlich, sahen grummelig drein oder nickten zum Gruss einfach. Aber keiner machte den Anschein, Mara irgendwie zu erkennen. ‚Puhh!’ dachte Mara. Froh, die Gruppe passiert zu haben. Sie hatte eben schon ein wenig Angst gespürt, aber vielmehr war ihr heiss geworden. Bilder von Blut schwirrten vor ihrem inneren Auge. Schmerz. Panik. Sie hätte ihr Messer ziehen und ein Massaker anrichten können. Lust dazu hätte sie gehabt. War komisch gewesen, sehr komisch. Vor allem diesem unfreundlichen, steifen alten Mann hätte sie gerne den Dolch in die Brust gestochen und ihm danach den Kopf abgerissen.
‚Ähh!’ Mara schüttelte ihren Kopf. Was waren das denn für Ideen?! ‚Alles in Ordnung?’ erkundigte sich Custa. ‚Ich bin nicht sicher.’
Mara liess Custa galoppieren um keine Zeit mehr zu verlieren. Sie musste zu Boris!
„Richard“ sprach Peter Bachschaum seinen Begleiter an „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen? Oder sonst irgendwie verwirrt. Darf ich wissen, was los ist?“
Torns runzelte die Stirn und blickte Peter an. Dieser junge Politiker und Diplomat war ihm ein Rätsel. Er wirkte naiv und unschuldig. So als ob er keine Ahnung hätte, was um ihn herum geschah. Immer dieses überfreundliche Lächeln im Gesicht, das so oft überhaupt nicht zur Situation passte. Nein, da war so gar nichts, dass Respekt einflössen könnte an diesem Mann, der nicht einmal im Stande war, sein Gewicht zu halten. Keine Disziplin.
Und trotzdem hatte er es geschafft, einer der 13 Regenten zu werden. Und das in seinem Alter! Erst hatte es Torns als einfache Vetternwirtschaft abgetan, einer mehr, der nur durch Beziehungen an so ein Amt gekommen war. Mit solchen Leuten gab sich Torns eigentlich nie ab. Die waren nutzlos, so sein Urteil und seine Erfahrung.
Dann, vor Jahren, war er doch gezwungen worden mit diesem jungen Spross irgendeiner vermutlich sehr wohlhabenden und einflussreichen Familie zusammen zu arbeiten. Zu Torns Überraschung war die Führung der bereits übernommenen Regionen Aquawalds und die damit verbundene Organisation der Armee diesem Schnösel übertragen worden. ‚Mal ein junger Regent, der nicht so stur und eingerostet wie die Alt - Eingesessenen ist.’ Hatte ihm sein Vorgesetzter vorgeschwärmt. ‚Na ja. Wohl eher ein verzogener Dummkopf, der demnächst auf die Nase fliegt.’ war seine Antwort gewesen.
Torns hatte sich selten so heftig in jemandem getäuscht.
Seine erste Begegnung mit Peter Bachschaum hatte noch voll und ganz seinen Erwartungen entsprochen: Ein dicker, dummer Junge, der von nichts eine Ahnung hatte. Würde vermutlich bei den ersten Schwierigkeiten anfangen zu heulen. Genauso, sah Bachschaum nämlich aus. Wie er es heute immer noch tut. Erstaunlicherweise. Eben: Ein Rätsel.
Aber Bachschaum entpuppte sich als sehr intelligent und aufmerksam. Begriff sehr schnell, fand sehr schnell Lösungen und traf Entscheidungen. Und dabei war er nie zimperlich. Dieser Typ, konnte freundlich lächelnd ein Massaker anordnen, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne zu zögern. Er begegnete allen mit diesem Lächeln und die meisten liessen sich davon auch prompt blenden. Wiegten sich in Sicherheit ‚Dieser nette Mann mit der Brille wird uns bestimmt nichts Schlechtes tun, der ist so nett.’
Die perfekte Täuschung!
„Ach, Herr Torns“ hatte er einmal gesagt, lächelnd, wohlgemerkt „Mit Worten ist es wie mit bitterer Medizin: Sie wird schneller verschluckt, wenn sie süss schmeckt. Wieso also den Gegner mit einer schlecht schmeckenden Medizin abschrecken? Das verzögert nur unnötig die Angelegenheit. Und da ich ein fauler Mensch bin,“ er deutet auf sich selbst und seine unsportliche Figur „wie Sie selbst schon bemerkt haben, ziehe ich es vor, meine Ziele immer schnellst möglichst zu erreichen. Kein unnötiger Aufwand.“ danach hatte Bachschaum aufgehört zu lächeln, Torns war es kalt den Rücken hinuntergelaufen, wie schnell dieser Mensch sein Gesicht wechseln konnte?! Beeindruckende Selbstbeherrschung!
Und Bachschaum ergänzte in todernstem Tonfall „Ich weiss, Herr Torns, Sie halten nicht viel von mir. Sie beurteilen mich nach meinem Äusseren. Das geht alles in Ordnung. Ich mag direkte Menschen. Nur, behandeln Sie mich noch einmal wie einen dummen Jungen, können Sie Ihre Beförderung zum Admiral vergessen, Captain Torns. Holzköpfe in den oberen Reihen der Befehlskette haben wir schon genug.“ er blickte dabei Torns ununterbrochen direkt in die Augen, da war absolut keine Unsicherheit und keine Freundlichkeit zu sehen gewesen „Ich hoffe, mich klar ausgedrückt zu haben.“ hatte Bachschaum seine Ausführung geschlossen.
Torns erinnerte sich noch gut an diesen Moment. Er hatte Bachschaum erst seit Kurzem gekannt und ihn tatsächlich von Anfang an wie einen dummen Jungen behandelt. Und mit so einer offenen, klaren Ansage, nein, Drohung, hatte er nie gerechnet. „Du fetter Grünschnabel!“ war dann seine aggressive Antwort gewesen „Vergiss nicht, wem die Leute folgen um deine Befehle auszuführen. Ohne mich, stehst du ziemlich alleine da. Also wag es jah nicht, mir noch einmal zu drohen. Verstanden?!“ Torns war schon damals ein brummeliger Zeitgenosse gewesen und liess sich solche Drohungen mitnichten gefallen. Auch wenn er sich insgeheim hatte eingestehen müssen, dass Bachschaum schon Recht gehabt hatte, er hatte ihn von Anfang an als dummen Jungen gesehen und genauso so von oben herab behandelt.
Völlig entgegen der Stimmung und Erwartungen hatte darauf Bachschaum wieder angefangen zu lächeln. Torns war es erneut kalt über den Rücken gelaufen. Er war ja absoluter Fanatiker was Disziplin und Selbstbeherrschung anging, vielleicht, weil er zeitweilen Mühe hatte sein eigenes Temperament zu zügeln, aber so seine Gesichtsmimik und die Stimmung dazu zu beherrschen, fand er abartig und abgebrüht. Oder war es schlicht Arroganz?
„Sehr gut. Wir werden sehr effektiv zusammenarbeiten. Freue mich.“ lächelte Bachschaum „Und wären Sie nun bitte so freundlich, mir den Lagebericht zu geben?“
Und tatsächlich verstanden sich die beiden seitdem sehr gut, wurden in gewisser Weise Freunde. Respektierten einander, funktionierten perfekt. Nur dass Bachschaums Verhalten weiterhin rätselhaft blieb. Nie wusste man genau, was ihn ihm vorging.
So wie jetzt. Dass ihn Bachschaum beobachtete und bemerkte, dass er am Studieren war. Es ihn sogar interessierte.
„Hallo?“ unterbrach Bachschaum Torns Gedanken „Noch da?“ Torns drehte seinen Kopf, sah seinem Freund ins Gesicht.