Steintränen. Manja Gautschi
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Читать онлайн книгу Steintränen - Manja Gautschi страница 10
„Wie soll das gehen? Das ist doch eine Räuberpistole sondergleichen. Seit du Stadtmeister bist hast du Mühe mit Sehen und Gehen. Denk nicht, mir wäre das nicht aufgefallen. Das sieht ein Blinder. Ich mache mir Sorgen um dich Boris. Ich denke eher, dass mit deinem Kopf nicht mehr alles in Ordnung ist. Vielleicht solltest du uns erst nach Rotsand begleiten und dich in der Stadtklinik untersuchen lassen.“ Boris verschluckte sich beim Trinken, musste husten und lachen miteinander.
Joret blieb ernst, während ihn die anderen am Tisch erstaunt ansahen. „Es ist mein voller Ernst. Ich wüsste nicht, was es zu lachen gibt. Schliesslich haben dich diese Sturrköpfe hier zu ihrem Stadtmeister und Regierungsoberhaupt gewählt. Da solltest du gesundheitlich schon auf dich achten.“ Nun musste sich Sora das Grinsen verkneifen. Hielt sich die Hand vor den Mund, während Boris sich wieder beruhigen konnte.
„Joret, ich danke dir für deine Sorge um mich. Ich muss zugeben, so habe ich das noch nicht gesehen. War zu sehr auf mich konzentriert und habe nicht daran gedacht, dass ich im Moment wohl tatsächlich einen angeschlagenen Eindruck auf Aussenstehende mache. Aber du kannst mir glauben“ Boris musste dazwischenkichern „Tschuldige“ er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, strich sich durch den Bart, er war amüsiert über den Gedanken, der ihm ganz neu war.
„Nein, ernsthaft. Es ist alles in Ordnung. Wirklich. Ich werde mich bemühen, so schnell als möglich, nicht mehr so ungeschickt zu wirken.“ Joret sah ihn mit Stirnrunzeln an „Bitte Joret, hier und jetzt ist nicht der richtige Moment es zu erklären.“ Boris deutet auf seine Augen „das mit den Augen, zum Beispiel, ist kompliziert. War auch für mich völlig ungewohnt. Oder besser: Ist es noch. Wie soll ich sagen? Äh“ Boris stutzte „Naja. Ihr werdet es nicht glauben, aber ihr alle leuchtet wie verdammte Sonnen und das blendet unglaublich. Ich kann kaum hinsehen. Wenn ich die Augen schliesse oder nur auf die Füsse schaue, geht es. Und so langsam gewöhne ich mich daran und erkenne wieder Strukturen. Aber eben, nur langsam. Versteht ihr?"
Nachdenklich schüttelte Joret den Kopf "Sonnen?" "Stell dir vor, wie es ist, wenn du Schnee siehst. Anfangs siehst du gar nichts, alles nur weiss und grell. Bis sich die Augen daran gewöhnen und du die Strukturen darin wiedererkennen kannst." Joret begriff schon, was Boris meinte "Aber wozu soll das gut sein? Selbst wenn es so ist? Ein blinder Stadtmeister. So ein Blödsinn! Typisch Rupes!"
Schon seit Joret nach Steinwelten gekommen war, hatte ihn die rupianische Art und Weise gestört. Er war immer dafür, dass man neue Technologien ausprobiert. Nach besseren Lösungen in allen Belangen sucht. Sich Neuem nicht einfach verschliesst.
Als Hauptmann der Rotsandwachen und später auch als einer der Stadtherren Rotsands musste er unweigerlich mit der Nachbarstadt Rupes zusammenarbeiten. Und Rupes änderte sich nicht. Kein bisschen. Nie. Es wurden keine neuen Häuser gebaut, nur mager neue Technologien verwendet und die Regierung.... aus seiner Sicht in völlig desaströsem Zustand, eigentlich gar nicht vorhanden. Von Geheimnissen und Legenden umringt präsentierte sich ganz Rupien. Verschloss sich gegen aussen. ‚Unmöglich!’ fand er das. Ein Wunder, dass das funktionierte.
Aber ‚Bitte’.
Seiner Meinung nach würde diese Einstellung Rupiens eines Tages im Chaos enden oder bei einer Übernahme durch das Terra Sonnensystem.
Als er vom Ausrufen des Stadtmeisters erfahren hatte, war er erleichtert gewesen. ‚Endlich vernünftig geworden!’ hatte er gedacht. Mal abgesehen von der spektakulären Art und Weise, wie der Stadtmeister ernannt wurde. Und all die Geschichten, die sich um diese Person erzählt wurden.
Aber ‚Bitte’.
Dass es Boris war, kam dann mehr als überraschend. Er hätte erwartet, dass ihm Boris so etwas anvertraut hätte. Und dass sich die Rupianer einen Einheimischen aussuchen würden. Nichts gegen Boris, aber er war ein Zugezogener.
Aber ‚Bitte’.
Und nun sass er da, an diesem wunderschönen grossen uralten Holztisch, trank Tee mit Freunden. Eigentlich ein gemütlicher Moment. Aber diese unglaublichen Erzählungen! Er konnte und wollte es nicht glauben. Er hatte es gerne handfest, konkret und glaubhaft.
Er seufzte. Wie sollten sie sich so gegen das Terra Sonnensystem wehren?! Mit Märchen und Fantastereien!
Eine Hand legte sich auf seine Schultern. Fühlte sich warm an. Spendete auf der Stelle eine gewisse Geborgenheit und tat gut. Seine Zweifel blieben zwar, aber seine momentane Verzweiflung legte sich. Sein Inneres beruhigte sich.
Es war Boris Hand. „Ach Joret.“ sagte sein alter Freund ganz ruhig und führsorglich „Wie lange kennen wir uns schon? Vertraust du mir?“ Boris versuchte in Jorets Augen zu sehen. Da er sie aber nicht eindeutig in Jorets Gesicht ausmachen konnte, zielte er einfach so gut es ging, sah das Licht der Lebensenergie seines Freundes an. Joret dachte nach. Die Hand fühlte sich schon anders an, als eine gewöhnliche Berührung. Merkwürdig. Vielleicht war doch etwas daran, an Boris Geschichte?
„Ahh... Ich weiss nicht, Boris. So einfach ist es nicht. Ich meine, wir kennen uns wirklich schon lange. Ich studierte und anlaysierte dich als Feind und lernte dich schätzen als Freund. Und ich vertraue dir. Du spielst nie Spielchen. Es ist nur so unglaublich. Vor uns liegen ungewisse Zeiten und vor allem: Ein mächtiger Feind, dem wir nicht wirklich gewachsen sind. Nun kommst du mit solchen Fantastereien. Ich glaube nur, was ich sehe, dass weißt du.“
Boris nickte. „Das verstehe ich. Sehr gut sogar. Und wirklich geglaubt habe ich es bis vor zwei Tagen selbst nicht. Aber wer hat im Mittelalter auf der Erde schon geglaubt, dass die Menschen eines Tages auf fremden Planeten wohnen? Dass es noch andere gibt ausser uns? Die Wakaner, ein bisher ungelöstes Rätsel? Du fragst wozu das gut ist, ausser mir die Sicht zu nehmen. Ich kann es dir noch nicht sagen, weil ich es tatsächlich erst richtig zu benutzen und verstehen lernen muss. Und wie es funktioniert? Frag mich nicht. Die orangenen Augen vielleicht?“ Boris hob die Schultern „Jedenfalls sehe ich, dass dich deine rechte Schulter schmerzt und du vor Verspannungen im Nacken heftige Kopfschmerzen hast. Und Barra, bitte entschuldige, aber Barra hat Probleme mit den Nieren. Du solltest mehr Trinken, Barra. Wenn du schon nur noch eine hast.“
Joret blickte erstaunt zur noch erstaunteren Barra, die ebenso ihn und Boris ansah, dann aber nickte um die Richtigkeit zu bestätigen. „Das weiss nur meine Familie und mein Arzt, woher weißt du das?! Mit wem hast du gesprochen?“ wollte Barra wissen.
„Nein, Barra, ich sprach mit niemandem, ich sehe es einfach. Und ihr dürft es keinem verraten“ unvermittelt packte Boris mit beiden Händen Jorets Kopf, der reaktionsartig versuchte Boris Hände wegzunehmen, was nicht ging, denn Boris Kraft war enorm, Joret verstand nicht. Das war unmöglich!
Eine Hitze durchströmte Jorets Körper, konzentrierte sich wie ein Funke in seiner Schulter, dem Nacken und seinem Kopf. Er konnte absolut nichts dagegen tun. Es brannte einen Moment