Steintränen. Manja Gautschi
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Steintränen - Manja Gautschi страница 8
Unterdessen hatte Sven die Wundversorgung und Kontrolle des Beins beendet. Kam nun auf die andere Seite, wechselte die sterilen Handschuhe um den Blasenkatheter zu kontrollieren. Er hob die Decke an. „Muss das sein? Verflucht nochmal. Macht mich doch einfach los und erspart mir diese Demütigung. Verdammt!“ „Tut mir leid. Nein. Bis nach Seytang wird der Katheter wohl drinbleiben müssen. Aber ich könnte warten bis ihr sediert seid, dann würdet Ihr es nicht mitbekommen.“ „So eine Scheisse!“ Koron schloss die Augen, ballte die Fäuste und liess Sven seine Arbeit tun, denn die Vorstellung, man würde an ihm herumfummeln, während er betäubt ist, gefiel ihm noch weniger.
„An Tagen wie diesen bin ich froh, Arzt zu sein. Dass ich es mir leisten kann, an meinen Ansichten einfach festzuhalten. Es hat keine Konsequenzen. Nicht so wie Sie.“
Sven wechselte nun zur Infusion an der Hüfte, die er vorsichtig anfing zu entfernen. Tat verdammt weh! Koron biss die Zähne zusammen. Wollte aber doch wissen wozu das gewesen war. Und Sven erklärte „Ein Fremdkörper hatte eine Wunde bis auf den Knochen verursacht. Wir entfernten die übriggebliebenen Teile und applizierten für 48 Stunden direkt Antibiotika und Schmerzmittel an den verletzten Knochen. Von jetzt an sollte das, was Sie über die Infusion am Arm erhalten aber ausreichen. Sieht soweit alles gut aus.“
„Wenn ich mit euch kooperiere, dann wird das zu Ungunsten der Menschen von Steinwelten sein. Die werden darunter leiden müssen. Noch mehr Tote. Wollen Sie das wirklich? Als Arzt?“ argumentierte Koron. „Oder es hilft den Konflikt schneller zu beenden und es entstünde weniger Schaden. Auch eine Möglichkeit. Finden Sie nicht?“ „Ach Scheisse! Verdammte.“ gab Koron weitere Schimpfwörter zum Besten. Seine Situation war wirklich mies. Mieser am miesesten. Mal abgesehen von seiner persönlichen Misslage, hier festgebunden, auf diesem ScheissDreckskrankenbett, ausgeliefert und wehrlos sich an allen, sogar den intimsten Stellen, anfassen lassen zu müssen, war diese, von ihm geforderte, zu treffende Entscheidung die Wahl zwischen ‚beschissen’ und ‚beschissen’. Und das ohne die Möglichkeit es mit seinen Leuten besprechen zu können wie sonst. Diese perfiden Arschlöcher wussten genau, was sie taten.
Egal wie er sich entscheiden wird, er wird sich schlecht dabei fühlen und es wird gegen Freunde sein. Er wird es sich für den Rest seines Lebens nicht verzeihen können. Wird für den Rest seines Lebens mit niemandem darüber reden können. Eine schlimmere Bestrafung konnte er sich nicht vorstellen. Sein Hass auf das Terra Sonnensystem wuchs gleichermassen wie seine Angst vor seiner nahenden Zukunft.
4 - Glauben & Vertrauen - Boris & Joret
Als Stadtmeister von Rupes war es eine von Boris Aufgaben, die Dörfer und Städte Rupiens zu besuchen. Sich den Bürgermeistern, Stadträten, Gemeinderäten und so weiter vorzustellen. Wo es hatte, die alten verzierten Gebäude zu aktivieren und das weitere Vorgehen zu besprechen und erläutern.
Alle nach Rupes einzuladen um es allen gleichzeitig und nur einmal erklären zu müssen, wäre möglich gewesen, sicher, doch es hätte einerseits das Risiko in sich geborgen, gleich alle ‚Führer’ auf einmal ausschalten zu können und andererseits wären die vorhandenen Gebäude nicht aktiviert worden. Boris hätte die Ortschaften trotzdem besuchen müssen. Es standen also einige Reisen vor Boris. Sora und Esmar stellten dafür die entsprechenden Eskortwachen zusammen.
Während seiner Abwesenheit würde ihn Macto, einer der Schlüsselträger, in Rupes vertreten. Macto vom Gross war der bekannteste Metzger von Rupes. Er führte seine Metzgerei in der 5. Generation. So ziemlich alle kannten und respektierten ihn oder hatten vor seiner Wucht und Grösse schlicht Angst. Er würde Boris gut vertreten können. Tat es aber nur während Boris Abwesenheit, denn ansonsten arbeitete er weiter in seiner Metzgerei, da sei sein Platz. Er sei kein Politiker, hatte er gemeint, aber um für Ruhe und Ordnung in diesem ‚Sauladen’ zu sorgen, würde er sich zur Verfügung stellen. Hatte er lachend ergänzt, als er Boris seine Zusage für die Vertretung gegeben hatte.
Jürg Hüldrim, Zunftrat der Steintränensammler und ein weiterer Schlüsselträger war davon nicht begeistert. Er hätte es vorgezogen, jemanden mit mehr diplomatischem Feingefühl dafür einzusetzen. Jürg war an und für sich ein erfahrener Mann. Leitete er doch schon seit Jahren die Zunft der Steintränensammler. War allerdings oft nicht gleicher Meinung wie Boris. Hegte stets eine gewisse Ablehnung gegen ihn, denn Jürg war einer der wirklich eingefleischten Rupianer, die sich nur sehr schwer mit ‚Fremden’ einliessen.
Boris erinnerte sich noch an die heftige Ausseinandersetzung, als es um Maras Zulassung als Steintränensammlerin ging. Eine Fremde! Dazu eine Waise! Und dann noch eine Frau! Auf keinen Fall! Hiess es erst. Jürg willigte schlussendlich nur widerwillig ein, als Boris gemeint hatte, dass es Jürg eigentlich nur Recht sein könne, wenn Mara tatsächlich so ungeschickt sei. So würde ‚mir nichts, dir nichts’ eine ‚Fremde’ schnell den Tod finden. Sei Maras Problem.
Und, das musste Boris zugeben, die meisten Tränensammler hatten Mara und ihn zu dem Zeitpunkt bereits gekannt, gemocht und sich überzeugend für Mara ausgesprochen.
Trotzdem: Jürg war ein alter rupianischer Sturkopf!
Da sich Jürgs Büro ohnehin im Verwaltungsgebäude befand, war es naheliegend, dass ihn Boris nun gerne schnell und unkompliziert zu Rate zog. Schliesslich war Jürg ein sehr angesehener Zunftrat und Boris schätzte andere Meinungen immer, gab ihm andere Sichtweisen, an die er selbst vielleicht nicht gedacht hätte.
Jürg selbst hatte die Vertretung abgelehnt, er habe genug um die Ohren mit der Organisation der Sammler. Er organisierte und überwachte das Sammeln der Tränen vom Grossen Tränenstein, vermittelte Arbeitsstellen, kümmerte sich um die Tränenverteilung und Abgeltungen.
Seine erste Besuchsreise trat Boris in drei Tagen an. Die Reiseroute verlief entlang des grünen Flusses bis nach Colonia, der Meerstadt, wo der Fluss ins Meer mündet. Obwohl es flussabwärts mit dem Schiff schneller gehen würde, hatte man beschlossen, zu Pferde zu reisen. Man könne so schneller auf Unerwartetes reagieren, z.B. falls es nötig wäre, einen anderen Weg einschlagen. Und man wich so einem möglichen Angriff vom rotsander Ufer aus, denn dort funktionierte die Elektrizität noch.
„Mir ist nicht wohl dabei“ murrte Joret. Barra, Joret, Esmar, Sora, Macto, Jürg und Boris sassen im grossen Sitzungssaal im 1. Stock des Verwaltungsgebäudes bei einer Tasse Tee. Danach würden Barra und Joret zurück nach Rotsand reisen. „Kannst mir glauben, mir auch nicht“ meinte Boris und nahm einen Schluck. „Du solltest hierbleiben. Zumindest vorerst, bis wir wissen, was das Terra Sonnensystem vor hat.“ Boris sah Joret an „Du meinst die Reise?“ „Natürlich, was dachtest du denn.“ „Diese Ungewissheit. Nicht zu wissen was gehen wird. Die Reise ist da nicht das Problem.“ „Wir werden genügend Wachen mitschicken, Joret. Boris wird nichts geschehen.“ ergänzte Sora, die ihre Tasse in beiden Händen hielt.
„Wenn du schon nicht hierbleibst, wäre mir wohler, ich könnte euch wenigstens ein paar Leute von uns mitgeben. Du vergisst deine Entführung. Ein Anschlag auf den Stadtmeister wäre das Letzte, was wir jetzt gebrauchen könnten. Da stimmst du mir bestimmt zu, Barra, oder?“ er sah seine Kollegin an. „Ich stimme dir absolut zu, Joret. Aber wir benötigen unsere Leute in Rotsand selbst, falls ein Angriff auf Rotsand erfolgen sollte. Es ist ein Problem, dass wir keine Möglichkeit haben, miteinander zu kommunizieren, weil ganz Rupien ohne Elektrizität