Politische Rhetorik der Gewalt. Dr. Detlef Grieswelle

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Politische Rhetorik der Gewalt - Dr. Detlef Grieswelle

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Meyer nennt u. a. die Dominanz des Visuellen und die Ästhetisierung der Wirklichkeit durch eine Kultur der Bildlichkeit, die Selektions- und Präsentationsregeln der Medien in der Politikdarstellung, die Konzentration auf spektakuläre Ereignisse, die Theatralisierung als Inszenierung visueller Eindrücke (Body-Politik, Eventpolitik, Imagepolitik, symbolische Scheinhandlungen), die Mediokrität und den Infantilismus, die Oberflächlichkeit der Aussagen und das Fehlen eines befriedigenden Maßes an Informativität und Argumentativität.

      Dabei wird durchaus bezüglich der Medienmacht auch von Zwängen gesprochen, so vom Inszenierungsdruck auf die Politik und vom Meinungsdruck auf die politische Öffentlichkeit: „Ihre Zwänge und Möglichkeiten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Masseninklusion und Entpolitisierung des Politischen auf der einen Seite und neuen Möglichkeiten attraktiver Präsentation von Politik und individueller Teilhabe an politischer Öffentlichkeit auf der anderen“38. Der Zwang zeigt sich insbesondere darin, „dass auf den Bühnen und für die Bühnen der Massenmedien zunehmend nur noch das in Betracht kommt, was sich mit dem politischen und kulturellen Geschmack der nach unten offenen breitestmöglichen Schnittmenge der Gesellschaft verträgt, der wiederum durch seine triumphierende mediale Spiegelung bestätigt, bestärkt und durch die nötige Erhöhung der Dosis enthemmt wird“39. Meyer spricht vom Druck der Mediokrität im Sinne eines Drucks der Durchschnittsmeinungen und des durchschnittlichen Geschmacks. Er meint allerdings, dass die medialen Selektions- und Präsentationsregeln keinen determinierten Zusammenhang herstellten, so, dass sie die Aufnahme anderer Logiken und Gesichtspunkte prinzipiell ausschlössen. Die von Meyer angebotenen Möglichkeiten, den Zwängen der Medien zu entgehen, sind aber doch äußerst utopisch, mit wenig Chancen auf Umsetzung: intellektuell-aufklärerische Bürgerforen der Zivilgesellschaft (im Anschluss an Habermas); Veränderung des Mediensystems unter dem Zielwert der Angemessenheit im Hinblick auf Rhetorik und Theatralität; Stärkung der Verhandlung in wichtigen Institutionen wie Parteien, Regierungen, Ministerien etc. mit Schwerpunkt des Diskurses, der Argumentation, der Verständigung. Wie sollen mit solchen Ansätzen die vor allem auch ökonomisch bedingten Tendenzen wie Apodiktik, Dualismus der Aussagen, Freund-Feind-Verhältnisse, Konfliktdominanz, aggressive Moralisierung, Unterhaltung und Spektakel, Skandalisierung und Katastrophierung, Tabuisierung usf. in der medialen Welt begrenzt werden?

      Grundsätzlich ist Folgendes zu bemerken: Der Maßstab für die Bewertung der Deformierung der Politik – jedenfalls in Gestalt politischer Werbung – ist augenscheinlich viel zu streng: diskursive Erfahrung der sozialen Welt, rationale Verständigung, argumentative Präsentation von Politik, dialogisches Verständnis, Deliberation, Trennung der Ebenen der Herstellung von Politik und des Darstellungshandelns. Auch wenn es zumeist nur um ein angemessenes Mehr geht, so sind doch viele der von Meyer aufgeführten Erscheinungen wie Stereotypisierung, Inszenierung, Personalisierung, Ästhetisierung seit der klassischen Rhetorik integrale Bestandteile politischen Handelns und nicht erst Erscheinungen der modernen Mediengesellschaft, jedenfalls soweit es um politische Rhetorik in Demokratien vor einem Massenpublikum geht; persuasive Rhetorik bedient sich grundsätzlich solcher Mittel, allerdings verdienen die spezifischen Ausprägungen und Funktionen in der modernen Mediengesellschaft durchaus Beachtung. Die Rhetorik ist jedenfalls seit Aristoteles ein ganzheitlicher Ansatz, der alle wesentlichen Dimensionen zur Gewinnung von Glauben bei einem Publikum einschließt und auch für die Analyse neuerer Entwicklungen taugt.

      Auch das sog. Politainment40, also die Politik als Mischung von Information und Unterhaltung in den Medien, ist nicht völlig einseitig – wie so mancher intellektueller Kulturkritiker es tat – als Verfall zu deuten, im Sinne eines „großen Verblendungszusammenhangs“, als Vernachlässigung politischer Information, als Entpolitisierung durch Verlust der Deliberation, was in der Perspektive geschichtsphilosophischer und kulturkritischer Dekadenzbetrachtung als große Zerstörung, ja kollektive Gewalt wahrgenommen wird. Die politische Unterhaltungskultur zeichnet sich zwar vor allem aus durch Simplizität, Trivialität, Pointilisierung, Visualisierung, Personalisierung, Konflikthaftigkeit der Menschen und Vorstellungen, Erzeugung von Spaß und Spannung, spricht also zuvörderst emotionale Dimensionen an, aber sie hat zweifelsohne neben den negativen Auswirkungen speziell auf überzeugende Argumentation und Erläuterung komplizierter Sachverhalte auch positive: Gewinnung breiter Schichten der Bevölkerung für Politik und Reduzierung von Politikverdrossenheit, indem Politik sichtbar und sinnlich erfahrbar wird, Erzielung öffentlicher Aufmerksamkeit für politische Themen und Konstruktion politischer Vorstellungs- und Deutungsmuster, Vermittlung wichtiger Werte und Sinnverständnisse, die zur Konsensbildung und Integration der politischen Kultur beitragen, so vor allem im Bereich politischer Grundwerte und der Abgrenzung zu totalitären Ideologien.

      Andererseits ist insbesondere als negativ zu vermerken, dass Tendenzen verbreiteter politischer Korrektheit auf die Ausblendung von Normen, Werten und Einstellungen drängen, indem vor allem dominante Mehrheitsmeinungen im Medienangebot sind, eine große Unentschiedenheit bei der Vielfalt von Angeboten und das Prinzip der Beliebigkeit, des „Anything goes“, herrschen, nicht selten eine fast grenzenlose Toleranz gegenüber Mainstream-Meinungen bzw. der großen Vielfalt von Lebensstilen und Interessen, Werten etc. eingefordert wird, unter Ausblendung konterkarierender Kritik; schon allein die ökonomische Orientierung der Medien an Einschaltquoten, Verkaufszahlen, Werbeeinnahmen legt ein solches Verhalten nahe, neben der die Meinungsvielfalt bedrohenden Unterhaltungskultur. Die kritischen Schlagworte lauten: Zerstörung des Politischen durch Vermeidung überzeugender Argumentation und der Erläuterung komplizierter Sachverhalte, Zwang durch politische Korrektheit und Verschweigen von Meinungen, „Terror“ der auferlegten Vielfalt und Offenheit für alles, Rezeption im Modus des Konsums in der Erlebnisgesellschaft. Hier treffen sich linksintellektuelle und konservative Kulturkritik, die Bewusstseinsindustrie entfalte durchaus destruktive Wirkungen mit ihrer Unterhaltungskultur, der „Interpenetration von Show- und Polit-Business“ (Dörner)41, der Symbiose zwischen Politikern, Medienmachern und Publikum, dem emotionalen Zugang zur politischen Welt.

      Bei der Reflexion über politische Kultur und ihre Deformation wählt Erhard Eppler42 einen grundsätzlicheren, nämlich sprachkritischen Ansatz, indem er die Frage stellt, ob Sprache dem entgegenkommt, was den Erfordernissen und Aufgaben entspricht, vor allem in einer global ausgerichteten Risikogesellschaft, die sich nicht mehr so stark wie bisher von traditionellen Fortschrittsideen, Verwaltungsansätzen und dem Handeln in Stückwerksarbeit leiten lassen dürfe. Er beklagt insbesondere Mängel der Sprache an Präzision, Bildschärfe, Konkretheit, Differenzierung, Wirklichkeitsnähe, Verbindlichkeit, Ausdrucksstärke. Neue Handlungsnotwendigkeiten erforderten auch eine veränderte Sprache. Wandel der Herausforderungen und Wandel der Sprache bedingten sich wechselseitig. Eine Dominanz zu falschen Begriffsbesetzungen könnte dazu beitragen, den Druck auf die Politik, Kehrtwendungen vorzunehmen, zu reduzieren. Allerdings haben sich mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland in politischen Institutionen und bei der Bevölkerung zahlreiche ökologische Begriffe, Maßstäbe und Orientierungen herausgebildet, die sich aber leider häufig in einer apodiktischen, aggressiven, moralisierenden und auf Freund-Feind-Verhältnisse abstellenden und nicht verständigungsbereiten Sprache zeigen.

      Die zivilisatorische Entwicklung hin zu einer modernen Gesellschaft und freiheitlich-demokratischen Ordnung wäre ohne Einschränkung von Emotionen, ohne „Affektdämpfung“, ohne Bändigung von destruktiven Kräften wie Hass, Wut, Aggression, gerade auch in verbal-rhetorischer Form, nicht möglich gewesen. Hass gilt als das Zerstörende, das Extreme, das sich im äußeren und inneren „Staatsfeind“ verkörpert, der in demokratischer Ordnung zum einzigen Objekt legitimen Hasses werden darf. Hass als Extremform der Verneinung und Lust auf „Vernichtung“ des anderen gilt ansonsten als infam und unterliegt starker Tabuisierung, ebenso auch andere Regungen wie Rache, unkontrollierter Zorn; es findet sich kaum jemand, der solche Dispositionen zu verteidigen oder zu propagieren bereit wäre. Sie sind niedrige Instinkte, die bestenfalls hingenommen werden dürfen (müssen), wenn Verstöße gegen grundlegende Prinzipien und Ordnungen freiheitlicher Gesellschaft erfolgen.

      In extremen Ideologien finden sie jedoch Akzeptanz, ja sie werden geradezu eingefordert, zumeist für ausgegebene hohe und höchste Ziele wie Schutz von Volk und Nation, der Rasse, Klasse,

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