Politische Rhetorik der Gewalt. Dr. Detlef Grieswelle
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aggressiver Kampf für die eigenen „hehren“ Ziele und die eigene Sendung; nicht selten Vorstellung eines Kampfes auf Leben und Tod, Bereitschaft zu Opfern, um angebliche Angriffe abzuwehren und Verschwörungen wirksam zu begegnen;
Enthusiasmus für geradezu „heilige“ Zukunftsaufgaben, der „befreiten Nation“, der „Herrschaft der überlegenen Rasse“, der „klassenlosen Gesellschaft“, der „Umma“, eines Kalifats etc.
Die Stereotypen der Auseinandersetzung mit pluralistisch-demokratischen Systemen beziehen sich vor allem auf die Ablehnung parlamentarischer Prozesse, die den „Volkswillen“ verfälschten, auf „bürgerliche“ Demokraten, die im Interessenwirrwarr verantwortungsloser Repräsentanten das Gemeinwohl mit Füßen träten, auf Massenmedien, die die öffentliche Meinung manipulierten, auf eine Demokratie als Ausgeburt des Lasters, des Sittenverfalls, der kulturellen Dekadenz.
Allerdings bekennen sich extremistische Personen und Organisationen in demokratischer Ordnung, so sie große Zustimmung erfährt unter der Bevölkerung, in der Regel nicht offen zu ihren Einstellungen und wahren Absichten, sie verstecken vielmehr ihre Ziele hinter plakativen Parolen für die demokratische Verfassung und passen ihre Diktion demokratischen Formen und Formeln an. Insbesondere ist die offizielle Programmatik oft von politischer Mimikry geprägt, und vielfach tarnt man sich durch Mitwirkung und Einflussnahme in demokratischen Organisationen und Bewegungen.
Der Unkultur des politischen Extremismus zur Zerstörung des Grundkonsenses haben Demokraten mit einer Umgangs- und Kommunikationskultur zu begegnen, die abstellt auf die Bestimmtheit der eigenen Position, die kategorische Ablehnung extremistischen Denkens und einen klugen Umgang mit den Feinden der Demokratie. Welche Elemente sollten zu einer solchen Rhetorikkultur wehrhafter Demokraten hinzugehören? Hier seien einige wichtige Grundsätze genannt:
Kampf der Politik und großer gesellschaftlicher Institutionen und Organisationen gegen Missachtung, Verhöhnung und Zerstörung von Elementarwerten des Rechtsstaates und der Demokratie;
Verteidigung des grundsätzlich universellen Geltungsanspruchs der allgemeinen Grund- und Menschenrechte; Argumentation gegen falsche Demokratieverständnisse45;
Pflege lebendiger Geschichtserinnerung, insbesondere an Nationalsozialismus und Kommunismus in Deutschland, mit dem Ziel, jedwedem Extremismus Einhalt zu gebieten und die historisch begründete Verpflichtung zu vermitteln, den Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte zu gewährleisten;
Entlarvung demokratischer Mimikry extremer Gruppen in öffentlichem Verhalten und die Enttarnung extremistischen Handelns im Verborgenen;
Zurückweisung angeblicher edler Motive und Gedanken der Extremisten (Befreiung von Unterdrückung, Fundamentaldemokratisierung der Gesellschaft, Schutz der Umwelt, Sicherung des inneren und äußeren Friedens) und Herausstellung des blinden Hasses der Extremisten, ihrer Gewaltbereitschaft, ihrer Selbstüberschätzung, ihres Wahns, brutal Menschen opfern zu dürfen für eine angeblich gute Sache;
Bekämpfung aller Formen von Extremismus, sowohl von rechts wie von links, denn beiden Extremismen ist gemeinsam, dass sie wesentliche Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates in Frage stellen;
Ablehnung einer öffentlichen Diskussion über die Unterscheidung zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen; keine Nachsicht gegenüber jenen, die sich anmaßen, für sich und ihre Gewalt rechtsfreie Räume schaffen zu wollen;
Bekämpfung des Extremismus- und Gewaltvorwurfs gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat, der strukturelle Gewalt ausübe, gegen den ein Widerstandsrecht gegeben sei, da er „politische Gefangene“ halte und diese zu Opfern staatlicher Rache mache etc. „Dieser Staat brauchte und braucht wieder fast nichts so sehnsüchtig wie den 'Terror', den Schrecken. Er braucht ihn, um von seiner eigenen tagtäglichen Gewalt abzulenken“ (Jutta Ditfurth)46;
Vermeidung einer öffentlichen Diskussion (z. B. über Ausländer- und Asylpolitik), die Extremismus geradezu herausfordert und Extremisten in ihrem Denken bestärkt und dazu beiträgt, dass extremistische Personen und Gruppen sich nicht isoliert fühlen; zu denken ist hier vor allem an unsensible und hassfördernde Semantik, beispielsweise in Form pauschalisierender, verunglimpfender und dramatisierender Begriffe wie Asylanten, Wirtschaftsasylanten, Asyltouristen, Scheinasylanten, Asylschwemme, volles Boot47; weiterhin an unangemessene Euphemismen für moderne Gewalt wie beispielsweise Krawall, Ausschreitungen; an Instrumentalisierungen von vorhandenen Gewaltakten (z. B. gegen Asylbewerber und Ausländer schlechthin) für politische Forderungen (z. B. eine Reform des Asylrechts), aber auch an moralisierendes, bisweilen geradezu gesinnungsethisches Hintertreiben von notwendigen Reformen (z. B. im Asylrecht), was einen vernünftigen Diskurs unter Demokraten erschwert und zur Eindämmung von Extremismus und Gewalt nicht beiträgt;
bei aller Differenzierung nach der Identifikation mit dem Extremismus (zuschauender Biedermann mit gewissem Teil-Einverständnis gegenüber extremistischen Zielen und Aktionen, Protestmitglieder bzw. –wähler, mehr oder weniger zustimmende Sympathisanten bzw. Gruppenmitglieder, überzeugte Aktivisten, ideologische Brandstifter, Gewalttäter mit oder ohne ausgeprägte Ideologie) keine Relativierung der Gefahren extremistischen Denkens, sondern eindeutige Verurteilung des Extremismus und Werbung für alle grundlegenden Prinzipien rechtsstaatlich-demokratischer Verfassung;
Mut zur Sicht des Extremismusphänomens im Vergleich zu anderen westlichen Ländern, um Fehleinschätzungen zu vermeiden und Über- und Untertreibungen zu begegnen, wie sie ja im Anschluss an Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und Kommunismus nicht selten gegeben sind;
Aufklärung über wirkliche soziale Ursachen für Verunsicherungen und Ängste48 (wie z. B. Arbeitslosigkeit, Transformation im Osten Deutschlands, Zuwanderungen) und entschiedene Stellungnahme gegen falsche Sündenbockprojektionen;
ernsthafte Debatte über Rückzugstendenzen des Staates aus verschiedenen Verantwortungsbereichen als Ursache für Extremismus (Sozialstaat, innere Sicherheit, soziale Fürsorge, Jugendpolitik etc.);
bei aller Anerkennung sozialer Bedingungen für Extremismus (Arbeitslosigkeit und Armut, Bedrohtfühlen durch Zuwanderungen, Erziehungsdefizite in Familie und Schule, mangelhafte Vermittlung kultureller Standards und sozialer Tugenden wie Selbstdisziplin, Anerkennung von Regeln, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft im Gegensatz zu Ichbezogenheit und rücksichtslosem Durchsetzen) keine Akzeptanz dieser Faktoren als hinreichende Begründungen für Extremismus und Gewalt und deshalb keine Exkulpierung von Tätern, schon gar nicht eine größere Anteilnahme am Schicksal von Tätern als am Leiden der Opfer;
Herausstellen der Grenzen politischer Einflussnahme, weil die Beseitigung sozialer Mängel (wie Arbeitslosigkeit, geringe Freizeitangebote, zu wenig gute Lehrer und Sozialarbeiter usw.) häufig nicht ausreicht für eine erfolgreiche Bekämpfung des Extremismus; weil weiterhin ein ganzes Bündel von Faktoren als Ursachenkomplex für Extremismus sich politischer und gesellschaftlicher Steuerung weitgehend entzieht und weil last not least die Extremisten und Gewalttäter kaum noch ansprechbar sind, wenn bei ihnen eine Erosion moralischer Werte stattgefunden hat und tiefere Schichten der Humanität und des zivilen Verhaltens zerstört sind; Gewalt wird ja heute häufig proklamiert und ausgeübt ohne große Begründung, ohne besondere Ziele, sie genügt sich weitgehend selbst;
Forderung einer Begrenzung massenmedialer Gewaltdarstellung, weil diese verstärkend auf Gewaltbereitschaft wirken kann; bewegte Bilder entfalten oft ungleich emotionalere Kraft als Worte;
Appell an die Massenmedien, speziell das Fernsehen, sich bei der Präsentation extremistischer Gewalt zurückzuhalten, da öffentliche Aufmerksamkeit Täter, auch potenzielle