AUSNAHMEZUSTAND IM SCHLARAFFENLAND. Erhard Schümmelfeder

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AUSNAHMEZUSTAND IM SCHLARAFFENLAND - Erhard Schümmelfeder

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Sie werden doch nicht glauben, dass ich -«

      »Genau das glaube ich! - Ich habe Sie beobach­tet, mein Herr.«

      Ein Murren durchlief die neugierig geworde­nen Pas­sagiere, die verständlicherweise die Hälse zu recken begannen.

      »Ich bitte Sie, nicht so laut - «, versuchte Mr. Miller die Situation zu retten.

      »Ich schreie das ganze Flugzeug zusammen, wenn auch nur ein Cent aus meiner Börse fehlt!«, versprach die Dame mit einem drohenden Unterton.

      Sichtlich überrumpelt von dem erdrückenden Vor­wurf, fand Mr. Miller seine Beherrschung zurück. Fie­berhaft durchkramte die Dame unterdessen mit ihren beringten Fingern den Inhalt ihrer Ta­sche.

      »Nun«, fragte Mr. Miller, »fehlt etwas?«

      »Als ob Sie das nicht wüssten!«

      »Darf ich Ihnen vielleicht behilflich sein, meine Herr­schaften?« Das freundliche Gesicht der Stewar­dess war immerhin tröstlich in dieser misslichen La­ge.

      »Es fehlt der 100-Dollar-Schein!«, stieß die Da­me mit echt erscheinender Empörung hervor.

      »Offensichtlich ein Missverständnis«, vertei­digte Mr. Miller sich.

      »Kein Missverständnis. Das ist Diebstahl!«

      »Bitte, meine Herrschaften, beruhigen Sie sich.«

      »Ich verlange eine Untersuchung!«

      »Ich bitte darum«, sagte Mr. Miller, räusperte sich und rückte seine Krawatte zurecht. Das Ma­gazin hatte er erneut zu einer Keule zusammen­gerollt. Ei­ne peinli­che Situation wie diese hatte er bislang noch nie erlebt.

      »Ich kann Ihre Verstimmung verstehen«, sagte die Stewardess vermittelnd. An Mr. Miller gewandt, fügte sie hinzu: »In diesem Fall müsste eine Leibesvisi­tation durch die New Yorker Flughafenbehörde durchgeführt werden.«

      »Das will ich hoffen«, sagte Mr. Miller mit Nachdruck. »Diesen Vorwurf lasse ich nicht auf mir sit­zen!«

      »Hunder Dollar! Ich bin nur ganz kurz eingenickt.«

      Die ungerechte Anklage verlangte nach einer Konse­quenz.

      »Fräulein, ich bitte darum, mir einen anderen Sitzplatz zuzuweisen.«

      »Selbstverständlich, mein Herr.«

      Gedacht, gesagt, getan. An der Seite des Rotschopfes streckte Mr. Mil­ler kurz darauf die Beine aus und durchblätterte unter den argwöhnischen Blicken der erzürnten Dame sein Maga­zin, das ihm ihren Anblick für eine Weile ersparte.

      »Unsympathische alte Dame, nicht wahr?« Der Junge schob seinen Kopf an der Zeitschrift vor­bei und blickte Mr. Miller mit großen grünen Augen an.

      »Größter Vulkan der Welt?«, forschte Mr. Miller.

      »Krakatau«, antwortete der Junge.

      »Wir verstehen uns, nicht wahr?«

      »Kann schon sein.«

      »Hast du gehört, was mir vorgeworfen wird?«

      »Bin ja nicht taub.«

      »Sag mal, was hältst du von dieser Sache?«

      »Tracy heiße ich.«

      »Miller. Francis Miller.«

      »Der Autor von Die Ermordung meiner Frau«, tönte Tracy altklug.

      »Du hast doch nicht darin gelesen?«, fragte Mr. Miller erstaunt.

      »Nein. Aber meine Tante Betty. Sitzt zwei Rei­hen hinter uns.«

      »Und woher kennst du mich?«

      »Nur von dem Foto auf dem Buchumschlag.«

      »Aha. - Du, Tracy, ich stecke in der Klemme.«

      »Kann ich mir denken.«

      Zweitausend Fuß über dem Meer, an der Seite ei­nes sommersprossigen Verbündeten, dem er alles zu­traute, begriff Mr. Miller augenblick­lich, er müsse das Beste aus dieser vertrackten Lage machen.

      »Was jetzt?«, flüsterte er.

      »Keine Ahnung«, sagte der Junge unternehmungs­lustig.

      »Weißt du, was mich erwartet, wenn man mich in New York untersucht?«

      »Der elektrische Stuhl?«

      »Tracy, mach keine Witze. Ich frage dich als Mann: Bist du bereit, einem Leidensgenossen in einer schwie­rigen Lebenslage beizustehen?«

      »Kommt darauf an.«

      »Was heißt das?«

      »Nun, es muss für mich etwas dabei herausspringen.«

      »Guter Junge. Hast Recht. Im Leben gibt es nichts umsonst. - Aus dir wird mal ein tüchtiger Geschäftsmann«, musste Mr. Miller anerkennen.

      »Irrtum! Ich werde entweder ein Baseballspie­ler oder Detektiv.«

      »Lass uns ernst bleiben, Junge.«

      »Okay.«

      »Ich denke, es ist an der Zeit, einen Schlacht­plan zu entwerfen.«

      »Okay. Aber viel Zeit bleibt uns nicht bis zur Landung«, flü­sterte Tracy.

      »Brauchen wir auch nicht.«

      »Was hast du vor?«

      »Also, pass auf! Die Dame nebenan beobachtet mich, wie du siehst.«

      »Würde ich an ihrer Stelle auch tun.«

      »Du bittest mich jetzt laut und deutlich um die Zeit­schrift, ja?«

      »Ich kann aber nicht Deutsch lesen.«

      »Das dürfte wohl kaum eine Rolle spielen, Junge. - Du nimmst sie in beide Hände, hältst sie dir schräg vors Ge­sicht und blätterst darin. Hast du mich verstan­den?«

      »Na klar.«

      »Du schirmst mich ein klein wenig ab vor den Blic­ken der Dame, während ich auf den Knien einen kur­zen Brief schreibe. Okay?«

      »Schon verstanden.«

      »Dann los!«

      »Äh, Sir! Dürfte ich bitte Ihr Magazin lesen?« frag­te Tracy aufgeweckt.

      »Gern, Junge. Hier - Lesen bildet.«

      »Gut so?«

      »Sei still und lies.«

      Diesen

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