Kuerzlich in Asien. Stephan Rankl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kuerzlich in Asien - Stephan Rankl страница 11
Das Wetter spielt zwar nicht ganz mit, aber die Aussicht oben vom Pass ist schon gut. Der Muztagh Ata erhebt sich gleich neben der Straße. Der Berg ist zwar hoch, aber technisch nicht allzu schwer, weswegen er bei Bergsteigern recht beliebt ist. Vom Karakorum-Highway liegt das Basislager in Sichtweite. Mehr als zwei Stunden Fußmarsch wären es sicher nicht gewesen. Direkt vor uns zeigt sich der Kongur, ein weiteres gewaltiges Gebirgsmassiv, die Gipfel auch deutlich jenseits der 7000 Metermarke.
Nach jedem Aufstieg geht es wieder runter und nachdem wir seit Gilgit quasi nur bergauf treten mussten, genießen wir diese Abfahrt umso mehr. Amüsant sind zwei Schilder direkt nebeneinander am linken Straßenrand, beide mit „Turn left“ beschriftet. An sich ganz nett, international verständlich, aber nur auf einem Schild zeigen die Pfeile dann auch tatsächlich nach links. Das kann schon verwirrend sein und prompt scheint eine mit Motorrädern reisende Gruppe von Italienern auf Abwege geraten zu sein. Die Hauptpiste des Karakorum-Highway ist zwar hier soweit wiederhergestellt, aber für den Verkehr noch nicht freigegeben. Uns auf den Fahrrädern stört das wenig, die Italiener sind dagegen auf der ausgeschilderten Umgehung regelrecht versumpft. Die Motorräder stecken bis zum Sattel im Morast. Hilfsbereite Chinesen versuchen nun die Maschinen mit Lastwägen aus dem Morast zu befreien. Gerüchteweise sollen sie es auch geschafft haben, aber falls ihr mal vorbeikommt, wundert euch nicht über Motorradwracks im Dreck!
Eingeklemmt zwischen Muztagh Ata und Kongur liegt auf zirka 3700 Meter Höhe der Kara-Kul-See. Neben Kashgar das touristische Highlight weit und breit, wenn man die entsprechenden Reiseführer zu Rate zieht. Dementsprechend verirren sich hierher doch ein paar Leute, wodurch so was wie eine touristische Infrastruktur entstehen konnte. Nun gut, nicht übertreiben, man hat die Wahl zwischen einem chinesischen „Ressort“ und betonierten Yurten. Letztere sind den Behausungen der hier einheimischen Kirgisen nachempfunden, auch ein nomadisch veranlagtes Volk. Wir stehen also etwas ratlos vor der chinesischen Absteige und werden bald von Jungs in sehr brüchigem Englisch angesprochen, ob wir eine Unterkunft suchen.
„This chinese, this bad! Sleep in tent, follow me ...“
Okay überzeugt, mehr braucht es nicht, um systemkritische Touristen rumzukriegen. So stapfen wir den beiden über Wiesen hinter her. Von den Gesichtszügen her erinnern sie eher an Mongolen, aber mit arabischem Einschlag. Rundliche Gesichter mit sanften Zügen. So sehen also Kirgisen aus. Und wie eine echte kirgisische Yurte aussieht, dürfen wir auch bald erleben. Die steht malerisch in der Nähe des Sees. Vollkommen mit Tierfellen abgedeckt, darunter ein Holzgerüst, welches die Behausung stützt, das Ganze gut abgespannt. Es scheint in der Gegend öfters mal ziemlich windig zu sein. Für 30 Yuan, also umgerechnet drei Euro hätten wir mit der Familie in der Yurte übernachten können. Mal kurz durchgezählt, Vater, Mutter und zwei Kinder, dazu die Oma. Das gibt bei geschätzten sechs Metern Durchmessern nicht mehr allzu viel Privatsphäre. Wir bauen also unsere Hightech-Yurte aus der Schweiz gleich daneben auf. Was die Familie wohl von unserer Unterkunft denken mag? Ein bisschen klein vielleicht. Auf die Bewirtung wollen wir aber nicht verzichten, es gibt Reis und Kartoffeln. Einfach, aber sehr lecker! Gelegenheit, um die Einrichtung mal genauer zu begutachten. Auf dem gestampften Boden sind Teppiche ausgelegt. In der Mitte steht ein Kanonenofen, Abzugsrohr führt durch die Mitte des Zeltes nach außen. Holz wächst in dieser Höhe nicht viel, so werden vor allem Wurzeln und Sträucher verheizt. Aber auch mal Styropor, man ist da nicht wählerisch. An den Seitenwänden ist das wenige Hab und Gut aufgereiht und ich glaube es zunächst nicht, da steht tatsächlich eine Platte mit Solarzellen, dazu eine Batterie. Das Ganze dient dazu, eine kümmerliche Glühbirne an der Zeltdecke mit Saft zu versorgen. Das hätte ich jetzt so in einer kirgisischen Yurte nun nicht gerade erwartet. Moderne Zeiten, auch bei Nomaden. Die Existenz von Windeln hat sich jedoch bis hierher noch nicht herumgesprochen. Die Hose der zweijährigen Tochter ist an der entscheidenden Stelle einfach mit einem breiten Schlitz versehen. Ist wohl auch praktischer als ständig Windeln wechseln und waschen zu müssen. Für das Geschäft geht jung und alt sowieso nur auf die Wiese vor dem trauten Heim. Die Verständigung klappt leider nicht gut, die obligatorische Frage, ob wir verheiratet sind kapieren wir trotzdem. Unser heftiges Nicken als Reaktion erhellt die Gesichter deutlich.
Frühmorgens spaziert der Familienvater geschniegelt mit Aktentasche aus der Yurte zur Arbeit. Ein herrliches Bild! Schon faszinierend, wie hier jahrhundertealte Traditionen und die Errungenschaften der Neuzeit aufeinanderprallen! Wir lassen uns mit Buttertee und in Fett ausgebackenen Chapattis verköstigen. Hauptbestandteil des Tees ist, wie der Name sagt, Butter und zwar gesalzene. Hört sich nun nicht gerade einladend an, man muss das Ganze eher als Suppe ansehen und nicht als Tee, dann spielen auch die Geschmacksnerven wieder mit. Ungemein sättigend ist es allemal.
Wir starten zur nächsten Etappe durch den Wilden Westen Chinas. Und mit der sind unsere Aufstiegsmühen vorerst erledigt. Nachdem wir das gewaltige Kongurmassiv passiert haben, biegt die Straße in einen Canyon ein und von nun an geht es bergab. Zum Glück hat es die chinesische Teerfräse bis hierher noch nicht geschafft. Aus dem Tal faucht uns dafür ein stürmischer Gegenwind entgegen, aber die nächsten 40 Kilometer können wir unsere Räder trotzdem einfach nur rollen lassen. Fantastisch! Die Straße schlängelt sich eindrucksvoll an der Schluchtwand entlang gen Tal. Ein deutsches Radler-Pärchen hatte uns einen Zeltplatz in einem kleinen Wäldchen empfohlen. Clou hierbei, klares Wasser! Ansonsten sind die Flüsse dank Sedimenten immer noch schmutzigbraun. Was die Kollegen uns verschwiegen, das Wäldchen liegt quasi mitten in einem Dorf. So bekommen wir abends viel Besuch. Reden wollen sie mit uns nicht, sondern nur zuschauen. Nun gut, heute im TV, Camping-Kochstudio mit Rankl-Ebi. Der Benzinkocher fasziniert, ungeniert wird unsere gesamte Ausrüstung durchforstet und begutachtet. Bewährtes Hausmittel gegen allzu gründliches Auseinandernehmens unseres Hab und Guts, den Neugierigen eines unserer vielen Bücher in die Hand drücken. Darin enthaltene Bilder von ihrer eigenen Heimat kommen gut an. Wenn man eine so abgelegene Gegend sein Zuhause nennt, bekommt man wohl nicht viel Gelegenheit, etwas von der Welt ringsum zu sehen.
Ziemlich abrupt führt die Straße vom Pamir hinaus in die weiten Steppen Zentralasiens. Der Blick zurück, gigantisch! Über allem erheben sich die Eisriesen des Pamirs, darunter laufen die Berge in einem Farbenspiel ohne Gleichen zur Ebene hinaus. Vom blendenden Weiß der Gipfelregionen, über Felsgrau und den in den Tälern dominierenden Ockertönen mit grünen Wäldchen. Die Gegend ist sehr trocken, befinden wir uns doch nun am Rande der Taklamakan-Wüste, der zweitgrößten Sandwüste der Erde. Fern vom Meer und von Gebirgen eingerahmt, fällt hier nicht viel Regen. An den Randausläufern fließen große Flüsse von den Gebirgsgletschern zur Ebene hinaus. Die Menschen nutzen dieses kostbare Gut zur Bewässerung ihrer Felder, was aber auch nur im begrenzten Umfang möglich ist. Wie ein Strich führt der Karakorum-Highway über absolut flaches Gelände. Man kommt sich doch etwas verloren vor in der weiten Ebene. Steinwüste überwiegt, dazwischen aber auch viele kleine bewaldete Oasen mit Dörfern.
Dies ist die Heimat der Uiguren. Deren große Zeiten sind schon lange vorbei, im achten Jahrhundert waren sie und ihr Reich Ost-Turkestan die Großmacht im zentralasiatischen Bereich. Seither gerieten sie jedoch immer wieder unter die Herrschaft von fremden Mächten. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es Versuche den Staat Ost-Turkestan wieder zu beleben, aber auf dem Weg zu einem Besuch in Peking kam die gesamte Führungsschicht bei einem mysteriösen Flugzeugcrash ums Leben. Die Gebiete wurden daraufhin von den Chinesen (wieder) annektiert. Das Schicksal der Tibeter ist bei uns hinlänglich bekannt, den Uiguren erging es nicht besser. Die Benachteiligung dauert bis heute an, wichtige Ämter werden fast nur von Chinesen besetzt und so weiter und sofort. Das ganze Programm der Unterdrückung. Wie in Tibet versucht die Zentralregierung möglichst viele Han-Chinesen hier in der Provinz Xinjiang anzusiedeln, wie sie heute heißt, um