Kuerzlich in Asien. Stephan Rankl
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Auf dem Land merkt man hiervon als Fremder nicht viel. Wir kommen durch Upal, die erste größere Stadt seit Tashkurgan, welche uns mit einem großen Markt beeindruckt. Es gibt viel Obst und Gemüse, vor allem Wassermelonen. Wir wundern uns schon, wie dies alles bei dem trockenen Klima gedeihen kann. Wassermelonen kann man in dieser wüstenhaften Gegend als wahrlich paradiesische Frucht bezeichnen. Ausgedörrt wie wir sind, kommt uns diese unverhoffte Erfrischung doch sehr entgegen. Dominierendes Gefährt ist der Eselkarren, Autos sieht man kaum welche. An sich ist der Eselkarren das ursprünglichste aller geländegängigen Fahrzeuge. Zwei Holzräder, eine Deichsel, Brett darüber, Esel davor, fertig. Unglaublich was den kleinen Tieren alles an Lasten aufgebürdet wird. Auch längere Strecken werden damit zurückgelegt. Wir sind quasi nur am Überholen, verfügen damit doch eindeutig über mehr Eselpower auf dem Sattel.
Die Orientierung gestaltete sich bis hierher sehr einfach, es gibt ja nur die eine Straße. Jetzt an der ersten Kreuzung stehen wir doch etwas sehr dumm vor dem Schild mit den großen chinesischen Zeichen. So fühlen sich also Analphabeten. Da hilft nur Fragen weiter. Links geht es weiter. Kashgar entgegen. Das erste große Etappenziel! Nach 490 Kilometern und acht Etappen, die wir hierfür benötigten, abgesehen von der Busepisode am Khunjerab-Pass.
Kashgar ist seit jeher eine wichtige Station an der Seidenstraße, dieser uralten Handelsroute zwischen Asien und Europa. Erste Berichte von der Existenz der Seidenstraße stammen bereits aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Dabei handelte es sich nie um einen Weg, sondern vielmehr um ein weitverzweigtes Netz mit einigen wichtigen Hauptrouten. In der Oase Kashgar liefen schließlich die nördliche und südliche Route zur Umgehung der Taklamakan-Wüste wieder zusammen. Von hier splittete sich die Seidenstraße erneut auf. Ein Seitenarm führte über den relativ niedrigen Khunjerab-Pass nach Süden in Richtung indischer Subkontinent, der heutige Karakorum-Highway. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von Kasghar, als zentraler Knotenpunkt für Handel jeglicher Art. Nach einem Dornröschenschlaf während der finstersten Jahre des Kommunismus, bekommt die Stadt ihre Bedeutung durch den Bau des Karakorum-Highways und der Öffnung einiger Grenzen in der Region nun langsam wieder zurück. Wenn die Leute also eines können, dann muss das Handeln sein. Eine über 2000-jährige Erfahrung darin kann nicht jedermann vorweisen. Besonders berühmt ist daher der Sonntagsmarkt, an dem sich Händler aus nah und fern in der Stadt einfinden.
Wir haben also durchaus exotische Erwartungen, als wir in die Stadt einrollen. Der erste Eindruck fällt dann aber doch zunächst ernüchternd aus. Wieder bestimmen diese typisch chinesischen Betonklötze mit gesichtslosen Fassaden das Bild. Wir steuern das „Seman-Hotel“ an. Einst russische Botschaft, dient der weitläufige Bau nun als Unterkunft für Touristen. Der ganze Komplex wirkt auf den ersten Blick wie ein supertolles Luxushotel mit Pagen und allem drum und dran. Aber das Gebäude kann sein Alter nicht verbergen. Für chinesische Verhältnisse ist das Doppelzimmer für 160 Yuan schon teuer, aber verglichen mit den Preisen in Deutschland immer noch ein Schnäppchen. Wir verfrachten sofort ungeniert unsere dreckigen Räder in das Zimmer, was aber niemanden stört.
In Kashgar laufen all die großen Fernradrouten zusammen, von denen man daheim über Bücher gebeugt so träumt. Kirgisien, Karakorum-Highway und von der Mongolei kommend via Urumqi. Lauter großartige Routen und die Leute treffen sich alle im Seman-Hotel. Auch die ganzen Tibetfahrer sind hier, aber die geben sich eher leise. So auch wir. Man möchte nicht auffallen, keiner soll von den großen Plänen erfahren. Der Feind hört mit!
Wir treffen Paul wieder, der uns gleich etwas von tollen Peking-Enten mit knusperiger Haut vorschwärmt. Unvergleichlich meint er! Doch etwas ausgehungert ziehen wir sofort los. Weit kommen wir allerdings zunächst nicht. Im Stadtkern gibt es noch alte uigurische Viertel und die sind so orientalisch exotisch, wie man sich das nur vorstellen kann. Vorerst haben wir jedoch nur Augen für das Essen. Die Spezialität schlechthin sind „Kawap“, ein Kebab-Spieß mit Hammelfleisch. Vor dem Restaurant werden die Spieße auf einem offenen Grill zubereitet. Rauchschwaden ziehen durch die Straßen. In der Ecke hängt ein geschlachtetes Schaf, von dem die Fleischstücke direkt abgeschnitten werden und auf dem Grill landen. Man bestellt die gewünschte Anzahl der Spieße, Stückpreis unschlagbare ein Yuan. Dazu gibt es sehr leckeres uigurisches Brot, „Naan“ genannt, und Tee. Letzterer geht aufs Haus. Englisch spricht mal wieder keiner und so müssen wir uns mit Deuten behelfen. Paul kennt ein paar Brocken Türkisch, die hier tatsächlich verstanden werden.
Zur Tracht der Männer gehört eine quadratische Kappe mit Rautenmuster, sehr schön anzusehen. Der zentrale Platz mit der Idkah-Moschee wird gerade renoviert und man glaubt es kaum, nicht geschmacklos chinesisch sondern durchaus bemüht, der lokalen Kultur Rechnung zu tragen. Die Moschee steht hier seit 1442 und ist der zentrale Treffpunkt. Rundherum gibt es eine endlose Anzahl von Basaren, im Zentrum allerdings doch eher mit Augenmerk auf Touristen angelegt. Kleine, orientalisch verzierte Messer sind das Verkaufskulturgut Nummer Eins. Nur einmal unvorsichtig einen verstohlenen Blick auf die Auslagen geworfen, schon findet man sich mitten in einem Verkaufsgespräch wieder. Plötzlich werden auch ein paar Brocken Englisch hervorgekramt. Handeln ist wie überall im Orient Pflicht. Aber gegen 2000 Jahre Erfahrung können wir mit unserer Supermarktmentalität nicht wirklich anfeilschen. Zumal das Eröffnungsangebot eigentlich schon ein unschlagbares Schnäppchen darstellt. Aber so einfach ausnehmen lassen will man sich nun auch nicht und ist bemüht, dem entgegenzuwirken. Zuletzt verlassen wir den Laden mit einem schicken Messer und Kashmiri-Schals dazu. Der Verkäufer scheint zufrieden, wir sind es auch. Aber wir kommen nicht weit, in einem Miniladen wird an Ort und Stelle so eine Art Geige zurechtgeschnitzt. Wunderschön verziert und schon wieder nennen wir einen Preis. Zum Glück wollen wir von Kashgar sowieso das erste Paket nach Hause schicken, welches nun größer ausfällt, als gedacht.
Unsere Erfahrungen mit der chinesischen Post sind im Nachhinein außerordentlich gut. Billig und absolut zuverlässig! Es ging kein einziges Paket verloren. Wenn man sich vorstellt, das die von uns bevorzugte billigste Option wohl einen Kameltransport durch die Taklamakan-Wüste beinhaltet, schon eine Leistung.
Der Sonntagsmarkt von Kashgar, was für ein Gewusel! Hier gibt es wirklich alles zu kaufen. Wir fangen mit der Touristenhalle an, jede Menge chinesisches Zeug, politisch nicht korrekte Pelze, politisch korrekte Kleidung und viel, viel Krimskrams. Dazu dubiose chinesische Heilmittel aus Hörnern und weiß der Mao alles. In Einmachgläsern schwimmen eingelegte Frösche, Schlangen und anderes Getier.
Sonntagsmarkt scheint aber eigentlich jeden Tag zu sein und mal ehrlich, was würden die Leute auch sonst den Rest der Woche tun. Geld zählen? Also dann kann man sich auch auf den Markt hocken.
Der wahre Markt findet draußen auf der Straße statt. Viele Essensstände, Geschirr, Metallwaren, Metzger, für alles gibt es eigene Bereiche in den Basaren. Die Menschen machen Eindruck. Windgegerbte Gesichter, lange Bärte, Schleier. Uiguren, Chinesen, Pakistanis und wer weiß, was noch für Völker. All die Waren werden frühmorgens mit Eseln in die Stadt gekarrt. Der sonst für Autos vorgesehene Parkplatz ist vollgestellt mit hunderten von Eselkarren. Was für ein Bild! Insbesondere das Abschleppschild entbehrt mit all den Eseln darunter nicht unfreiwilliger Komik.
Das eigentliche Spektakel ist jedoch der vor den Toren der Stadt ausgelagerte Tiermarkt. Wir lassen uns von einem der vielen Tuk-Tuks dorthin transportieren. Kamel gefällig? Kein Problem, kann hier ersteigert werden. Zwischen all den Tieren sieht man die Männer vertieft in Fachgespräche, hier wird ernsthaft gehandelt. Als Tourist und damit ziemlich unwahrscheinlicher potentieller Käufer wird man nicht beachtet, weswegen dieser Markt ursprünglicher ist, als sein Pendant in der Innenstadt. Endlos viele Ziegen stehen an den Köpfen zusammengebunden aufgereiht. Ein Käufer versucht den gerade erstandenen Ochsen auf die Pritsche seines Lastwagens zu bewegen. Beide sind von der Prozedur nicht begeistert.