Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 64
»Hier ist mein Haus!« sagte die Schwalbe. »Aber es schickt sich nicht, daß Du mit darin wohnst; ich bin nicht so eingerichtet, daß Du damit zufrieden sein kannst; suche Dir nun selbst eine der prächtigsten Blumen, die da unten wachsen; dann will ich Dich hineinsetzen, und Du sollst es gut haben, wie Du es nur wünschest!«
»Das ist herrlich!« sagte sie und klatschte in die kleinen Hände.
Da lag eine große, weiße Marmorsäule, welche zu Boden gefallen und in drei Stücke zersprungen war: aber zwischen diesen wuchsen die schönsten großen, weißen Blumen. Die Schwalbe flog mit Däumelinchen herunter und setzte sie auf eine der breiten Blätter. Aber wie erstaunte diese! Da saß ein kleiner Mann mitten in der Blume, so weiß und durchsichtig, als wäre er von Glas; die niedlichste Goldkrone trug er auf dem Kopfe und die herrlichsten Flügel an den Schultern; er war selbst nicht größer als Däumelinchen. Es war der Blume Engel. In jeder Blume wohnte so ein kleiner Mann oder eine Frau; aber dieser war der König über alle.
»Gott, wie ist er schön!« flüsterte Däumelinchen der Schwalbe zu. Der kleine Prinz erschrak sehr über die Schwalbe, denn sie war ja gegen ihn, der so klein und fein war, ein Riesenvogel. Aber als er Däumelinchen erblickte, wurde er hoch erfreut; sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Deshalb nahm er seine Goldkrone vom Haupte und setzte sie ihr auf, fragte, wie sie heiße und ob sie seine Frau werden wolle; dann solle sie Königin über alle Blumen sein! Ja, das war freilich ein anderer Mann, als der Sohn der Kröte und der Maulwurf mit dem schwarzen Sammetpelze. Sie sagte deshalb »ja« zu dem herrlichen Prinzen, Und aus jeder Blume kam eine Dame und ein Herr, so niedlich, daß es eine Lust war; jeder brachte Däumelinchen ein Geschenk, aber das Beste von allen waren ein paar schone Flügel von einer großen, weißen Fliege, die wurden Däumelinchen am Rücken befestigt, und nun konnte sie auch von Blume zu Blume fliegen. Da gab es viele Freude, und die kleine Schwalbe saß oben in ihrem Neste und sollte das Hochzeitslied singen; das that sie denn auch, so gut sie konnte; im Herzen war sie doch betrübt, denn sie war Däumelinchen so gut, und hätte sich nie von ihr trennen mögen.
»Du sollst nicht Däumelinchen heißen!« sagte der Blumenengel zu ihr. »Das ist ein häßlicher Name und Du bist zu schön dazu. Wir wollen Dich Maja nennen.« »Lebe wohl, lebe wohl!« sagte die kleine Schwalbe mit schwerem Herzen und flog wieder fort von den warmen Ländern, weit weg nach Dänemark zurück. Dort hatte sie ein kleines Nest über dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann. Vor ihm sang sie »Quivit, quivit!« Daher wissen wir die ganze Geschichte.
Alles am rechten Platze.
Es ist länger denn hundert Jahre her!
Hinter dem Walde, am großen Landsee, lag das alte Herrenhaus; rings um dasselbe herum zogen sich tiefe Gräben, in welchen Schilf und Rohrbomben wuchsen. Dicht bei der Brücke am Einfahrtsthore stand ein alter Weidenbaum, der sich über das Schilf neigte.
Vom Hohlwege herauf ertönten Hörnerklang und Pferdegetrappel; deshalb beeilte sich das kleine Mädchen, das die Gänse hütete, diese von der Brücke wegzutreiben, bevor die ganze Jagdgesellschaft herangaloppirt käme; diese kam mit solcher Hast, daß das Mädchen, um nicht überritten zu werden, schnell auf einen der hohen Ecksteine an der Brücke sich stellen mußte. Halb noch ein Kind, war es fein und zart gebaut, hatte dabei einen gar lieben Ausdruck im Gesichte und zwei schöne, klare Augen; allein dafür hatte der gnädige Herr keinen Blick. Indem er an der kleinen Gänsehüterin vorbeisprengte, kehrte er die Peitsche in der Hand um, und in roher Lustigkeit stieß er sie dermaßen mit dem Stiel derselben vor die Brust, daß sie rücklings in den Graben fiel.
»Alles am rechten Platze!« rief er, »in die Pfütze mit Dir!« dabei lachte er laut auf, das sollte nun Witz heißen, und die Anderen stimmten mit ein; die ganze Gesellschaft schrie und lärmte, und die Jagdhunde bellten.
Das arme Mädchen ergriff glücklicherweise im Fallen einen der herabhängenden Zweige eines Weidenbaumes, vermöge dessen es sich über dem Sumpfe erhielt, und sobald die Herrschaft und die Hunde durch das Schloßthor verschwunden waren, versuchte das Mädchen sich empor zu arbeiten, aber der Zweig brach an der Krone ab, und es wäre rücklings in das Schilf gefallen, wenn nicht in demselben Augenblicke eine kräftige Hand es von oben herab ergriffen hätte. Es war die Hand eines Landhausirers; dieser war in einiger Entfernung Zeuge des Geschehenen gewesen, und eilte nun herbei, um Hilfe zu leisten.
»Alles am rechten Platze,« sagte er, dem gnädigen Herrn nachäffend, und zog das kleine Mädchen auf's Trockene; den abgebrochenen Zweig wollte er an der Stelle wieder anfügen, an welcher derselbe gebrochen war, aber »Alles am rechten Platze« – das geht doch nicht, und deshalb steckte er den Zweig in die weiche Erde. »Wachse und gedeihe, wenn Du es vermagst, und treibe ihnen dort am Herrenhofe eine tüchtige Flöte!« – sagte er, denn er gönnte dem gnädigen Herrn und dessen Sippschaft einen gehörigen Spießruthenmarsch. – Darauf begab er sich in's Schloß, doch nicht in den Ahnensaal, für diesen war er zu gering! – in die Gesindestube trat er ein, und die Knechte und Mägde beschauten seine Waaren und handelten; oben von der herrschaftlichen Tafel schallte es schreiend und lärmend herab, es sollte singen heißen; sie thaten ihr Bestes. Lautes Gelächter und Hundegeheul drang durch die offenen Fenster heraus; dort oben war Schmausen und Schwelgen; Wein und altes starkes Bier schäumten in den Gläsern und Krügen, und die Leibhunde fraßen mit der Herrschaft; dann und wann wurde eine dieser Bestien von den Junkern geküßt, nachdem man ihr mit dem Behänge die Schnauze abgewischt hatte. Den Hausirer ließ man heraufholen, aber nur um Scherz mit ihm zu treiben. Der Wein war in die Köpfe gestiegen, der Verstand herausgeflogen. Sie gossen ihm Bier in einen Strumpf, daß er mittrinken könne, aber schnell! das sollte nun Witz sein und gab Veranlassung zum Gelächter. Ganze Viehtriften, Bauern und Bauerhöfe wurden auf eine Karte gesetzt und verspielt.
»Alles am rechten Platze!« sagte der Hausirer, als er endlich wieder wohlbehalten aus Sodom und Gomorrha heraus war, wie er es nannte. »Die offene Landstraße ist mein rechter Platz, dort oben war es mir nicht wohl.« Das kleine Mädchen, das die Gänse hütete, nickte ihm freundlich zu, als er durch's Gehege schritt.
Tage und Wochen verstrichen, und es zeigte sich, daß der abgebrochene Weidenzweig, den der Hausirer am Schloßgraben in die Erde gesteckt, immer frisch und grün blieb, ja sogar junge Zweige trieb; das kleine Gänsemädchen sah, daß der Zweig Wurzel geschlagen habe und freute sich recht herzlich darüber; der Baum, so meinte es, sei nun sein Baum.
Ja mit dem Baume ging es vorwärts, aber mit allem Andern auf dem Hofe ging es durch Gelage und Spiel gar sehr rückwärts; sind diese doch zwei Rollen, auf denen Niemand sicher steht.
Es waren keine sechs Jahre verstrichen, als der gnädige Herr, ein armer Mann am Bettelstabe, von Haus und Hof wanderte, und der Herrensitz von einem reichen Krämer gekauft wurde; und dieser war gerade derselbe, der dort zum Spott und Gelächter gedient, dem man Bier in einen Strumpf eingeschenkt hatte; aber Ehrlichkeit und Betriebsamkeit geben guten Fahrwind, und jetzt war der Krämer Herr des Rittergutes. Von dieser Stunde an wurde aber kein Kartenspiel mehr dort geduldet: »Es ist eine böse Lectüre,« sagte er; »als der Teufel zum ersten Mal die Bibel sah, wollte er derselben ein Zerrbild gegenüber stellen, und erfand das Kartenspiel!«
Der neue Gutsherr nahm sich ein Weib, und wen nahm er? – das kleine Gänsemädchen, das stets gut und fromm geblieben, und in den neuen Kleidern so fein und schön aussah, als wäre es eine vornehme Jungfrau. Und wie geschah das Alles? – Das ist eine zu lange Geschichte in unserer geschäftigen Zeit, aber es geschah