Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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die Rede des Predigersohns; dieselbe war ein wenig lang, aber unterdessen war denn auch die Flöte geschnitten.

      Auf dem Hofe war große Gesellschaft; viele Gaste aus der Umgegend und der Hauptstadt; viele Damen geschmackvoll und geschmacklos gekleidet; der große Saal war ganz voll von Menschen. Die Prediger aus der Umgegend standen ehrerbietigst aneinander gedrückt in einer Ecke, es sah aus, als sei hier ein Begräbniß, es war aber ein Freudenfest, nur daß die Freude noch nicht im Gange war.

      Ein großes Concert sollte aufgeführt werden, und deshalb hatte der kleine Baron auch seine Weidenflöte mit hereingebracht, aber er konnte keinen Ton hervorbringen, und Papa auch nicht, und darum taugte die Flöte nichts.

      Es gab Musik und Gesang von der Art, welche Diejenigen am meisten erfreut, die sie ausführen; sonst ganz allerliebst!

      »Sie sind ein Virtuos?« sagte ein Cavalier, der Sohn seines Vaters; »Sie blasen die Flöte, Sie verfertigen sie selbst; das ist das Genie, das herrscht – dem gebührt der Ehrenplatz!« – »Gott bewahre! Ich schreite immer mit der Zeit fort, das muß man schon!« »Nicht wahr, Sie werden uns Alle durch das kleine Instrument entzücken?« Und mit diesen Worten reichte er dem Predigersohne die Flöte, die aus dem Weidenbaume, der unten an dem Tümpel wuchs, geschnitten war, und verkündete laut, daß der Hauslehrer ein Solo auf dieser Flöte vortragen wolle.

      Man wollte ihn zum Besten haben, das war leicht einzusehen, und der Hauslehrer wollte darum auch nicht blasen, obgleich er es wohl konnte; doch man drang in ihn, man bestürmte ihn, und endlich nahm er die Flöte und setzte sie an die Lippen.

      Das war eine wunderbare Flöte; ein Ton, so anhaltend, wie er von der Dampflocomotive klingt, ja weit stärker, ertönte und erscholl über Hof, Garten und Wald, meilenweit ins Land hinaus, und gleichzeitig mit dem Tone kam ein Sturmwind heran, der da brauste: »Alles am rechten Platze!« – und dabei flog Papa wie vom Winde getragen aus dem Saale und geraden Wegs in die Behausung des Schäfers, und der Schäfer flog – nicht in den Saal, dorthin konnte er nicht kommen, nein, in das Zimmer der Dienerschaft, unter die feinen Bedienten hinauf, die dort in seidenen Strümpfen umherstolzirten; und die hochmüthigen Diener waren wie von der Gicht gelähmt, daß eine solche Person es wagen dürfe, sich mit ihnen zu Tische zu setzen.

      Aber in der Halle flog die junge Baronesse an den Ehrenplatz der Tafel hinauf, dahin, wo zu sitzen sie würdig war, und der Predigersohn erhielt seinen Sitz neben ihr, und dort saßen sie Beide, als seien sie ein Brautpaar. Ein alter Graf aus einer der ältesten Familien des Landes blieb unangetastet auf seinem Ehrenplatze; denn die Flöte war gerecht, und das muß man sein. Der witzige Cavalier, welcher Schuld an dein Flötenspiele und seiner Eltern Kind war, flog kopfüber in den Hühnerstall, aber nicht allein.

      Eine ganze Meile ins Land hinaus ertönte die Flöte, und man vernahm große Ereignisse. Eine reiche Banquiersfamilie, die mit Vieren dahinfuhr, wurde aus dem Wagen geblasen und konnte nicht einmal hinten auf demselben Platz finden; zwei reiche Bauern, die in unserer Zeit über ihr eigenes Kornfeld emporgeschossen waren, wurden in den Graben geschleudert; es war eine gefährliche Flöte; glücklicherweise zersprang sie bei dem ersten Tone, und das war gut, denn darauf wurde sie wieder in die Tasche gesteckt: »Alles am rechten Platze!«

      Tags darauf sprach man kein Wort Von diesem Ereignisse, – daher die Redensart: »Die Flöte einstecken!« Alles war auch wieder in gewohnter Ordnung, nur daß die beiden alten Bilder, der Krämer und das Gänsemädchen, im Festsaale hingen, dort an die Wand waren sie hinaufgeblasen, und da einer der wirklichen Kunstkenner sagte, sie seien von Meisterhand gemalt, so blieben sie auch hängen und wurden restaurirt. »Alles am rechten Platze!« und dahin wird es auch kommen! Die Ewigkeit ist lang, länger als diese Geschichte!

      Es war einmal ein kleines Mädchen, fein und niedlich! Aber im Sommer mußte sie immer mit bloßen Füßen gehen, denn sie war arm, und im Winter mit großen Holzschuhen, so daß die kleine Spanne roth wurde, und zwar ganz und gar.

      Mitten im Dorfe wohnte eine alte Schuhmachersfrau; die saß und nähte, so gut sie konnte, aus alten, rothen Tuchstreifen ein Paar kleine Schuhe; sie waren plump, aber es war gut gemeint; die sollte das kleine Mädchen haben. Dieses hieß Karen.

      An dem Tage, als ihre Mutter begraben wurde, erhielt sie die rothen Schuhe und hatte sie zum ersten Male an. Freilich war es nichts, um damit zu trauern; aber sie hatte keine anderen, und daher steckte sie die bloßen Füße hinein und ging hinter dem ärmlichen Sarge her.

      Da kam ein großer, alter Wagen, und darin saß eine alte Dame; die betrachtete das kleine Mädchen und fühlte Mitleid mit ihr und sagte zum Prediger: »Hört, gebt mir das kleine Mädchen, dann werde ich mich ihrer annehmen!«

      Und Karen glaubte, das geschähe Alles nur der rothen Schuhe wegen; aber die alte Dame meinte, die seien abscheulich; und sie wurden verbrannt. Aber Karen selbst wurde rein und nett angezogen; sie mußte lesen und nähen lernen und die Leute sagten, sie sei niedlich. Der Spiegel aber sagte: »Du bist mehr als niedlich; Du bist schön!«

      Da reiste die Königin einst durch das Land und hatte ihre kleine Tochter bei sich: die war eine Prinzessin. Die Leute strömten nach dem Schlosse hin, und unter ihnen war Karen denn auch, und die kleine Prinzessin stand in feinen, weißen Kleidern in einem Fenster und ließ sich anstaunen. Sie hatte weder Schleppe, noch Goldkrone, aber herrliche, rothe Saffianschuhe; die waren freilich schöner als die, welche die Schuhmachersfrau der kleinen Karen genäht hatte. Nichts in der Welt kann doch mit rothen Schuhen verglichen werden!

      Nun war Karen so alt, daß sie eingesegnet werden sollte; sie bekam neue Kleider, und neue Schuhe sollte sie auch haben. Der reiche Schuhmacher in der Stadt nahm Maß zu ihrem kleinen Fuße; das geschah zu Hause in seinem eigenen Zimmer, da standen große Glasschränke mit niedlichen Schuhen und blanken Stiefeln. Das sah allerliebst aus, aber die alte Dame konnte nicht gut sehen, deshalb hatte sie kein Vergnügen daran Mitten unter den Schuhen standen ein Paar rothe, wie die, welche die Prinzessin getragen hatte. Wie schön waren die! Der Schuhmacher sagte auch, daß sie für ein Grafenkind gemacht seien: sie hatten aber nicht gepaßt.

      »Das ist wohl Glanzleder?« fragte die alte Dame. »Sie glänzen so!«

      »Ja, sie glänzen!« sagte Karen; sie paßten und wurden gekauft. Aber die alte Dame wußte nichts davon, daß sie roth waren, denn sie hätte Karen nie erlaubt, in rothen Schuhen zur Einsegnung zu gehen; aber das that sie nun.

      Alle Menschen betrachteten ihre Füße. Und als sie zur Chorthüre über die Kirchthürschwelle hinschritt, kam es ihr vor, als wenn selbst die alten Bilder auf den Grabmälern, die Portraits von Predigern und Predigerfrauen mit steifen Kragen und langen, schwarzen Kleidern die Augen auf ihre rothen Schuhe hefteten. Und nur an diese dachte sie, als der Prediger seine Hand auf ihr Haupt legte und von der heiligen Taufe, vom Bunde mit Gott, und daß sie nun eine erwachsene Christin sein sollte, sprach. Die Orgel rauschte feierlich, die hübschen Kinderstimmen sangen und der alte Cantor sang; aber Karen dachte nur an die rothen Schuhe.

      Am Nachmittage erfuhr die alte Dame von allen Menschen, daß die Schuhe roth gewesen; und sie sagte, daß es häßlich wäre, daß es sich nicht passe, und daß Karen später, wenn sie zur Kirche ginge, immer mit schwarzen Schuhen gehen sollte, selbst wenn sie alt seien.

      Am nächsten Sonntage war Abendmahl. Und Karen betrachtete die schwarzen Schuhe, besah die rothen – besah sie wieder und – zog die rothen an.

      Es war herrlicher Sonnenschein; Karen und die alte Dame gingen den Fußsteig durch das Korn entlang; da stäubte es ein Wenig.

      An der Kirchthüre stand ein alter Invalide mit einem Krückstocke

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