Religionen – ausgedient und überflüssig. Josef Müller
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Dass die Geschichte von Lilith nicht Bestandteil der Bibel werden konnte, ist klar. Für ein Weib, welches aufbegehrte, welches sich dem Manne widersetzte und sogar Ansprüche auf Gleichberechtigung stellte, war hier kein Platz. So wird Lilith auch nur ein einziges Mal in der Bibel erwähnt – natürlich negativ. Im Buch Jesaja heißt es in einer die Verwüstung des Landes Edom schildernden prophetischen Rede, dass auf seinen Ruinen Tiere und andere Wesen hausen werden – darunter auch Lilith:
„Und Wüstentiere treffen mit wilden Hunden zusammen, und Böcke begegnen einander; ja, dort rastet die Lilith und findet einen Ruheplatz für sich.“ (Jesaja 34, 14)
Zurück zum ersten Menschen und seiner biblischen Hilfskraft. Adam und Eva hatten das große Los gezogen. Sie lebten im Paradies, in einem Land, in dem alles im Überfluss vorhanden war, in dem sie keine Kleidung benötigten und in dem die Produktion von Milch und Honig nicht von Kühen und Bienen abhängig war, da im Garten Eden ganze Bäche mit derart nahrhaften Flüssigkeiten gefüllt waren. Kurz, die Nackedeis hatten alles, was das Herz begehrte, und sie brauchten nichts dafür zu tun. Die einzige von Gott auferlegte Bedingung für ihr unbeschwertes und sorgenfreies Leben war, dass sie auf gar keinen Fall die Äpfel eines ganz bestimmten Baumes essen durften.
Nun sollte man meinen, dass diese unbedeutende Einschränkung angesichts des Überflusses an weiteren köstlichen Nahrungsmitteln leicht zu beachten gewesen wäre. Aber – weit gefehlt! Vielleicht hatte Gott für die Herstellung des Weibes bei Adam die falsche Rippe ausgewählt, oder er kannte sich damals einfach noch nicht mit den nur in den seltensten Fällen vorhersehbaren Reaktionen von Frauen aus. Jedenfalls lief die Sache total aus dem Ruder. Eva, das dumme Luder, fiel doch tatsächlich auf die Überredungskünste einer Schlange herein!
Zu ihrer Entlastung könnte man allerdings anführen, dass sie damals natürlich noch nicht wissen konnte, dass sich hinter der Schlange (die zu dieser Zeit übrigens noch richtige Beine hatte) der abgefeimte Beelzebub persönlich verbarg.
Gott der Allmächtige hatte offensichtlich nicht nur bei Luzifer, sondern auch bei der Fabrikation der Frau geschludert. Ihm war wiederum ein zwar kleiner, dafür aber gentechnisch betrachtet umso bedeutsamerer Fehler unterlaufen: Die aus Adams Rippe Erschaffene war neugierig – woran sich bis heute ja auch nicht viel geändert hat.
Jedenfalls vertraute Eva auf die listigen Worte der Schlange, pflückte, ohne groß nachzudenken, den Apfel von dem verbotenen Baum und veranlasste ihren Lebensgefährten, die Frucht gemeinsam mit ihr zu vertilgen.
Gott war außer sich! Wie konnten sie es wagen? Die Strafe folgte auf dem Fuß: Adam und Eva wurden auf der Stelle aus dem Garten Eden vertrieben und mit der herrlichen Bequemlichkeit war es ein für alle Mal vorbei. Von Stund an hatte Eva die Leiden der Kindsgeburt zu ertragen und Adam musste zwecks Nahrungssicherung harte und mühselige Arbeiten auf dem Acker verrichten. Dass er das wohl einigermaßen unbeschadet überstanden hat, lässt die biblische Überlieferung vermuten, demgemäß er immerhin neunhundertdreißig Jahre alt wurde.
„Und Adam lebte hundertdreißig Jahre und zeugte einen Sohn in seinem Gleichnis, nach seinem Bilde, und gab ihm den Namen Seth. Und die Tage Adams, nachdem er Seth gezeugt hatte, waren achthundert Jahre, und er zeugte Söhne und Töchter. Und alle Tage Adams, die er lebte, waren neunhundertdreißig Jahre, und er starb. (1. Mose 5, 3-5)
Gott bestrafte das erste Menschenpaar also überaus drakonisch, wenn man bedenkt, dass es ihm nur einen Apfel entwendet hatte. Die Schlange, die seines Erachtens an der ganzen Misere eine gehörige Portion Mitschuld trug, bekam auch ihr Fett weg. Er beraubte sie ihrer Beine – was aus rein optischen Gründen aber eher eine Verbesserung darstellte.
Damit sollte es eigentlich genug sein, aber der von den Menschen erfundene Gott war sehr nachtragend und äußerst rachsüchtig. Wenn James Ussher Recht hatte und die Erde 4004 v. Chr. entstanden ist, muss Gott wohl sehr lange darüber nachgedacht haben, wie er die Schuld des ersten Menschenpaares sühnen könnte. Erst nach mehr als viertausend Jahren quälender und verzweifelter Suche, zeichnete sich langsam die rettende Lösung des Konflikts ab.
Den vor langer Zeit von Adam und Eva begangenen Frevel einfach zu vergeben, kam für ihn natürlich nicht infrage. Also gelangte er zu der Überzeugung, dass die endgültige Tilgung dieser menschlichen Ursünde, die ihm tausende Jahre schlafloser Nächte bereitet hatte, nur machbar sei, wenn möglichst ein Mitglied seiner eigenen Familie hingerichtet würde – sinnvollerweise durch die seinerzeit von ihm selbst aufwändig modellierten menschlichen Geschöpfe. Die göttliche Idee war jedoch wider Erwarten nicht so richtig ausgereift, denn – eine eigene Familie hatte der Allmächtige leider nicht. Er konnte weder auf Vater und Mutter noch auf Geschwister oder eigene Kinder zurückblicken, und zu allem Überfluss war er auch noch Single. Wie sollte unter diesen Voraussetzungen ein Familienmitglied für die fürchterlichen Vergehen des ersten Menschenpaares einstehen? Die Lösung dieses Dilemmas war aber schnell gefunden: Um den Obstdiebstahl ungeachtet dessen wieder aus der Welt schaffen zu können, wollte Gott nunmehr höchstpersönlich mit einer menschlichen Jungfrau einen Sohn zeugen, der später für das ungeheuerliche, verabscheuungswürdige und über alle Maßen entsetzlich schreckliche Apfelklau-Verbrechen unsäglich büßen sollte.
Davon, dass ein omnipotenter Gott sich zwecks Fortpflanzung explizit einer menschlichen Jungfrau bedienen musste, war ja eigentlich nicht unbedingt auszugehen. Möglicherweise hatte den Allmächtigen aber die von ihm selbst erfundene „technische Ausführung“ der Reproduktion, die bekanntermaßen bei sämtlichen von ihm geschaffenen Kreaturen auf begeisterte Zustimmung stieß, so inspiriert, dass er sie unbedingt persönlich ausprobieren wollte. Natürlich könnte ihm aber auch der Lehm für die Herstellung einer neuerlichen Schablone ausgegangen sein.
Das Bußkonzept jedenfalls war im Nachhinein betrachtet einfach brillant – auf so etwas muss man erst einmal kommen! Irgendein Dieb klaut einem Großgrundbesitzer einen Apfel, und zur Strafe dafür lässt der Eigentümer der Obstplantage seinen eigenen Sohn umbringen. Das ist überragend! Eine derart souveräne Inspiration ist einfach genial, erfrischend innovativ und eindeutig kaum zu übertreffen. Es gehört haufenweise logisches Denkvermögen und unglaublich viel Sachverstand dazu, einen kleinen Dieb mehr oder weniger unbestraft zu lassen und stattdessen ein Mitglied seiner eigenen Familie zu massakrieren. Auch wenn sich diese seltsame Logik nicht jedem erschließt, sind religiöse Fanatiker seit nunmehr ca. zweitausend Jahren bereit, dieses mit Sicherheit nicht göttliche, sondern eher bodenlos teuflische Verhalten vorbehaltlos gutzuheißen – auch wenn die damalige Aktion an Abartigkeit und Perversion kaum zu überbieten ist.
Aber auch das reichte Gott noch nicht aus. Um den Effekt zu verstärken, sollte der über alles geliebte Sohn vor Vollstreckung der Todesstrafe auch noch möglichst brutal und bestialisch gefoltert werden. Und so kam es dann auch, aber darüber später mehr.
Es mutet höchst seltsam an, dass Gott damals auf die naheliegende Idee, Adam und Eva als Verursacher des unfassbaren Verbrechens kurzerhand zu liquidieren und sodann ein neues Menschenpaar zu schaffen, einfach nicht gekommen ist. Wäre das nicht einleuchtender und gerechter gewesen, als vor ca. zweitausend Jahren ausgerechnet auf unserem Mückenschiss von Planeten einen menschlichen Sohn zu zeugen, ihn dann als halluzinierenden Frömmler durch die Lande zu schicken und ihn anschließend ans Kreuz nageln zu lassen?
Zu der Zeit, als die Genesis niedergeschrieben wurde, bestand für die Menschen die Welt nur aus dem von ihnen besiedelten Land, dem Wasser in Flüssen und Meeren, den Pflanzen und Tieren des Wassers, des Landes und der Luft sowie den großen und den kleinen