mit Machen. Hermann Brünjes
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Soll deshalb niemand sagen, es sei leicht, mit der Anrede Jesu umzugehen. Manchmal fließen Tränen, manchmal gibt es unglaubliche Widerstände, manchmal schlaflose Nächte, endlose Diskussionen und am Ende manchmal wieder Tränen. Der Freiraum, in den Jesus uns stellt, ist auch der, dies alles auszuhalten.
Übrigens: Solche »Kairos«-Momente gibt es nicht nur zu Beginn des Glaubens, beim Hören eines ersten Rufes des Auferstandenen. Sie wiederholen sich ständig. Und immer fordern sie mich heraus: Der Moment, als ich höre, ein Bekannter liegt im Krankenhaus. Besuche ich ihn oder nicht? Die Situation beim Feuerwehrball als jemand erzählt, dass er arbeitslos geworden ist. Höre ich ihm zu und nehme mir Zeit oder drängt es mich auf die Tanzfläche oder an die Theke? Die angekündigte Friedensdemo. Plane ich die Anreise oder überlasse ich anderen, sich politisch zu äußern? Die Bitte um Spenden für ein Patenkind. Fülle ich die Zusage aus oder überlasse ich das lieber anderen? Die Einladung zu einer kirchlichen Veranstaltung. Gehe ich oder nicht?
Immer wieder gibt es Situationen, die so einen »Kairos« in sich tragen. Sie sind Freiräume, Jesu Ruf zu ergreifen.
3. Jedes »Ja« ist auch ein »Nein«
Wir haben es schon geahnt (und gefürchtet?). Entscheidung für etwas bedeutet immer auch eine Entscheidung gegen etwas. Ein »Ja« beinhaltet zugleich ein »Nein«.
Wenn ich heirate, sage ich »Ja« zu meinem Partner bzw. meiner Partnerin. Meine alten Freundinnen und Freunde mögen mir noch nahestehen – aber eben nicht in Tisch- und Bettgemeinschaft als Geliebte. Wenn ich umziehe, werde ich vermutlich ein paar Beziehungen weiterpflegen. Aber so richtig ankommen werde ich im neuen Wohnort erst, wenn ich ganz und gar dort eintauche. Da ist es wichtig, das Alte wirklich hinter sich zu lassen. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um wirkliche Wendepunkte im Leben handelt. Mein »Ja« zum Neuen ist auch ein »Nein« zum Alten. Um wirklich anzukommen, will ich, ja muss ich, das Vorherige hinter mir lassen.
Für den Glauben und die Nachfolge Jesu gilt das ganz besonders. Es fällt auf, dass die gerade Gerufenen jeweils etwas hinter sich lassen. Lesen Sie nur einmal die kurze Passage der Jüngerberufung im Evangelium des Markus (Mk. 1,14-16).
Die Brüder Simon und Andreas hören Jesu Ruf und verlassen daraufhin ihre Netze. Jakobus und Johannes, ebenfalls Brüder, verlassen ihren Vater Zebedäus.
Auf uns wirkt solche Konsequenz nicht nur fremd, sondern sie erscheint vielen von uns geradezu fanatisch. »Übertreib es nicht!«, hat meine Mutter oft zu mir gesagt. Seinen Beruf an den Nagel hängen und nicht mehr Fischer sein, sondern »Menschenfischer« (Lk. 5,10), das war doch nun wirklich übertrieben! Ich vermute, die Reaktionen auf die Konsequenz der Fischer damals ähnelten jenen, denen auch ich mich stellen musste, als ich meinen Beruf als Speditionskaufmann aufgab und in eine theologische Ausbildung ging. Mein Vater meinte, als ich wieder einmal kein Geld für ein neues Auto hatte, dass ich als Speditionskaufmann längst einen flotten BMW fahren würde. Aus seiner Sicht hatte es sich nicht gelohnt, das alles aufzugeben.
Ich sehe das anders. Simon, später Petrus genannt, ganz sicher auch. Wir zwei wissen ja, was man gewinnt, wenn man sein Leben an Jesus Christus hängt. Die Liste jener großartigen Erfahrungen, Dinge und Menschen, die Gott einem sozusagen erstattet, ist viel, viel länger als jenes, was man um der Nachfolge Jesu willen aufgibt (Mt. 19,27).
Interessant: Jesus fordert die Jünger hier nicht direkt auf, dies oder jenes zu verlassen. Dennoch geht es nicht anders. Entweder ihm nachfolgen – oder ...
Ja, oder was, oder? Wir kriegen es doch gut hin, alles zu behalten. Auch wenn wir Christen sind, auch wenn wir uns engagiert für Jesus einsetzen: Wir leben mehr oder weniger geborgen in unseren Familien, gehen unserem mehr oder weniger Traumberuf nach, freuen uns über mehr oder weniger gute Gehälter, leben in meist schönen Wohnungen ... Von wegen, Nachfolge ohne Loslassen geht nicht und ein »Ja« zu Jesus schließt immer auch ein »Nein« mit ein. Unser Umgang mit dem Glauben beweist das Gegenteil. Christsein funktioniert auch ohne Loslassen – oder?
Ich bin vom Gegenteil überzeug: Dem Ruf Jesu zu folgen, bedeutet immer und immer wieder neu auch ein »Nein« zu jenem, was uns davon abhält und uns hindert, konsequent Christ zu sein.
Allerdings geht es jetzt keineswegs um ein Prinzip. Dies mag manchmal so erscheinen. Aus Prinzip muss man alles lassen, was vorher war: Den Beruf, die Familie, die Gewohnheiten, die schönen Dinge des Lebens, die Sicherheiten ... dies wäre sozusagen ein mönchischer Weg. Alles Irdische wird aufgegeben, um Jesus konsequent nachzufolgen.
In den Berufungsgeschichten entdecke ich etwas anderes. Die Gerufenen verlassen zwar alles, um ganz praktisch und damals ja auch physisch mit Jesus zu gehen – aber ganz spezielle Bindungen werden jeweils hervorgehoben.
Simon und Andreas verließen ihre Netze (Mk. 1,18). Auch sie haben sich von ihrer Familie getrennt, um ganz und gar für Jesus da zu sein. Erwähnt wird jedoch nicht ihre Familie, sondern der Beruf. Ihn und ihre Netze und Boote um Jesu Willen hinter sich zu lassen, war ganz offensichtlich ihre besondere und spezielle Herausforderung.
Die Söhne des Zebedäus haben ebenfalls ihre Boote und Netze verlassen. Für sie jedoch war eher das Verlassen ihres Vaters und ihrer Familie mit der gesamten Hofgemeinschaft (Mk. 1,20) die eigentliche Herausforderung.
Es werden also jeweils verschiedene Dinge losgelassen und es geht nicht um einen Generalverzicht aus Prinzip.
Gut wird dies auch in der Geschichte vom »Reichen Jüngling« (Mt. 19,16-22) deutlich. Dieser Mann sucht das Leben in seiner Fülle – aber er ist nicht bereit, seinen Reichtum herzugeben. Sein »wunder Punkt« ist das Geld und sein Besitz. Dies um Jesu willen aufzugeben, ist er nicht willens.
Ich fasse zusammen: Nicht im Prinzip des Loslassens, sondern in der Hinkehr zu Christus liegt das Heil, das Leben. Aber gerade diese Hinkehr bedeutet immer auch die Abkehr von jenem, was mich an der Nachfolge Jesu hindert. Was dies ist, kann man nicht pauschal beantworten, sondern das werden Sie selbst für sich herausfinden müssen. Nein, das wissen Sie jetzt vermutlich bereits sozusagen intuitiv. Jetzt wird es deshalb sehr konkret und bleibt nicht mehr eine bloße Theorie.
✪Stimmt meine Vermutung? Sie wissen oder ahnen bereits, was Sie eigentlich aufgeben müssten ...? Wenn ja, dann sagen Sie Gott im Gebet, was konkret Ihnen einfällt. Und ziehen Sie die Konsequenzen.
Simon, Andreas und manch andere geben ihren Beruf auf. Johannes, Jakobus und unzählige nach ihnen kappen die Abhängigkeit von ihrem Vater und ihrer Familie. Jemand wirft seinen Fernseher aus dem Fenster, ein anderer verkauft sein tolles Auto oder macht keine Flugreisen mehr. Jemand schichtet sein Geld um und investiert es sinnvoll in Hilfsprogramme oder soziale Projekte. Wieder jemand anders gibt eine Beziehung auf oder einen Freundeskreis und widmet sich fortan einem missionarischen Dienst ...
Ihnen allen ist nicht gemeinsam, worum es sich handelt und was sie aufgeben, lassen oder sogar bekämpfen. Gemeinsam ist ihnen, dass ihnen ihr Glaube und der Gehorsam Gott gegenüber wichtiger sind als alles andere.
4. Verweigerung mit Konsequenzen
Wenn jemand sehr wohl weiß, dass jetzt sein »Kairos« ist und er oder sie tun sollten, was dran ist – aber sie tun es nicht, verweigern sich oder kommen nicht zu