Nostromo. Joseph Conrad

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Nostromo - Joseph Conrad

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sprachen schließlich kaum noch von etwas andrem als der Mine. Er jammerte über die Ungerechtigkeit, die Verfolgung, den Schimpf; er füllte ganze Seiten mit der Aufzählung der unseligen Folgen, die sich von jedem Gesichtspunkte aus dem Besitz der Mine ergaben, mit allerlei trüben Schlußfolgerungen, mit Worten des Grauens vor der anscheinend ewigen Dauer des Fluchs; denn die Konzession war ihm und seinen Nachkommen für immer zugesichert worden. Er beschwor seinen Sohn, niemals nach Costaguana zurückzukehren, niemals einen Anspruch auf sein Erbe zu erheben, weil der Fluch der niederträchtigen Konzession darauf lastete; keinen Heller davon anzurühren, gar keine Anstalten dazu zu machen; zu vergessen, daß es ein Amerika gab, und in Europa eine kaufmännische Laufbahn zu ergreifen; und jeder Brief schloß mit bitteren Selbstvorwürfen, weil er, der Vater, zu lange in dieser Höhle von Dieben, Schurken und Räubern verweilt habe.

      Sich wiederholt sagen zu lassen, daß infolge des Besitzes einer Silbermine die eigene Zukunft vernichtet ist, bedeutet im Alter von vierzehn Jahren kein allzu einschneidendes Erlebnis, wenigstens nicht in bezug auf den Hauptteil der Feststellung; in der Form aber liegt doch ein gewisser Anreiz zu verwunderter Aufmerksamkeit. Im Laufe der Zeit begann der Junge, neben der anfänglichen Bestürzung über die ärgerlichen Jeremiaden und dem ehrlichen Mitleid für den Vater, die Sache in all den freien Augenblicken zu überdenken, die ihm Spiel und Arbeit ließen. Innerhalb eines Jahres etwa hatte er aus dem gewissenhaften Lesen der Briefe die endgültige Überzeugung gewonnen, daß es in der Sulacoprovinz der Republik Costaguana, wo der arme Onkel Harry vor vielen Jahren von Soldaten erschossen worden war, eine Silbermine gab. In enger Verbindung mit dieser Mine gab es auch etwas, das die »unbillige Gould-Konzession« genannt wurde, offenbar auf dem Papier geschrieben, das sein Vater dringend »zerreißen« und Präsidenten, Mitgliedern des Gerichtshofs und Staatsministern »ins Gesicht werfen« wollte; und dieser Wunsch hielt an, obwohl die Namen der Leute, wie der Junge bemerkte, selten durch ein ganzes Jahr dieselben blieben. Der Wunsch (da ja die ganze Sache unbillig war) erschien dem Jungen durchaus natürlich, obwohl er den Grund, warum sie so unbillig war, nicht einsehen konnte. Späterhin, mit wachsender Weisheit, kam er dazu, die reine Wahrheit der Sache aus dem phantastischen Beiwerk des Alten vom Meere, der Vampire und Ghouls herauszuschälen, das dem Briefstil seines Vaters den prickelnden Reiz eines schaurigen Märchens aus Tausendundeiner Nacht gegeben hatte. Und schließlich gelangte der zum Mann heranwachsende Junge zu einer gleich engen Vertrautheit mit der San Tomé-Mine wie der alte Mann selbst, der jenseits des Weltmeers diese klagereichen und wütenden Briefe schrieb. Man hatte ihn bereits mehrmals schwere Geldstrafen zahlen lassen, weil er es unterließ, die Mine in Betrieb zu nehmen, berichtete er; abgesehen von anderen Summen, die ihm als Anzahlung auf künftige Staatsanteile erpreßt worden waren, mit der Begründung, daß ein Mann mit einer so wertvollen Konzession in der Tasche der Regierung der Republik eine Geldhilfe nicht versagen dürfte. Die Reste seines Vermögens flögen gegen wertlose Quittungen davon, schrieb er wütend, während er allgemein als Mann bezeichnet wurde, der es verstanden habe, aus der Notlage seines Landes ungeheure Vorteile für sich herauszuschlagen. Und der junge Mann in Europa empfand stetig wachsende Anteilnahme für eine Sache, die einen solchen Wust von Worten und Leidenschaft hervorzurufen vermochte.

      Er dachte jeden Tag daran, doch ohne Bitterkeit. Es konnte für seinen armen Vater wohl ein unglückliches Geschäft sein, und die ganze Geschichte warf ein eigentümliches Licht auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Costaguana. Die Ansicht, die er sich bildete, schloß bei allem Mitgefühl mit dem Vater die ruhige Überlegung nicht aus. Seine persönlichen Gefühle waren nicht verletzt worden, und es ist ja schwer, die richtige, dauerhafte Entrüstung für die körperlichen oder geistigen Nöte eines anderen Wesens aufzubringen, und wäre dies andere Wesen auch der leibhaftige Vater. Als er sein zwanzigstes Jahr erreicht hatte, da war auch Charles Gould seinerseits dem Bann der San Tomé-Mine verfallen. Doch es war eine andere Art von Verzauberung, die seiner Jugend besser entsprach und neben der sich Hoffnung, Kraft und Selbstvertrauen behaupten konnten, an Stelle der müden Entrüstung und Verzweiflung. Nach seinem zwanzigsten Jahre sich selbst überlassen (bis auf die strenge Weisung, nicht nach Costaguana zurückzukehren), hatte er seine Studien in Belgien und Frankreich in der Absicht fortgesetzt, die Diplom-Prüfung als Bergingenieur zu machen. Doch diese wissenschaftliche Seite seiner Arbeiten stand ihm verschwommen und unvollständig vor Augen. Minen hatten für ihn dramatische Bedeutung gewonnen. Er studierte ihre Eigentümlichkeiten von rein persönlichem Gesichtspunkte aus, so wie jemand die menschlichen Charaktere zu studieren vermöchte. Er besuchte sie mit der Neugierde, die man beim Besuch berühmter Persönlichkeiten empfinden mag. Er besuchte Minen in Deutschland, Spanien und Cornwall. Aufgelassene Betriebe zogen ihn besonders an. Ihre Verlassenheit ging ihm zu Herzen, wie der Anblick menschlichen Elends, dessen Ursachen so verschiedenartig und tiefgründig sind. Sie konnten wertlos gewesen, sie konnten aber auch nur mißverstanden worden sein. Seine künftige Frau entdeckte als erste und wohl auch einzige dieses geheime Empfinden, das die stark gefühlsmäßige, fast stumme Einstellung dieses Mannes auf die dingliche Welt beherrschte. Und sofort fand ihre Neigung zu ihm, die mit ausgebreiteten Fittichen wie einer der Vögel geruht hatte, die von ebener Fläche schwer auffliegen können, den erhabenen Punkt, von dem aus sie sich in die Himmel aufzuschwingen vermochte.

      Sie hatten einander in Italien kennengelernt, wo die künftige Frau Gould mit einer alten, blassen Tante lebte, die lange Jahre zuvor einen ältlichen, verarmten italienischen Marchese geheiratet hatte. Sie trauerte nun um den Mann, der es verstanden hatte, sein Leben dem Kampf für die Unabhängigkeit und Einheit seines Landes zu weihen und in seiner Freigebigkeit so überschwenglich zu sein wie einer der Jüngsten, die für die gleiche Sache fielen; für die Sache, unter deren Überbleibsel auch der alte Giorgio Viola zählte – so wie nach einer siegreichen Seeschlacht eine zerbrochene Spiere unbeachtet davontreiben mag. Die Marchesa, nonnenhaft in ihren schwarzen Gewändern, mit dem weißen Band über der Stirne, fühlte ein stilles, abgeschiedenes Dasein in einem Winkel im ersten Stock des alten, verfallenen Palastes, dessen große, leere Hallen zu ebener Erde, unter gemalten Decken, Getreide, Hühner und sogar Vieh zusammen mit der ganzen Familie des Pächters beherbergten.

      Die beiden jungen Leute hatten sich in Lucca getroffen. Nach diesem Zusammentreffen besuchte Charles Gould keine Minen mehr, obwohl sie einmal zusammen im Wagen zu ein paar Marmorbrüchen hinausfuhren, wo die Arbeit insofern an Bergbau erinnerte, als sie auch darin bestand, die wertvollen Rohstoffe der Erde zu entreißen. Charles Gould erschloß ihr sein Herz nicht in wohlgesetzter Rede. Er fuhr einfach mit seinem Denken und Tun in ihrer Gegenwart fort. Hierin liegt die wahre Aufrichtigkeit. Eine seiner häufigen Bemerkungen war: »Ich denke mir manchmal, daß der arme Vater eine falsche Ansicht über diese San-Tomé-Sache hat.« Und sie erörterten diese Ansicht lange und eingehend, als hätten sie über den halben Erdball weg einen Dritten damit beeinflussen können; in Wirklichkeit aber erörterten sie sie, weil sich die Liebe in jeden Gegenstand einzuschleichen und noch in weitentlegenen Gesprächen zu leben vermag. Aus diesem natürlichen Grund waren diese Gespräche der Frau Gould während ihrer Verlobungszeit lieb. Charles fürchtete, daß Herr Gould, der Vater, seine Kräfte vergeudete und mit den fortwährenden Anstrengungen, die Konzession loszuwerden, seine Gesundheit untergrub. »Ich glaube fast, daß dies nicht die rechte Art ist, in der die Sache angefaßt werden sollte«, grübelte er laut vor sich hin, wie im Selbstgespräch. Und wenn sie ein offenes Erstaunen darüber äußerte, daß ein Mann von Charakter seine Tatkraft an Winkelzüge und Durchstechereien wenden sollte, da pflegte Charles Gould mit verständnisvollem Eingehen auf ihre Verwunderung zu erwidern: »Du darfst nicht vergessen, daß er dort drüben geboren ist.«

      Sie machte sich mit ihrem raschen Verstand daran, das auszudenken, und gab dann, vielleicht nicht ganz folgerichtig, eine Antwort, die er aber als durchaus vernünftig gelten ließ, weil sie es ja tatsächlich auch war: »Nun gut, und du? Auch du bist drüben geboren.«

      Er war um die Entgegnung nicht verlegen:

      »Das ist etwas andres. Ich bin zehn Jahre weg gewesen. Vater hat nie eine so lange Ruhepause gehabt; und es ist nun mehr als dreißig Jahre her.«

      Sie war die erste, der gegenüber er die Lippen öffnete, nachdem er die Nachricht von seines Vaters Tod erhalten hatte.

      »Es

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