Erinnerungen aus galanter Zeit. Giacomo Casanova
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Ich antwortete mit sehr ernster Miene, das es ihm freistehe zu wählen und auch andre Anordnungen zu treffen. Diese Antwort brachte die eine Dame zum Lachen, gerade die, welche mir am besten gefiel, und ich hielt dies für eine gute Vorbedeutung. In den gleichgültigen Gesprächen, welche beim Abendessen geführt wurden, fand ich Anstand, Geist und feine Sitte. Das machte mich neugierig. Nach dem Abendessen begab ich mich hinunter und fragte unsern Fuhrmann, wer die Reisenden wären. Der Herr, sagte er, ist Advokat, und die eine der beiden Damen ist seine Gemahlin, aber ich weiß nicht welche. Als ich wieder zurückgekehrt war, hatte ich die Höflichkeit, mich zuerst zu Bett zu legen, um den Damen die Freiheit zu lassen, sich bequem auskleiden zu können, und am Morgen stand ich zuerst auf, ging weg und kam erst wieder, als ich zum Frühstück gerufen wurde. Wir hatten ausgezeichneten Kaffee, welchen ich sehr rühmte, und die hübscheste versprach mir ebensolchen für die ganze Reise. Nach dem Frühstück kam ein Barbier, und der Advokat ließ sich rasieren; der Schalk bot auch mir seine Dienste an, ich aber sagte ihm, daß ich seiner nicht bedürfe, worauf er sich mit der Bemerkung entfernte, daß der Bart eine Unreinlichkeit sei. Als wir im Wagen saßen, äußerte der Advokat, fast alle Barbiere wären frech.
»Es fragt sich«, sagte die Schöne, »ob der Bart eine Unreinlichkeit sei oder nicht.«
»Ja«, sagte der Advokat, »denn er ist ein Exkrement.«
»Das ist möglich«, versetzte ich, »aber man betrachtet ihn nicht als solches. Nennt man die Haare welche man so sehr pflegt und welche derselben Art sind, wohl ein Exkrement? Im Gegenteil, man bewundert ihre Schönheit und Länge.«
»Also«, sagte die Zwischenrednerin, »ist der Barbier ein einfältiger Mensch.«
»Aber«, fragte ich, »habe ich denn einen Bart?«
»Ich glaubte es«, erwiderte sie.
»In diesem Falle werde ich mich in Rom rasieren lassen, denn es ist das erstemal, daß mir dieser Vorwurf gemacht wird.«
»Nein, liebe Frau«, sagte der Advokat, »du hättest schweigen sollen, denn es ist möglich, daß der Herr nach Rom geht, um Kapuziner zu werden.«
Dieser Einfall brachte mich zum Lachen; da ich ihm aber nicht die Antwort schuldig bleiben wollte, so sagte ich, er habe recht, aber die Lust sei mir vergangen, seitdem ich Madame gesehen.
»Sie haben unrecht«, entgegnete der muntere Neapolitaner, »denn meine Frau liebt sehr die Kapuziner, und wenn Sie ihr gefallen wollen, brauchen Sie Ihren Beruf nicht zu ändern.«
Da diese spaßhaften Plaudereien zu vielen andern Anlaß gaben, so verging uns der Tag auf eine angenehme Weise, und am Abend entschädigte uns eine mannigfaltige und geistreiche Unterhaltung für das schlechte Abendessen, welches man uns in Garillano vorsetzte. Meine entstehende Neigung wuchs durch die zuvorkommenden Manieren derer, die sie hervorgerufen hatten. Am folgenden Tage fragte mich die liebenswürdige Dame, sobald wir den Wagen bestiegen hatten, ob ich mich vor der Rückkehr einige Zeit in Rom aufzuhalten gedächte. Ich antwortete ihr, daß ich mich zu langweilen fürchtete, da ich niemand kenne.
»Man liebt in Rom die Fremden, und ich bin sicher, daß Sie sich daselbst gefallen werden.«
»Ich darf also hoffen, Madame, daß Sie mir erlauben werden, Ihnen die Cour zu machen.«
»Sie würden uns eine Ehre erweisen«, sagte der Advokat. Meine Augen waren auf seine reizende Frau gerichtet, und ich sah sie erröten, tat aber so, als ob ich es nicht merkte. Unter fortwährendem Geplauder verging uns dieser Tag auf eine ebenso angenehme Weise wie der vorige. Wir übernachteten in Terracina, wo man uns ein Zimmer mit drei Betten gab, zwei engen und einem breiteren in der Mitte. Es war natürlich, daß die beiden Schwestern zusammen schliefen und sich in das große Bett legten, während der Advokat und ich ihnen den Rücken zudrehten und weiter plauderten. Sobald die Damen sich zu Bette gelegt hatten, begab sich auch der Advokat in sein Bett, auf welchem er seine Nachtmütze liegen sah, und ich mich in das andere, welches nur einen Fuß breit von dem großen Bette entfernt war. Ich sah, daß der Gegenstand, der mich schon fesselte, auf meiner Seite lag, und ich glaubte mir ohne Eitelkeit einbilden zu können, daß der Zufall allein dies nicht so gefügt hätte. Ich löschte das Licht aus und legte mich nieder, in meinem Kopfe einen Plan herumwälzend, welchen ich weder zu befolgen noch zu verwerfen wagte. Vergeblich rief ich den Schlaf herbei. Ein sehr schwacher Lichtschimmer, welcher mir das Bett, in welchem das reizende Weib lag, zu sehen erlaubte, zwang mich, die Augen offen zu halten. Wer weiß, wozu ich mich entschlossen haben würde, denn ich kämpfte seit einer Stunde, als ich sie aufrichten, sachte aus ihrem Bette schlüpfen, um dieses herumgehen, und sich in das Bett ihres Mannes legen sah, der ohne Zweifel ruhig weiterschlief, denn ich hörte keinen Lärm mehr. Von Ärger und Ekel erfüllt, rief ich den Schlaf mit allen Kräften herbei und wachte erst am Morgen auf. Da ich die schöne Nachtwandlerin in ihrem Bette sah, stand ich auf, und nachdem ich mich schnell angekleidet, ging ich hinaus, während die andern alle noch in tiefem Schlafe lagen. Erst im Augenblicke der Abreise und als der Advokat und die Damen schon im Wagen saßen, kehrte ich ins Gasthaus zurück. Meine schöne Dame beklagte sich mit sanfter und zuvorkommender Miene, daß ich ihren Kaffee nicht getrunken, ich entschuldigte mich damit, daß ich das Bedürfnis, spazieren zu gehen, gefühlt, und hütete mich, sie mit einem einzigen Blicke zu beehren; und unter dem Scheine, Zahnschmerzen zu haben, überließ ich mich meiner üblen Laune und dem Schweigen. Als wir in Piperno ankamen, fand sie Gelegenheit, mir zu sagen, daß meine Zahnschmerzen bestellt wären, und dieser Vorwurf war mir angenehm, denn er ließ mich eine Erklärung ahnen, die zu wünschen ich mich trotz meiner Verstimmung nicht enthalten konnte. Am Nachmittage war ich wie am Morgen düster und schweigend bis Sermoneta, wo wir schlafen sollten. Wir kamen frühzeitig an, und da der Tag schön war, so sagte Madame, sie würde gern noch eine Promenade machen, und bat mich um meinen Arm. Ich gab ihr den Arm um so eher, als die Höflichkeit mir nicht gestattete, ihn zu verweigern. Ich war in übler Stimmung, nur eine Erklärung konnte den früheren Zustand wieder herbeiführen, aber ich wußte nicht, wie ich dazu gelangen sollte. Ihr Mann folgte uns mit ihrer Schwester, aber in ziemlicher Entfernung. Sobald wir von diesen ziemlich entfernt waren, faßte ich mir den Mut, sie zu fragen, weshalb sie meine Zahnschmerzen für bestellt gehalten hätte.
»Ich bin offen«, sagte sie, »wegen des zu deutlichen Unterschiedes im Benehmen, und weil Sie sich ersichtliche Mühe gegeben, mich im Laufe des Tages nicht einmal anzusehen. Da die Zahnschmerzen Sie nicht hindern konnten, höflich zu sein, habe ich Sie für affektiert halten müssen. Übrigens weiß ich nicht, wer von uns Ihnen Ursache gegeben, so plötzlich Ihre Laune zu ändern.«
»Dennoch muß eine Veranlassung dazu vorhanden sein, und Sie, Madame, sind nur halb aufrichtig.«
»Sie täuschen sich, mein Herr, ich bin es ganz, und wenn ich Ihnen einen Grund gegeben, so kenne ich ihn nicht oder darf ihn nicht kennen. Haben Sie die Güte, mir zu sagen, worin ich mich gegen Sie vergangen habe?«
»In nichts, denn ich habe kein Recht,