Erinnerungen aus galanter Zeit. Giacomo Casanova
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Читать онлайн книгу Erinnerungen aus galanter Zeit - Giacomo Casanova страница 17
»Sage ihm, mein kleiner Engel, daß ich ihm sehr gern diese Gefälligkeit erweisen werde, wenn er in deiner Gegenwart tun will, was ich wünsche; ich will bestimmt wissen, ob er ein Mädchen oder ein Knabe ist.«
Sie entfernt sich und kehrt einen Augenblick darauf zurück, um mir zu sagen, daß er im Bett liege, daß, wenn ich aber meine Abreise um einen einzigen Tag aufschieben wolle, er verspreche, meine Neugier am folgenden Tage zu befriedigen.
»Sage mir die Wahrheit, Cäcilie, und ich schenke dir sechs Zechinen.«
»Ich kann sie nicht verdienen, denn ich habe ihn nie ganz nackt gesehen und kann nicht beschwören, ob er ein Mädchen ist. Aber er muß wohl ein Knabe sein, sonst hätte er hier nicht auf dem Theater auftreten können.«
»Wohl, ich werde erst übermorgen abreisen, wenn du mir diese Nacht Gesellschaft leisten willst.«
»Sie lieben mich also sehr?«
»Sehr, wenn du mir gut sein willst.«
»Sehr gut, denn ich liebe Sie sehr. Ich will es meiner Mutter sagen.«
»Du hast gewiß einen Liebhaber?«
»Ich habe nie einen gehabt.«
Sie ging weg und kehrte einen Augenblick darauf sehr fröhlich zurück, indem sie sagte, ihre Mutter halte mich für einen ehrenwerten Mann. Ohne Zweifel hielt sie mich nur für großmütig. Cäcilie schloß die Tür und warf sich in meine Arme, indem sie mich umarmte. Sie war niedlich, reizend; aber ich war nicht in sie verliebt und konnte nicht zu ihr wie zu Lucrezia sagen: du hast mich glücklich gemacht; aber sie sagte es zu mir, ohne daß ich mich dadurch sehr geschmeichelt fühlte, obwohl ich so tat, als ob ich es glaube. Als ich erwachte, wünschte ich ihr einen zärtlichen guten Morgen, und nachdem ich ihr drei Dublonen geschenkt, welche die Mutter ohne Zweifel erfreuten, schickte ich sie weg. Nachdem ich gefrühstückt, ließ ich den Wirt kommen und bestellte ein sehr gutes Abendessen für fünf Personen, da ich überzeugt war, daß Don Sancio, der am Abend zurückkommen wollte, mir die Ehre, mit mir zu speisen, nicht abschlagen würde. Nachdem ich Bellino hatte rufen lassen, forderte ich ihn auf, sein Versprechen zu erfüllen, aber er antwortete mir lachend, der Tag wäre noch nicht vorüber, und er wäre sicher, mit mir zu reisen.
»Ich sage Ihnen, daß das nicht der Fall sein wird, wenn Sie mich nicht vollständig befriedigen.«
»Ich werde es tun.«
»Wollen Sie, daß wir zusammen einen Spaziergang machen?«
»Recht gern; ich werde mich ankleiden.«
Während ich auf ihn wartete, kam Marina und fragte mich mit kummervoller Miene, wodurch sie meine Verachtung verdiene.
»Cäcilie hat bei Ihnen die Nacht geschlafen, morgen reisen Sie mit Bellino; ich bin am allerunglücklichsten.«
»Willst du Geld haben?«
»Nein, denn ich liebe Sie.«
»Aber, Marina, du bist zu jung.«
»Ich bin stärker als meine Schwester.«
»Aber es ist auch möglich, daß du einen Liebhaber hast.«
»Oh, durchaus nicht.«
»Sehr wohl, wir wollen heute Abend sehen.«
Ich spazierte mit Bellino nach dem Hafen, wo ich auf einem türkischen Schiff eine griechische Sklavin wiedersah, mit der ich aus meiner Reise von Venedig nach Martorano ein reizendes Liebesspiel von Balkon zu Balkon hatte, ohne daß wir zum höchsten Genuß gekommen wären. Sie erkennt mich sofort, weiß durch eine List ihren Herrn auf einen Augenblick zu entfernen, den wir benutzen, um alle Wonnen der Liebe auszutauschen, in Gegenwart Bellinos, der starr vor Staunen dastand und wie Espenlaub zitterte. Ich kaufte eine Kleinigkeit, als der Türke zurückkam, und begab mich mit Bellino wieder ans Land. Dieser sprach mit mir über das Geschehene, welches meinen Charakter in einem eigentümlichen Lichte zeige. Die Griechin verstehe er nun vollends gar nicht, er nannte sie sehr unglücklich.
»Glauben Sie denn, fragte ich, daß die Koketten glücklicher sind?«
»Nein, aber ich will, daß eine Frau, wenn sie sich aufrichtig der Liebe hingibt, sich erst nach einem Kampfe mit sich selbst hingibt; und ich will nicht, daß sie der ersten Regung einer schlüpfrigen Begierde weicht, sich dem ersten besten Gegenstand, der ihr gefällt, preisgibt, wie ein Tier, welches nur der Macht der Sinne gehorcht. Gestehen Sie, diese Griechin gab Ihnen ein sicheres Zeichen, daß Sie ihr gefallen; aber sie hat Ihnen ein ebenso sicheres Zeichen ihrer Roheit und einer Schamlosigkeit gegeben, welches sie der Schande, zurückgewiesen zu werden, aussetzte, denn sie konnte nicht wissen, ob Sie zu ihr ebenso galant sein würden, wie sie zu Ihnen. Mich hat die Sache in eine Verwirrung gestürzt, von welcher ich mich noch nicht erholt habe.«
Ich hätte die Zweifel Bellinos aufklären und ihr falsches Räsonnement berichtigen können; aber eine derartige Mitteilung würde nicht zum Vorteile meiner Eigenliebe ausgefallen sein, und ich schwieg deshalb. Wir kehrten nach Hause zurück, und als ich abends den Wagen Don Sancios in den Hof fahren hörte, ging ich ihm entgegen: ich hätte darauf gerechnet, daß er mir die Ehre erweisen würde, mit mir und Bellino zu speisen. Der Spanier hob mit Würde und Höflichkeit das Vergnügen hervor, das ihm zu bereiten ich die Aufmerksamkeit gehabt, und nahm meine Einladung an. Die ausgesuchtesten Gerichte, die besten spanischen Weine und mehr als das alles, die Fröhlichkeit und die entzückenden Stimmen Bellinos und Cäciliens, bereiteten dem Kastilianer fünf köstliche Stunden. Er verließ mich um Mitternacht mit der Erklärung, daß er sie erst dann wahrhaft zufrieden erklären könne, wenn ich ihm verspräche, mit derselben Gesellschaft am folgenden Abend auf seinem Zimmer zu speisen. Ich mußte also meine Abreise noch um einen Tag verschieben; ich nahm die Einladung an. Sobald Sancio weggegangen war, forderte ich Bellino auf, sein Versprechen zu erfüllen; er aber sagte mir, Marina warte auf mich, und da ich noch den folgenden Tag bliebe, würde er Gelegenheit finden, mich zu befriedigen. Damit wünschte er mir eine gute Nacht und entfernte sich. Marinette kam, und obschon ein Jahr jünger als Cäcilie, fand ich sie doch ausgebildeter, und sie bewies mir, daß sie keine Novize mehr in dem Mysterium. Am andern Morgen ging ich aus, um Geld bei meinem Bankier zu holen, da ich nicht wissen konnte, was mir unterwegs begegnen würde; denn ich hatte genossen, aber zu viel ausgegeben, auch blieb mir noch Bellino, gegen den ich nicht weniger großmütig sein konnte als gegen seine Schwestern, wenn er ein Mädchen war. Das mußte sich im Laufe des Tages entscheiden, und ich glaubte des Resultates sicher sein zu können. Zur Zeit des Abendessens begab ich mich zu Don Sancio, welcher eine prächtige Wohnung hatte. Seine Tafel war mit massivem Tafelgeschirr gedeckt, und seine Bedienten waren in großer Livree. Er war allein; aber bald nach ihm kamen Cäcilie, Marina und Bellino, welcher aus Lust oder Laune weibliche Kleidung angezogen hatte. Die beiden Schwestern, welche gut angezogen waren, waren reizend; aber Bellino stach sie in seiner Frauenkleidung so sehr aus, daß mir nicht mehr der geringste Zweifel blieb.
»Sind Sie«, sagte sie zu Don Sancio, »überzeugt, daß Bellino kein Mädchen ist?«
»Mag er Knabe oder Mädchen sein, mir ist nichts daran gelegen. Ich halte ihn für einen hübschen Kastraten und ich habe schon ebenso hübsche gesehn.«
»Sind Sie aber Ihrer Sache sicher?«
»Valgame