Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Ich seufze auf und erkläre ihm, dass ich am vergangenen Abend sofort eingeschlafen war und deshalb seine SMS nicht gesehen habe.
Der Bus kommt und ich steige ein.
„Tim, ich bin im Bus. Es ist wirklich alles in Ordnung und mir geht es, dank dir, gut. Mach dir keine Sorgen. Ich komme jetzt gut klar“, versichere ich ihm.
Tim scheint beruhigt zu sein und erzählt mir von seinem tollen Hotel mit Blick auf das Theater, wo sie ihre Aufführung haben werden. Er muss schnell frühstücken gehen und zu den Proben aufbrechen und hat daher nicht viel Zeit.
Ich wünsche ihm einen schönen Tag und einen gelungenen Auftritt. Ich will wirklich, dass es ihm gut geht … weit weg von mir.
Als ich an der Bushaltestelle in Osnabrück aus dem Bus steige, fällt Ellen mir um den Hals. „Carolin, du Verrückte! Wie kannst du einfach ein paar Tage verschwinden?“, ruft sie aufgebracht.
„Es musste sein“, raune ich nur und bin gerührt, dass sie sich so freut, mich wiederzusehen.
Der Bus fährt weg und Ellen schaut zur anderen Straßenseite und winkt kurz.
Ich drehe mich um und sehe den Mustang langsam wegfahren. Erik?
Auf meinen fragenden Blick antwortet sie nur: „Der wollte nur schauen, ob du auch wirklich auftauchst. Der hat sich halt auch Sorgen gemacht. Und Daniel auch. Die beiden waren ganz komisch, als ich ihnen sagte, dass du bei Marcel ausgezogen bist. Aber nun erzähl. Was war denn los?“
Wir schlagen den Weg zur Schule ein.
„Ach“, seufze ich. „Ich kam einfach nicht mehr klar.“
„Mit was?“ Ellen schaut mich groß an.
„Mit allem. So eine Tussi schreibt Marcel und der springt sofort darauf an und trifft sich mit ihr … während ich mit deinem Bruder … Ach Ellen, das taugt halt alles nicht mehr. Und dann auch noch Tim dazwischen. Das war mir halt alles zu viel. Langsam glaube ich, ich habe mit Erik mehr gemein, als du dir vorstellen kannst.“
Ellen raunt betroffen: „Wie? Was meinst du damit?“
„Beziehungsunfähig. Dabei liebe ich Marcel eigentlich! Zumindest war ich mir da immer sicher … mehr oder weniger. Aber dann hätte das mit deinem Bruder nicht passieren dürfen. Und mit Tim.“
„Wie … mit Tim? War der denn jetzt da?“
Ich nicke. „Er hat mir geholfen, meine Sachen aus Marcels Wohnung zu holen. Erneut entpuppte er sich als mein Retter in der Not. Aber das ist auch nicht gut. Nicht für mich und schon gar nicht für ihn.“
Wir kommen an der Schule an und Ellen zieht mich an die Seite, bevor wir den Schulhof betreten, um sich mit mir noch etwas ungestört unterhalten zu können.
„Ihr seid doch nicht … du bist doch jetzt nicht mit ihm zusammen, oder?“
„Nein, er weiß, wie ich über alles denke und was mein fester Entschluss ist.“
„Dein fester Entschluss?“ Ellen wirkt langsam ungehalten.
„Ich werde es in Zukunft wie Erik halten. Keine Beziehung! Keine Liebe! Am besten gar keine Männer mehr. Höchstens mal für eine Nacht und Tschüss.“
Ellen greift in ihre Tasche und zieht eine Zigarettenpackung hervor. Sie gibt mir eine und nimmt sich auch eine. „Poor, Carolin!“, sagt sie dabei. „Langsam machst du mich fertig! Woher willst du wissen, dass es bei Erik immer noch so ist?“
Ich sehe sie verwirrt an. „Ellen, es geht nicht um Erik! Wenn er sich jetzt entschließt, doch mit irgendeiner Tussi eine Beziehung eingehen zu wollen, dann soll er das in Gottes Namen tun. Ich rede hier von mir! Die letzten zwei Tage habe ich nur damit verbracht, mir mein neues Leben aufzubauen. Ich brauche niemanden.“
Ellen brummt: „So, du brauchst niemanden! Und bei deinen Eltern unterzukriechen bringt´s, oder was? Erik sagte mir, er hätte dir die Wohnung bei Daniel angeboten.“
Also kennt Ellen die Wohnung.
„Ich brauche die nicht. Für die nächsten Monate habe ich ein Dach über dem Kopf und das ist nicht das meiner Eltern.“
Ellen lässt fast die Zigarette fallen. „Wie? Du wohnst nicht bei deinen Eltern? Wo denn?“
„Ich habe mir meinen eigenen Panikraum geschaffen und niemand weiß, wo der ist. Ich werde es auch niemandem sagen“, verkünde ich, um das sofort unmissverständlich klarzustellen.
Ellen schüttelt den Kopf, dass ihre Locken wirbeln. Sie tritt ihre Zigarette aus. „Mein Gott, Erik hat echt abgefärbt. Und wo ist die Wohnung?“
Ich sehe Ellen fassungslos an. „Hörst du mir gar nicht zu? Ich werde niemandem sagen, wo die ist.“
Ellen grinst. „Niemandem - außer mir.“
Ich schüttele nur den Kopf und ihr Gesichtsausdruck schwenkt von überheblich zu schrecklich beleidigt um, als es klingelt.
„Komm, ich muss noch mit unserer Klassenlehrerin sprechen“, raune ich und gehe einfach los. Ellen wird mir schon folgen.
Aber sie würdigt mich keines Blickes, als unsere Wege sich trennen.
Ich finde meine Klassenlehrerin im Lehrerzimmer und bitte sie um ein Gespräch. Ich erkläre ihr, dass ich mich von meinem Freund getrennt habe und mich deshalb nicht in der Lage sah, die letzten drei Tage die Schule zu besuchen. Natürlich spiele ich die völlig am Boden Zerstörte und denke mir, wenn die wüsste. Aber das bringt zumindest, dass sie mein Fehlen entschuldigt und ich sogar das Gefühl habe, dass sie es gut findet, dass ich mit ihr so ehrlich darüber gesprochen habe.
Sie kommt direkt mit mir in die Klasse und alle sehen uns verwirrt an. Keiner weiß, was los ist und Ellen scheint nur Schmollen zu wollen.
Mich auf meinen Platz werfend, danke ich Tim für die Idee, mich meiner Lehrerin anzuvertrauen. Er hatte mir das vorgeschlagen und sein Vorschlag hat auch wirklich gut funktioniert. Ich bin froh darüber, weil ich so einem Verweis entgehe.
Als es zur ersten Pause klingelt, bleibe ich erst sitzen, unsicher, ob Ellen nun wieder mit mir sprechen will. Doch sie bleibt hart und unerbittlich.
So stehe ich irgendwann auf und gehe auf die Toilette. Ich bin verunsichert. Dass Ellen so wütend ist, weil ich ihr nicht sagen will, wo sich mein neues Domizil befindet, damit habe ich nicht gerechnet. Aber ich kann auch herumzicken. Da ich sowieso schon mit allem gebrochen habe, was mir bisher etwas bedeutete, so kann ich es auch mit ihr tun.
Als ich wieder ins Klassenzimmer komme, ist sie allerdings weichgekocht. Während ich mich neben sie auf meinen Stuhl setze, raunt sie: „Nah gut, wenn du es im Moment nicht sagen willst, dann akzeptiere ich das. Aber irgendwann …“
Ich sehe sie nur grinsend an und bin erleichtert: „Danke! Du weißt,