Little Pearl. Madlen Schaffhauser
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»Dann mal los.« Ich trinke meinen Kaffee aus und warte an der Hintertür. Als Cécile endlich ihre tausend Sachen in die Tasche gepackt hat, folgt sie mir zum Chevy.
Ich bin noch nicht mal auf der Straße, da macht Cee irgendein komisches Würgegeräusch. Sobald ich in ihre Richtung schaue, weiß ich auch warum. »Igitt, was ist das?«, fragt sie angeekelt. An ihrem Zeigefinger baumelt ein kleiner Slip.
Es ist mir ein wenig peinlich, dass ausgerechnet meine Schwester einen Beweis von letzter Nacht finden musste. Dennoch tue ich so, als wäre es das Normalste auf der Welt, einen gebrauchten Tanga im Fußraum zu haben. »Den hat wohl jemand vergessen.«
Manchmal ist es erschreckend, wie leichtsinnig Frauen sind. Sie wollen lediglich ihren Spaß, genau wie ich. Nur dass sie eine viel größere Gefahr eingehen als wir Männer, wenn sie mit einem Fremden in ein Auto steigen.
Wenn Cee oder Hannah das tun würden, würde ich ihnen den Hals umdrehen.
Statt mir eine Moralpredig zu halten, wirft Cee den Slip nach hinten auf den Boden. Ich atme erleichtert auf, als sie das Thema wechselt. »Hast du schon gehört, dass eine Journalistin einen Bericht über das Blue House Inn geschrieben hat und ihn im Travel and Leisure veröffentlichen wird?«
»Im Ernst?«
Cee lächelt. Es ist das erste richtige Lächeln seit Tagen.
»Wow, das ist ja fantastisch.«
»Finde ich auch. Wenigstens etwas, das in meinem Leben gut läuft.« Ihre Gesichtszüge verdüstern sich sofort wieder.
Aber ich lasse ihr gar keine Zeit, um über Dylan oder Pru nachzudenken, sondern löchere sie darüber aus, wie es dazu gekommen ist, dass in einem der bekanntesten Reiseführer der USA über das Bed & Breakfast berichtet wird.
Wenig später fahren wir vor Gordons Werkstatt, die er von seinem Vater übernommen hat. Sie liegt im Industriegebiet von Little Pearl. Es ist die einzige Autowerkstatt in dieser Gegend, weswegen schon Hans vor Jahren und jetzt auch noch Gordon anbauen mussten.
Das einst kleine weiße Haus mit einem Garagentor, ist mittlerweile einem Gebäude gewichen, das aus drei Toren und einem geräumigen Büroteil besteht. Rechts und links stehen auf geteertem Boden Gebraucht- sowie Neuwagen.
Kaum sind wir ausgestiegen kommt uns Gordon entgegen. »Hey ihr zwei.« Er gibt Cee einen Kuss auf die Wange, dann wendet er sich an mich und wir schlagen uns die Fäuste aneinander. »Krass, sieht dein Auge Scheiße aus. Siehst du damit eigentlich noch was?«, witzelt er und dreht sich zu meiner Schwester. »Hat er dir schon erzählt, wie er das hingekriegt hat?«, fragt er sie, deutet dabei auf mein geschwollenes Auge. Bevor Cee überhaupt etwas sagen kann, plaudert Gordon schon weiter. »Er ist gegen eine Hantel gelaufen. Kannst du dir das vorstellen?« Gordon kullert sich fast bei der Vorstellung, genau wie letzte Nacht. Ich würde ihn am liebsten verkloppen, aber ich habe diese dämliche Ausrede aufgetischt. Jetzt muss ich da auch durch.
Ich schiele zu meiner Schwester, die mir einen ungläubigen Seitenblick zuwirft. Wahrscheinlich ist sie überrascht, weil ich niemandem von Dylans und meinem Zusammentreffen erzählt habe. Es verwundert mich ja selbst.
Cees Mundwinkel zucken leicht. Obwohl die Geschichte über mein blaues Auge eine Lüge ist, so bringt sie der Gedanke, wie ich mit einer Hantel zusammengestoßen sein könnte, doch zum Schmunzeln.
»Okay, wenn ihr genug über mich gelacht habt, hättest du dann mal die Güte und zeigst uns deine Autos?«
»Aber sicher doch«, meint Gordon immer noch grölend. Als er sich endlich beruhigt hat, zeigt er über den Platz zu ein paar Autos. »Ich dachte mir, dass du am ehesten wieder eines haben möchtest wie dein letztes. Da vorne habe ich gleich drei dieser Art.«
Cee und ich folgen ihm, bis er vor ein paar Gebrauchtwagen stehen bleibt.
»Ich habe einen Toyota, einen Honda und einen Ford. Das wären diese hier.« Er deutet auf drei Wagen, die auf den ersten Blick wie Cees alter Toyota aussehen. Als ich kritisch die Augenbrauen zusammenziehe, sagt er an Cee gewandt: »Ich habe auch noch weitere Modelle, falls du an etwas anderem interessiert bist.«
»Nein, die passen mir ganz gut.« Sie läuft an den Autos vorbei und wirft einen ersten Blick ins Wageninnere.
Ich folge ihr. Auch wenn Gordon ein gewissenhafter Autohändler und mich oder meine Familie niemals übers Ohr hauen würde, schaue ich auf sichtbare Schäden.
»Es sind absolute Babys«, höre ich Gordon hinter mir sagen. »Die machen dir in den nächsten Jahren bestimmt keine Probleme.«
»Ich finde alle ganz schnuckelig. Der vielleicht eine Spur mehr.« Cee zeigt auf den weißen Ford.
Wie ich muss auch Gordon ein Lachen unterdrücken. Ein Auto schnuckelig nennen, kann wohl nur eine Frau. »Willst du eine Probefahrt machen?«
Cee sieht mich an. »Hast du Zeit?«
»Sicher. Aber mach doch mit allen eine kurze Fahrt, dann kannst du vergleichen«, schlage ich vor.
»Das hätte ich ebenfalls gleich angeboten. Ich hole schnell die Schlüssel, dann könnt ihr eine Runde drehen.«
Nicht mal eine Stunde später hat sich Cee für den blauen Honda entschieden. Während sie darauf wartet, bis Gordon alle Papiere vorbereitet hat, mache ich mich auf den Weg ins Fitnesscenter. Jedoch nicht, bevor ich meiner Schwester eine Einkaufsliste überreicht habe.
Tyler ist gerade mit einem Kunden an der Klimmstange, als ich das Studio betrete. Eine Kundin ist auf dem Laufband und eine auf dem Hometrainer. Von der rechten Ecke höre ich, wie Gewichte gestemmt werden. Das Fitnesscenter ist nicht sonderlich groß, vielleicht mag meine Kundschaft gerade das. Denn über fehlende Mitgliedschaften kann ich mich nicht beklagen. Das Studio ist in drei Räume unterteilt. Im ersten stehen Geräte, um sich aufzuwärmen. Sowie zwei Klimmstangen und ein paar Matten für zum Beispiel Sit-ups zu machen. Im nächsten sind die Kraftgeräte. Dann gibt es links hinten noch einen Raum, in dem Sophia Bauch-Beine-Po und andere Aerobic Workouts durchführt. Nach der Musik zu urteilen, die durch die geschlossene Tür dringt, sind sich gerade ein paar Mädels am Abschwitzen.
Wie gesagt, nicht riesig, dafür habe ich noch den Hinterhof. Dort habe ich die Möglichkeit den neusten Trend anzubieten: Seilschwingen.
Ich winke Tyler und begrüße die Frauen auf den Aufwärmgeräten, als ich an ihnen vorbei in die Umkleide gehe, um mich umzuziehen. Obwohl ich nur einen Stock weiter oben wohne, habe ich hier die meisten meiner Sportsachen deponiert. Es hat sich einfach so ergeben. Womöglich auch, weil es unter der Dusche ab und an interessant wird.
Ich weiß, man sollte nichts mit Kundinnen anfangen, aber solange beide Seiten wissen, auf was sie sich einlassen, sehe ich das nicht so streng. Nicht wie meine Schwester, die mir deshalb schon mehr als einmal in den Ohren lag.
Als ich meine schwarzen Shorts und ein grünes Tanktop mit dem Schriftzug meines Fitnesscenters übergezogen habe, gehe ich wieder in den Trainingsraum hinaus. Gleich neben dem Eingang gibt es eine Bar, die als Anmeldung dient und an der wir gleichzeitig frische Fruchtsäfte wie auch Powerriegel und solches Zeug anbieten. Ich überlege mir schon seit längerem, ob ich dafür eine neue Hilfskraft einstellen soll. Lorena