Empörung, Revolte, Emotion. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Empörung, Revolte, Emotion - Группа авторов страница 11

Empörung, Revolte, Emotion - Группа авторов edition lendemains

Скачать книгу

sondern als innerer Zustand, der zugleich eine evaluative Überzeugung des Sprechers beinhaltet, die wiederum das Vorteilhafte als Formalobjekt hat.

      Für den geglückten Vollzug einer Danksagung ist es dementsprechend prinzipiell unerheblich, ob der Sprecher beim Sagen einer Dankformel dankbar gestimmt ist. Solange der Sprechakt im gegebenen Kontext Höflichkeitserwartungen und andere soziale Normen erfüllt, wird er korrekt vollzogen. Dies wird auch von Searle zugegeben:

      In den Fällen, in denen durch die Aufrichtigkeitsbedingung ein psychischer Zustand bestimmt wird, gilt der Vollzug des Aktes als Zum-Ausdruck-Bringen jenes Zustandes. Dieses Gesetz gilt unabhängig davon, ob der Akt aufrichtig oder unaufrichtig vollzogen wird, d.h. unabhängig davon, ob der betreffende psychische Zustand bei dem Sprecher wirklich besteht oder nicht. (Searle 1973: 107)

      Searle zufolge ist also ein Danke! auch dann ein gelungener expressiver Sprechakt, wenn die Aufrichtigkeitsbedingung nicht erfüllt wird, z.B. wenn der Sprecher keine Dankbarkeit empfindet, sondern nur das Bedürfnis verspürt, einer sozialen Konvention zu folgen oder ihr nachzugeben4. Wenn also in diesem Sinne unaufrichtige Danksagungsakte immer noch gelungene, obschon für manche Forscher defekte (cf. Kissine 2013: 184) Sprechakte sind, dann müsste ihr illokutionärer Zweck eigentlich nicht im Ausdruck der vorhandenen oder nicht vorhandenen Emotion liegen – wie es Austin und Searle wollen – sondern eher in der Erfüllung der sozialen Norm, diese Emotion in bestimmten Situationen ausdrücken zu sollen. Da der Emotionsausdruck durch Konvention zur sozialen Pflicht geworden ist, muss man in der Regel zu weiteren verbalen – z.B. mehrmaliger Wiederholung des Danke! oder zusätzlichen Exklamationen wie in (10) – (13) – bzw. nonverbalen, z.B. mimischen, gestischen, kinetischen Mitteln greifen, um die tatsächlich vorhandene Emotion der Dankbarkeit auszudrücken.

(10) Das ist genau das, was ich gebraucht habe!
(11) Das ist so eine Erleichterung für mich!
(12) Das war so eine große Hilfe!
(13) Das werde ich dir nie vergessen!

      Noch deutlicher wird die Rolle des Konventionellen beim Ausdrücken von Emotionen der Dankbarkeit im Falle von misstrauischem, missmutigem bzw. ironischem Dank. Was in diesen Sprechakten als eigentlich ausgedrückter innerer Zustand gelten kann, ist weniger Dankbarkeit als Misstrauen, Missmut, Unzufriedenheit bzw. Verärgerung, also innere Zustände, die die Dankbarkeit entweder begleiten oder auch gänzlich verdrängen können, so dass die Äußerung im Extremfall nur eine Kritik am Adressaten statt Dankbarkeit ausdrückt.

      Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Definition einer Danksagung könnte man sich mit guten Gründen fragen, ob insbesondere ein ironischer Dank – wie etwa die Danksagung in (14) als Reaktion auf eine Auskunftsverweigerung – immer noch die illokutionäre Kraft des Dankens hat.

(14) A: Wo finde ich die Garderobe?
B: Hier jedenfalls nicht.
A: Vielen Dank, dass Sie mir so freundlich Auskunft erteilt haben.

      Dem Äußern des Danks liegt hier ein Vermissen von adressatenseitiger Hilfsbereitschaft, also nichts Vorteilhaftes für den Sprecher und keine Dankbarkeit seinerseits zugrunde. Die Dankformel ist zwar den Höflichkeitskonventionen gemäß gebraucht, kann aber nicht in ihrem konventionellen Sinne gemeint sein5. Der ausgedrückte psychische Zustand des Sprechers hat hier mit dem Danken als sog. sekundärer Illokution nur soweit zu tun, als die Äußerung indirekt auf die mangelnde Bereitschaft des Sprechers zur emotionalen Einstellung der Dankbarkeit verweist. Die letztere müsste eventuell wie z.B. in (15) ausgedrückt werden. Das Danken in (14) kann also wütend, verärgert, tadelnd, missmutig, sich distanzierend, aber kaum noch dankend gemeint sein, so dass (16) unmöglich gesagt werden kann, denn in der Äußerung würde es sich um zwei kontradiktorische Evaluationen derselben Situation handeln wie in (5).

(15) Danke trotzdem.
(16) # Vielen Dank, dass Sie mir so freundlich Auskunft erteilt haben, ich danke Ihnen trotzdem.

      Die Rolle des Konventionellen bei einer ironischen Danksagung kann man wie folgt zusammenfassen: Auf der lokutionären Ebene werden sprachliche Konventionen eingesetzt, während auf der illokutionären die konventionelle, kulturell bedingte Bewertung einer Auskunftsverweigerung stattfindet. Die sekundäre Illokution in (14) fällt mit der lokutionären Bedeutung des geäußerten Satzes zusammen, aber bedankt hat man sich mit dem Satz nicht einmal annähernd.

      5 Fazit

      Searle (1969) verweist im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung mit der pragmatischen Bestimmung des Bedeutungsbegriffs von Grice (1957) darauf, dass eine Analyse illokutionärer Sprechakte sowohl die von Grice hervorgehobenen intentionalen als auch die von ihm heruntergespielten konventionellen Aspekte des Sprechens mit berücksichtigen muss. Die illokutionäre Kraft einer Äußerung bestimmt denjenigen Aspekt ihrer Bedeutung, der als sog. illokutionäre Bedeutung auf soziale Konventionen zurückzuführen ist. Eine illokutionäre Bedeutung bezieht sich auf individuelle Einstellungen, insofern die letzteren eine Bedingung für aufrichtige Illokutionen darstellen. Die wesentliche Bedingung bezieht sich aber nicht auf die Einstellungen selbst, sondern auf ihren Ausdruck.

      Gerade im Falle von emotionalen Einstellungen wird ihr sprachlicher Ausdruck weitgehend von sprachlichen und anderen sozialen Konventionen geregelt. Auf solche Konventionen bezieht sich die kollektiv geteilte Bewertung einer vorgefundenen Situation, auf deren Grundlage sich emotionale Einstellungen herausbilden, die in expressiven Sprechakten ausgedrückt werden. Sprachlich ausgedrückt werden also in diesen Sprechakten nicht beliebig entstandene, sondern durch die sozialen Regeln geförderte Emotionen. Sie sind vor allem evaluative Reaktionen auf Sachverhalte, deren affektive Komponente mit den jeweils individuellen Intensitätsgraden letztendlich nicht mehr als eine Variante des gewählten sozialen Handlungsmusters darstellt. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Anzahl expressiver Sprechakttypen durch die Anzahl konventionell ausdrückbarer Emotionen und nicht durch die Anzahl individueller Empfindungen bestimmt wird.

      6 Bibliographie

      Anscombe, Elisabeth M., Intention, Cambridge Mass., London, Harvard University Press, 2000.

      Alston, William P., Illocutionary acts and sentence meaning, Ithaca, London, Cornell University Press, 2000.

      Austin, John L., How to do things with words, Oxford, Oxford University Press, 1962.

      Bach, Kent/Harnish, Robert M., Linguistic communication and speech acts, Cambridge, MIT Press, 1979.

      Bazzanella, Carla/Caffi, Claudia/Sbisà, Marina, „Scalar dimensions of illocutionary force“, in: Zagar, Igor Z. (ed.), Speech acts: Fiction or reality?, Ljubljana, IPRA, 1991, 63–76.

      Brandt, Margareta/Reis, Marga/Rosengren, Inger/Zimmermann, Ilse, „Satztyp, Satzmodus und Illokution“, in: Inger Rosengren (ed.), Satz und Illokution, Vol. 1, Tübingen, Niemeyer, 1992, 1–90.

      Bühler, Karl, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Stuttgart, Fischer, 1965.

      Damasio,

Скачать книгу