Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz
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2. Inhabilität (§§ 70 StGB, 6 GmbHG, 76 AktG)
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Ein Compliance-Risiko in erster Linie für das Organmitglied selbst, aber auch für das Unternehmen, stellt die aus einer Verurteilung folgende rechtliche Unfähigkeit dar, weiter Geschäftsführer oder Vorstand zu sein, die sog. Inhabilität.
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Ist der Täter etwa einer Korruptionsstraftat verurteilt worden und hat er diese unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen, so kann das Gericht gem. § 70 Abs. 1 StGB ein Berufsverbot von einem bis zu 5 Jahren Dauer verhängen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs oder Gewerbes weitere erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird, mithin eine Wiederholungsgefahr vorliegt. In Ausnahmefällen kann das Berufsverbot für immer angeordnet werden (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei dem Berufsverbot gem. § 70 StGB handelt es sich jedoch um eine Ermessensvorschrift, die in der Praxis relativ selten zur Anwendung kommt.
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Deutlich praxisrelevanter sind insoweit die Vorschriften der §§ 6 GmbHG sowie 76 AktG, die die Inhabilität der betroffenen Organmitglieder kraft Gesetzes anordnen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG kann Geschäftsführer nicht sein, wer wegen der Begehung bestimmter vorsätzlich begangener Straftaten (rechtskräftig) verurteilt worden ist. Bei den abschließend normierten Delikten, die diese Konsequenz nach sich ziehen, handelt es sich (allerdings nur) um die folgenden Straftaten:
– Insolvenzverschleppung gem. § 15a Abs. 4 InsO;
– Insolvenzstraftaten nach den §§ 283 bis 283d StGB;
– falsche Angaben gem. § 82 GmbH oder § 399 AktG;
– unrichtige Darstellung gem. § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG oder § 17 PublG;
– Straftaten nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a StGB, also auch Betrug sowie Untreue, soweit auf eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erkannt wurde.
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Auch wer nicht als Täter, sondern nur als Teilnehmer einer vorsätzlich begangenen Straftat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG rechtskräftig verurteilt worden ist, kann nicht (mehr) Geschäftsführer einer GmbH sein.232
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Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG gilt dies entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die den oben genannten Taten „vergleichbar“ ist.
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Die Inhabilität des Geschäftsführers beginnt unmittelbar mit Rechtskraft des Urteils und gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils. Die Dauer einer etwaigen Inhaftierung ist hierbei nicht (!) anzurechnen, die Frist beginnt also erst mit der Entlassung des Betroffenen. Zu beachten ist, dass die Inhabilität kraft Gesetzes sofort eintritt, also auch bereits laufende Geschäftsführungsverhältnisse betrifft, und nicht etwa erst im Falle einer neuen Bestellung greift.
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Für die Aktiengesellschaft ist die Inhabilität des Vorstandes entsprechend in § 76 Abs. 3 AktG geregelt. Gem. § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AktG kann, wer eine der o.g. Straftaten vorsätzlich begangen hat, auch nicht (mehr) Mitglied des Vorstands sein.
3. Aufsichtsrechtliche Konsequenzen
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Eine sowohl das Unternehmen als auch die Organmitglieder treffende Konsequenz aus strafrechtlichen Verfehlungen kann auch die Verhängung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen durch die zuständigen Aufsichtsbehörden sein. Unangenehme persönliche Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung sind nicht nur etwa die Entziehung der Fahrerlaubnis, des Waffenscheins oder der Wegfall einer Fluglizenz, sondern insbesondere der Entfall der erforderlichen beruflichen Zuverlässigkeit als Geschäftsleiter eines Unternehmens.
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Von besonderer Relevanz sind insoweit etwa die Maßnahmen, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Gefahrenabwehr durchführen kann. Erweist sich etwa der Geschäftsleiter eines Kreditinstitutes, eines Finanzdienstleisters oder einer Versicherung aufgrund einer strafrechtlichen Ahndung als nicht hinreichend persönlich zuverlässig, so kann die BaFin gegenüber dem Aufsichtsorgan verlangen, dass dieser Geschäftsleiter abberufen und ersetzt wird. Die BaFin kann auch Mitglieder von Aufsichtsorganen, die nicht über die notwendige Zuverlässigkeit verfügen, abberufen und Befugnisse eines Aufsichtsorgans auf einen Sonderbeauftragten übertragen. Eine solche Beeinträchtigung der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit ergibt sich häufig aus strafgerichtlichen Verurteilungen aufgrund betriebsbedingter Straftaten und kann im Einzelfall sogar bereits im Falle einer Einstellung eines Strafverfahrens gem. § 153a StPO angenommen werden.
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In einer Vielzahl von Fällen sind es jedoch auch die Unternehmen selbst, die im Falle ihrer Zertifizierung nach unterschiedlichen Vorschriften Vorteile im Geschäftsverkehr in Anspruch nehmen. So existieren etwa im Außenwirtschaftsrecht Vereinfachungen, sog. allgemeine Genehmigungen, für zertifizierte Empfänger, die insbesondere die Zuverlässigkeit des Empfängerunternehmens voraussetzen. Der Vorteil des Unternehmens liegt somit in dem erleichterten Erhalt von Gütern. Vergleichbare Regelungen gibt es in zahlreichen anderen Bereichen auch, so etwa dem Arzneimittelrecht oder auch dem Luftsicherheitsrecht. Darüber hinaus haben die Aufsichtsbehörden im Wirtschaftsverwaltungsrecht im Zusammenhang mit strafrechtlichen Verurteilungen ein weitgehendes Instrumentarium, das im Einzelfall sogar eine Betriebsschließung ermöglicht (§§ 20 BImSchG, § 35 GewO, §§ 35ff. KWG, §§ 61f. GmbHG, § 396 AktG).
VII. Strafrechtliche Risiken innerhalb des Compliance- Prozesses („failed compliance“)
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Auch der Compliance-Prozess als solcher enthält nicht unerhebliche Compliance-Risiken für das Unternehmen und seine Verantwortlichen. Da sich der Geschäftsherr bei der Aufklärung mutmaßlicher Compliance-Verstöße durch interne Ermittlungen regelmäßig auf der Seite des Rechts wähnt, wird das Risiko, auch im Rahmen des Aufklärungsprozesses strafrechtlich relevante Fehler zu begehen, entweder ausgeblendet oder jedenfalls gering geschätzt. Die im Rahmen der Durchführung interner Ermittlungen begangenen Verstöße, die sog. „failed compliance“, sind jedoch aufgrund des verfolgten „guten Zwecks“ keinesfalls pauschal gerechtfertigt und werden auch von den Ermittlungsbehörden regelmäßig verfolgt.