Kirchliches Arbeitsrecht in Europa. Florian Scholz

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Kirchliches Arbeitsrecht in Europa - Florian Scholz Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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Weimarer Kirchenartikeln kommt die gleiche Normqualität wie den sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes zu; mit ihrer Inkorporation durch Art. 140 GG sind sie vollgültiges Verfassungsrecht geworden.280 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie im eher unscheinbaren Kapitel XI. der „Übergangs- und Schlussbestimmungen“ des Grundgesetzes aufgeführt sind. Daraus wird lediglich gefolgert, dass ihnen keine Grundrechtsqualität zukommt.281

      Gemeinsam mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bildet Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV ein organisches Ganzes.282 Der Bedeutungsgehalt der Weimarer Kirchenartikel hat sich daher gewandelt.283 Mit ihrer Inkorporation erhielten sie durch ihren engen Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einen neuen Kontext, der im Rahmen einer systematischen Auslegung Berücksichtigung finden muss.284 Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Interpretationsprinzip der Einheit der Verfassung begründet.285 Borowski veranschaulicht dies mit dem Ausdruck der „interpretatorischen Wechselwirkung“286. Daraus folgt insbesondere, dass sich die herausragende Bedeutung der Grundrechte im Grundgesetz – und damit auch der Glaubensfreiheit – im Verständnis der Weimarer Kirchenartikel zu manifestieren hat; insbesondere dem Umstand, dass durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt gewährt wird, ist Rechnung zu tragen.287

      bb) Die grundlegenden staatskirchenrechtlichen Elemente des Grundgesetzes

      Das staatskirchenrechtliche System Deutschlands ist im Wesentlichen durch das Verbot einer Staatskirche und die Grundsätze der Neutralität und Parität konstituiert. Diese Prinzipien stehen in enger Verbindung zueinander und ergänzen sich.

      (1) Verbot der Staatskirche

      Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV trifft die knappe, aber folgenreiche Aussage: „Es besteht keine Staatskirche.“ Darin liegt die Grundsatzentscheidung des deutschen Staatskirchenmodells. Eine institutionelle Verbindung zwischen staatlichen Organen und den Kirchen ist infolgedessen untersagt.288 Eine Zuordnung Deutschlands zu den Trennungssystemen im Sinne der grundlegenden Schematisierung von Staatskirchenmodellen wäre jedoch unscharf und vernachlässigte die feineren Akzentuierungen.289 Zwar besteht das Prinzip der Nichtidentifikation des Staates mit einer bestimmten Glaubensrichtung, doch muss dieser offen sein für das Phänomen Religion und darf es nicht ausgrenzen.290 So bestehen verfassungsrechtliche Ausnahmen der Trennung, wie etwa kooperative Strukturen beim Religionsunterricht291 oder die Religionsgemeinschaften zugestandene Möglichkeit zur Erlangung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Es besteht somit auch ein Verhältnis von wechselseitiger Zugewandtheit und Kooperation zwischen Staat und Kirchen.292 Der Trennung wird aus diesem Grund ein wohlwollender und freundlicher Akzent beigemessen.293 Dies begründet einen elementaren Wesensunterschied gegenüber einem staatskirchenrechtlichen Gefüge im Sinne einer laizistischen Trennung.294 Als Folge dessen wird das deutsche Staatskirchensystem häufig dem gewissermaßen zwischen Trennungssystem und Staatskirchentum stehenden Kooperationsmodell zugerechnet.295

      (2) Neutralität und Parität

      Die Grundsätze der Neutralität296 und Parität297 als weitere staatskirchenrechtliche Grundsätze stehen mit dem Verbot der Staatskirche in engem Zusammenhang. Der Staat ist zur religiös-weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, weil er nur so „Heimstatt aller Staatsbürger“298 sein kann. Daraus resultieren die Prinzipien des Beeinflussungs-299 und Identifikationsverbotes300. So dürfen staatliche Institutionen keine religiösen Überzeugungen und Ansichten vertreten und nicht Partei für eine Religionsgemeinschaft ergreifen.301 Auch ist dem Staat eine Einmischung in religiöse und weltanschauliche Fragestellungen der Kirchen untersagt. Als wesentliche Konsequenz darf er daher auch keine eigenständige Bewertung religiös geprägter Sachverhalte vornehmen, da ihm aufgrund seiner säkularen Natur keine Kompetenz für religiöse Angelegenheiten zukommt.302 Dieser Aspekt tangiert bereits den Gehalt des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 WRV.

      Als Konsequenz aus dem Neutralitätsgebot erwächst zugleich auch der Grundsatz der Parität, der eine rechtliche Gleichbehandlung der Kirchen und Religionsgemeinschaften fordert und letztlich auch im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wurzelt.303 In diesem Sinne ist aber keine pauschale Gleichbehandlung gefordert, vielmehr können durch tatsächliche Verschiedenheiten der Religionsgemeinschaften begründete Differenzierungen geboten sein.304 Daraus folgt eine exponierte staatskirchenrechtliche Stellung der beiden christlichen Kirchen, die Ausdruck ihrer besonderen kulturellen und sozialen Bedeutung ist.305

      cc) Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen

      Das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV normierte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ist für das Wirken der Kirchen in Deutschland von herausragender Bedeutung und schafft die Grundlage zur Erfüllung ihres Auftrags in der Welt. Danach „ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Diese Garantie fungiert als Vervollkommnung des Verbots der Staatskirche und zieht die Konsequenzen aus dem Strukturprinzip der Neutralität.306 Durch die Freiheit der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten wird die Unabhängigkeit der Kirche von staatlicher Einflussnahme untermauert. Daher hat Johannes Heckel Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV in einer vielbeachteten Abhandlung als „lex regia“307 des deutschen Staatskirchenrechts bezeichnet.

      Da jenes Selbstbestimmungsrecht zudem die wesentliche Quelle ist, aus der sich das deutsche kirchliche Arbeitsrecht speist, bedarf es einer vertiefteren Begutachtung.

      (1) Dogmatische Grundlagen

      Wegen der engen inhaltlichen Nähe des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zur korporativen Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist die systematische Frage des Verhältnisses beider Normen zueinander umstritten. Denn nach übereinstimmender Ansicht umfasst der sachliche Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG in seiner gebotenen extensiven Auslegung bereits das gesamte Leben und Wirken der Kirchen und somit zumindest die Essenz des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 WRV.308 Ein Teil des Schrifttums geht aber von einer vollständigen Schutzbereichsüberschneidung aus und degradiert Art. 137 Abs. 3 WRV auf diese Weise zu einer bereits in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltenen Teilmenge.309

      Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Ansicht in der Literatur hat das Selbstbestimmungsrecht jedoch einen eigenständigen Regelungsgehalt gegenüber der korporativen Religionsfreiheit.310 Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass sich die Schutzbereiche erheblich überschneiden. Das Selbstbestimmungsrecht enthält aber „eine notwendige, wenngleich rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt.“311 Diese Ansicht wird der systematischen Einordnung der unabhängig voneinander gewährten Garantien gerecht. Der eigenständige Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 WRV erweitert Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG um den dezidierten Schutz sämtlicher organisatorischer Aspekte des Wirkens der Kirchen, wie bspw. ihre Grundstücks- oder Vermögensverwaltung. Abstrakt lassen sich dieser Komponente all jene Aufgaben zuordnen, die nicht unmittelbar zur Erfüllung des religiösen Auftrags, aber zu dessen Vorbereitung und Unterstützung wahrgenommen werden.312 Gerade dies betrifft die Regelung von

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