Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD). Christian Warns
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II. Verfassungsrechtliche Garantie und Mitarbeitervertretungsrecht
Während demnach das einfache staatliche Recht auf dem Gebiet des Betriebsverfassungs- und des Personalvertretungsrechts überwiegend Exemtionen zugunsten der Kirche vorhält, gilt es nunmehr diese Bereichsausnahmen im verfassungsrechtlichen Kontext zu verorten. Es ist der Nachweis zu führen, dass es der Kirche im Rahmen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts zukommt, ein eigenes Mitarbeitervertretungsrecht zu regeln. Berücksichtigung finden muss schließlich, welche Bindungen dem kirchlichen Gesetzgeber durch das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung des Mitarbeitervertretungsrechts auferlegt sind, deren Missachtung einer Geltung des kirchlichen Rechts im staatlichen Rechtskreis entgegenstünde.
1. Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts
Das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht lässt sich als Ausfluss des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts begreifen, wenn die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse innerhalb kirchlicher Dienststellen vom Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts erfasst ist.
a. Begriff der Religionsgemeinschaft
Träger des durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften. Selbstverständlich ist es, dass die verfassten Kirchen in Deutschland – in der evangelischen Kirche sind dies die jeweiligen Landeskirchen sowie ihre Zusammenschlüsse94 – dem Begriff der Religionsgesellschaft unterfallen. Insoweit werden in dieser Arbeit die Begriffe „Religionsgesellschaft“ und „(verfasste) Kirche“ synonym verwendet.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht der verfassten Kirche, ihre eigenen Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten, allerdings nicht darauf beschränkt, dass die Kirche allein für die verfasste Kirche Regelungen erlassen darf. Vielmehr soll es ihr auch möglich sein, den Geltungsbereich des kirchlichen Rechts auf Einrichtungen zu erstrecken, die eine gewisse Nähe und Verbindung zur verfassten Kirche aufweisen.95 Dabei stellt die Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an die bestehende Beziehung zwischen verfasster Kirche und zugeordneter Einrichtung. Ausreichend sei es, dass die Kirche nach ihrem Selbstverständnis die Einrichtung als die Ihrige begreift.96 Dem ist beizupflichten unter dem Gesichtspunkt, dass es der verfassten Kirche möglich sein muss, nach ihrem Selbstverständnis den kirchlichen Auftrag in der Gesellschaft wahrzunehmen; welcher Rechtsform und insbesondere welcher Organisationsform sie sich dazu bedient, darf hingegen keine maßgebliche Bedeutung haben.97 Insoweit daher in plausibler Weise die Zuordnung einer bestimmten Einrichtung zur verfassten Kirche begründet wird, muss dies für die Einbeziehung in den Anwendungsbereich der kirchlichen Gesetzgebung ausreichen. Die Zuordnung ist jedenfalls dann nachvollziehbar, wenn die Kirche einen ordnenden und verwaltenden Einfluss auf die Einrichtung ausüben kann98 und die Einrichtung die Zugehörigkeit zur Kirche nicht bestreitet99. Die Zuordnung privatrechtlicher Einrichtungen darf jedoch nicht dazu verleiten, diese Einrichtungen nunmehr unmittelbar selbst als Träger des Selbstbestimmungsrechts zu betrachten mit der Folge, dass sie unabhängig von der verfassten Kirche Regelungen treffen könnten; das Selbstbestimmungsrecht und die damit verbundenen Privilegien sind ausschließlich der Religionsgesellschaft, also der verfassten Kirche zugeordnet.100
Für das Mitarbeitervertretungsrecht in der evangelischen Kirche hat dies zur Folge, dass nicht nur die Dienstverhältnisse mit der EKD oder einer Landeskirche der Rechtsetzungsmacht der Kirche unterliegen, sondern auch solche Dienstverhältnisse in privatrechtlich organisierten Einrichtungen wie dem Diakonischen Werk e.V.101 oder Krankhäusern in kirchlicher Trägerschaft102. § 1 MVG-EKD erhebt einen entsprechend weitreichenden Geltungsanspruch für das Mitarbeitervertretungsgesetz.
Dieser Erstreckung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auf privatrechtliche Einrichtungen der evangelischen Kirche tragen die staatlichen Arbeitsgesetze mit ihren Exemtionen zugunsten der Kirche allerdings nur teilweise Rechnung. So schließen die § 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG und § 1 Abs. 3 Nr. 2 SprAuG zwar ausdrücklich karitative und erzieherische Einrichtungen aus dem Anwendungsbereich der jeweiligen Gesetze aus. Infolgedessen unterfallen auch die meisten Einrichtungen der evangelischen Kirche bei einer weiten Auslegung nicht dem Anwendungsbereich der staatlichen Gesetze. Weitergehend sind jedoch auch sonstige Einrichtungen der Kirche, die im Zusammenhang mit ihrem Verkündigungsauftrag stehen, im Wege der verfassungskonformen Auslegung aus dem Anwendungsbereich der Gesetze herauszunehmen.103 Von den Exemtionen werden demnach nur solche Einrichtungen nicht erfasst, die auch nach dem kirchlichen Selbstverständnis in keiner Weise zum Verkündigungsauftrag beitragen und ausschließlich der gewerblichen Betätigung dienen.104
b. Ordnen und Verwalten
Die Kirche kann nach Art. 137 Abs. 3 WRV ihre eigenen Angelegenheiten ordnen und verwalten. Der Bereich des Ordnens umfasst dabei legislative Aufgaben, also die eigenverantwortliche Rechtsetzung. Beim Verwalten handelt es sich um die notwendige Ergänzung des Ordnens im Sinne der Gewährleistung einer exekutiven Eigenverantwortung, namentlich der Leitung und Organisation der Kirche und ihrer Einrichtungen samt Umsetzung der im Bereich des Ordnens erlassenen Vorschriften. Umfasst ist weiterhin auch die eigene Rechtskontrolle.105
Das Bundesverfassungsgericht umreißt das Selbstbestimmungsrecht daher in ständiger Rechtsprechung als eine „rechtlich selbstständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt“.106 Insoweit eine eigene Angelegenheit gegeben ist, können die Kirchen folglich ihr eigenes Recht setzen, die Durchführung durch eine eigene Verwaltung sicherstellen und eine von der staatlichen Judikative unabhängige Gerichtsbarkeit einrichten.
c. Bestimmung der eigenen Angelegenheiten
Die maximale inhaltliche Reichweite des Selbstbestimmungsrechts wird durch den Rahmenbegriff der eigenen Angelegenheiten festgelegt. Aufzuzeigen ist, dass das Mitarbeitervertretungsrecht als eigene Angelegenheit der Kirche in den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt.
aa. Maßstab: Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft
Die inhaltliche Konkretisierung, wann eine eigene Angelegenheit vorliegt, erfolgt nach heute überwiegender Ansicht nach dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft;107 die materielle Definitionskompetenz steht mithin den Religionsgesellschaften zu.108 Dieser Auffassung hat sich auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen.109 Der Grund für diese Zuordnung der materiellen Definitionskompetenz liegt darin, dass andernfalls