Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD). Christian Warns
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Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels25 steht die Frage nach der unmittelbaren und zwingenden, kurz der normativen Wirkung der Dienstvereinbarung. Der zentrale und die Untersuchung in diesem Kapitel leitende Gedanke ergibt sich aus der Überlegung, ob und auf welche Weise sich eine normative Wirkung gegenüber den Regelungsadressaten legitimieren lässt. Es wird aufgezeigt werden, dass im Grunde drei unterschiedliche Ansätze für die Legitimation einer Normwirkung in Betracht kommen (hierzu unter § 4).26 Der erste Ansatz setzt auf die Vorstellung, dass sich die normative Wirkung auf einen freiheitlichen Akt der Selbstbestimmung der Arbeitsvertragsparteien zurückführen lassen kann (hierzu unter § 5).27 Der zweite Ansatz bezieht demgegenüber die normative Wirkung der Dienstvereinbarung auf einen Akt staatlicher Rechtsetzung (hierzu unter § 6).28 Der dritte Ansatz geht wiederum von einer eigenständigen kirchlichen Legitimationsquelle aus und fragt, ob und in welchem Umfang der kirchliche Gesetzgeber in der Lage ist, die Dienstvereinbarung mit einer normativen Wirkung gegenüber ihren Regelungsadressaten auszustatten (hierzu unter § 7)29. Ausgehend von dem dritten Ansatz wird die normative Wirkung der Dienstvereinbarung in Abhängigkeit von der Reichweite der Regelungsbefugnis bejaht werden.
Im dritten Kapitel30 wird untersucht, wie weit die Befugnis der Dienststellenpartner zur Regelung von Arbeitsbedingungen in einer Dienstvereinbarung reicht. Aufgegriffen wird zunächst ein im Schrifttum verbreiteter Vorschlag, dem zufolge die Reichweite der Regelungsbefugnis schlicht in Anlehnung an das staatliche Rechtsinstitut der Betriebsvereinbarung bestimmt werden soll (hierzu unter § 8)31. Dieser Weg ist jedoch aus mehreren Gründen nicht gangbar, weshalb im Anschluss eine umfassende Auswertung der Vorschriften des Mitarbeitervertretungsrechts erfolgt, mittels derer versucht wird, die Reichweite der Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien positiv zu bestimmen. Zu diesem Zweck werden verschiedene Normen untersucht, aus denen sich eine umfassende Regelungsbefugnis ergeben könnte. Jedoch wird sich im Ergebnis keine Vorschrift des Mitarbeitervertretungsgesetzes als tragfähige Grundlage für die Annahme einer umfassenden Regelungsbefugnis erweisen (hierzu unter § 9)32.
Dieser Befund wird die Veranlassung dazu geben, die Reichweite der Regelungsbefugnis mittelbar anhand der Vorschriften über die Beteiligung der Mitarbeitervertretung zu bestimmen (hierzu unter § 10)33. Der weiteren Vorgehensweise in jenem Abschnitt liegt die Überlegung zugrunde, dass die Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien innerhalb des Kernbereichs der betrieblichen Mitbestimmung zugleich als Maßstab für die Regelungsbefugnis außerhalb dieses Kernbereichs herangezogen werden kann. Infolgedessen wird ein Schwerpunkt der Untersuchung auf den zentralen Beteiligungstatbestand des § 40 MVG-EKD über die Mitbestimmung in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten gelegt werden. Ausgehend vom Zweck der Mitbestimmung wird schließlich der nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz erforderliche Umfang der Regelungsbefugnis in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten erschlossen. Die Teleologie der Mitbestimmung wird tragend für die Annahme sein, dass sich die Regelungsbefugnis der Dienststellenpartner in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten an den einseitigen Gestaltungsbefugnissen der Dienststellenleitung orientiert. Da sich diese Erkenntnis als verallgemeinerungsfähig erweisen wird, lässt sich als Ergebnis des dritten Kapitels konstatieren, dass sich die Befugnis der Dienstvereinbarungsparteien zur Regelung von Arbeitsbedingungen zumindest im Regelfall akzessorisch zur einseitigen Regelungsbefugnis der Dienststellenleitung verhält. Deshalb sind die Dienststellenpartner grundsätzlich dazu berechtigt, für die Mitarbeiter sowohl begünstigende als auch belastende Regelungen zu treffen, wenn die Dienststellenleitung in einer nicht mitbestimmten Dienststelle zu einer einseitigen Gestaltung gegenüber den Mitarbeitern befugt wäre. Obgleich die Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien daher im Grundsatz nur von begrenztem Umfang ist, wird sich zudem erweisen, dass sich das Regelungsinstrument der Dienstvereinbarung einer individual- oder kollektivvertraglich begründeten Erweiterung der Regelungsbefugnis der Dienststellenpartner nicht verschließt. Die Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien kann deshalb durch den Arbeitsvertrag oder einschlägige Arbeitsrechtsregelungen respektive Tarifverträge erweitert werden.
Mit dem vierten Kapitel34 wird ausgehend von den Erkenntnissen des dritten Kapitels die Frage aufgeworfen, inwieweit es einer zusätzlichen Grenzziehung bedarf, wenn die Befugnis der Dienstvereinbarungsparteien zur Regelung von Arbeitsbedingungen dem Grunde nach gegeben ist. Mögliche Beschränkungen sind zum einen unter dem Aspekt der Sicherung der Individualfreiheit des Arbeitnehmers (hierzu unter § 11)35 und zum anderen hinsichtlich der Sicherung der Koalitionsfreiheit (hierzu unter § 12)36 zu diskutieren. Zum Schutz der Individualfreiheit wird es im Ergebnis für ausreichend gehalten, dass die Dienststellenpartner bei der Regelung von Arbeitsbedingungen durch eine Dienstvereinbarung nach § 33 Abs. 1 S. 3 MVG-EKD an die zwingenden Rechtssätze sowohl der kirchlichen als auch der staatlichen Arbeitsrechtsordnung gebunden sind. Schließlich gewährleistet § 36 Abs. 1 S. 2 und 3 MVG-EKD den Vorrang koalitionärer Regelungsformen, sodass auch die koalitionsfreiheitsgemäße Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Dienstvereinbarung festgestellt werden kann.
21Siehe S. 25 ff.
22Siehe S. 26 ff.
23Siehe S. 61 ff.
24Siehe S. 69 ff.
25Siehe S. 79 ff.
26Siehe S. 82 ff.
27Siehe S. 85 ff.
28Siehe S. 98 ff.
29Siehe S. 124 ff.
30Siehe S. 149 ff.
31Siehe S. 151 ff.
32Siehe S. 169 ff.
33Siehe S. 179 ff.
34Siehe S. 261 ff.
35Siehe S. 263 ff.
36Siehe S. 297 ff.
C. Weitere hervorzuhebende Untersuchungsschwerpunkte
Einige Einzelfragen, die in dieser Untersuchung en passant behandelt werden, sollen – die Einführung abschließend – zur leichteren Orientierung ebenfalls vorab benannt werden.
Im ersten Kapitel wird ein besonderes Augenmerk auf die Schrankenbestimmung des Art. 137 Abs. 3 WRV gelegt und ihre Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts herausgearbeitet