Rechtsgeschichte. Stephan Meder

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Rechtsgeschichte - Stephan Meder

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weitere Möglichkeit zum Eintritt der Frau in die manus des Mannes kennt, und zwar durch bloßen usus: Dazu kommt es, wenn die Ehefrau ein Jahr mit dem Mann zusammengelebt hat, es sei denn, sie hat alljährlich drei aufeinanderfolgende Nächte außer Haus verbracht (trinoctium). In diesem Fall gilt die Jahresfrist als unterbrochen (Tafel VI, 4). Zugunsten von Frauen ist so die Möglichkeit eröffnet, eine gewaltfreie (manus-freie) Ehe zu führen. Manus-Ehen und manus-freie Ehen existierten also schon in der Zwölftafelzeit nebeneinander, wobei damals die manus-Ehe die Regel und die manus-freie Ehe die Ausnahme war. In der spätrepublikanischen Zeit wird die manus-freie Ehe zum Normalfall, der usus verschwindet aus der Rechtspraxis und mit ihm das trinoctium. Das Kernelement der [<<40] manus-freien Ehe ist die Willensübereinstimmung (consensus facit nuptias). Im Unterschied zur manus-freien Ehe ist die Frage nach der Rolle des Konsenses bei Schließung einer manus-Ehe noch kaum geklärt. Anders als in der christlichen Tradition erschöpft sich nach römischer Vorstellung der Konsens nicht in einer einmaligen Einigung zum Zeitpunkt der Eheschließung (initiale Konsensstruktur). Vielmehr muss er während des Zusammenlebens ständig aufs Neue bestätigt werden (kontinuative Konsensstruktur): „Die moderne Ehe wird geschlossen, die römische wurde gelebt“ (G. Pacchioni, Manuale del diritto romano, 320). Da nichteheliche Lebensgemeinschaften – früher wie heute – ebenfalls auf einer kontinuativen Konsensstruktur beruhen, ist im römischen Recht die Grenze zur Ehe nicht immer leicht zu ziehen. Die Römer sehen das Problem der Abgrenzung eher im Bereich der gesellschaftlichen Wertung als in der juristischen Begriffsbildung (dazu kritisch A. Bürge, Römisches Privatrecht, 161).

      Ursprünglich hieß die Hausgewalt in allen ihren Anwendungsfällen manus. Später jedoch verstand man darunter nur noch die Gewalt über die Ehefrau, während man hinsichtlich der Kinder und Enkel von väterlicher [<<41] Gewalt (patria potestas) sprach. Die Herrschaft des pater familias war rechtlich nahezu unbeschränkt (ius vitae ac necis). Der Inhalt der ehelichen und väterlichen Gewalt umfasste auch die Befugnis, Strafen zu verhängen sowie das Recht, seine Kinder zu verkaufen, zu verheiraten und ihre Ehen zu scheiden (Tafel IV, 1). Ähnlich dominierend war die Stellung des pater familias in anderen frühen Rechtsordnungen, z. B. im Codex Hammurabi (ca. 1750 v. Chr.) oder im altjüdischen Recht. Es wäre allerdings falsch, diese Herrschaft für eine „totale“ zu halten. Der pater familias konnte von der ihm rechtlich zustehenden Vollgewalt aufgrund des geltenden Sakralrechts und den von der Sitte geschaffenen Bindungen nur in eingeschränktem Maße Gebrauch machen. Schwere Verfehlungen blieben daher die Ausnahme.

      In vermögensrechtlicher Hinsicht beinhaltete die Familiengewalt des pater familias das ausschließliche Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das gesamte Hausvermögen. Die Gewaltunterworfenen – sogar erwachsene Haussöhne, die selbst bereits verheiratet waren und Kinder hatten – konnten selbständige Rechte im zivilrechtlichen Sinne nicht wahrnehmen; sie waren unfähig, eigenes Vermögen zu haben. Vermögensfähigkeit erlangten sowohl Söhne als auch Töchter erst, wenn die patria potestas durch den Tod des Vaters oder durch Emanzipation (2. Kapitel 1.1, S. 57) erloschen war. Während der erwachsene Sohn dadurch völlig gewaltfrei (sui iuris) wurde, blieben die Frauen unselbständig: Die Ehefrau in manu des Verstorbenen und seine Töchter kamen unter die Vormundschaft der nächsten männlichen Verwandten. Diese Geschlechtsvormundschaft (tutela mulierum) gab dem Vormund (tutor) zwar nur noch eine begrenzte Gewalt über die Frau, berührte auch ihre Rechtsfähigkeit nicht mehr, schränkte sie aber weiterhin in ihrer Handlungsfähigkeit ein (7. Kapitel 2.2, S. 180). Zur Wirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Geschäfte bedurfte es nun der Zustimmung des Vormunds (tutor), so wie es früher der Zustimmung des pater familias bedurft hatte.

      Der Status der Frau war in der altrömischen Periode also durch lebenslange Gewaltunterworfenheit gekennzeichnet. Mit der fortschreitenden Verselbständigung der Frau im sozialen Leben kam es jedoch schon bald zu frauenfreundlichen Rechtsänderungen. Seit der späten Republik bildete sich neben der manus-Ehe auch die tutela mulierum immer stärker [<<42] zurück. Am Ende der klassischen Epoche erreichte die Frau hinsichtlich ihrer privatrechtlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit eine fast völlige Gleichstellung mit dem Mann (3. Kapitel 4.1, S. 90).

      Das Zwölftafelgesetz regelt Straf- und Deliktsrecht vor allem in der VIII. Tafel, in der sein kulturgeschichtlicher Standort besonders deutlich hervortritt. Archaische und in die Zukunft weisende Regelungen liegen dicht beieinander. Im Mittelpunkt steht das Prinzip privater Rache. Eine öffentliche Strafverfolgung ist noch kaum entwickelt, sie beschränkt sich auf einige gegen das Gemeinwohl gerichtete Delikte. Sogar die Bestrafung des Mörders bleibt der privaten Initiative der Agnaten [<<43] des Getöteten überlassen. Das Gesetz enthält aber auch Regeln, die der Rache Grenzen setzen, vgl. etwa Tafel VIII, 2:

      Wenn jemand [einem anderen] ein Glied verstümmelt, soll [der Täter] das Gleiche erleiden, wenn er sich nicht [mit dem Verletzten] gütlich einigt (si membrum rup(s)it, ni cum eo pacit, talio esto).

      Die physische Vergeltung mit dem gleichen Übel gestatten die Zwölf Tafeln aber nur bei schweren Körperverletzungen. Bei leichteren Verletzungen

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