Rechtsgeschichte. Stephan Meder

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Rechtsgeschichte - Stephan Meder

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auf dem Forum in Rom aufgestellten Tafeln sind der Nachwelt nicht erhalten geblieben. Vermutlich sind sie bereits 390 v. Chr. vernichtet worden, als die Gallier bei einem Eroberungsversuch große Teile der Stadt in Flammen aufgehen ließen. Heute sind nur noch Bruchstücke erhalten. [<<28] Unter den Fragmenten des Gesetzes unterscheidet man zwischen unmittelbaren und mittelbaren Resten. Die ersteren sind Bruchstücke aus dem Gesetzestext selbst, die dessen wirklichen Wortlaut bringen. Die antiken Quellen hierfür sind u. a. Cicero, Festus, Gellius, der ältere Plinius, die Juristen Gaius und Ulpian. Daneben gibt es zahlreiche mittelbare Quellen, die lediglich Angaben über den Inhalt des Gesetzes machen. Über die Anordnung dieses Materials bestehen viele Fragen, die sich wohl niemals abschließend klären lassen.

      Mehr als jede spätere literarische Quelle vermitteln die Zwölf Tafeln Einblicke in das Leben der altrömischen Periode. Cicero (106 – 43 v. Chr.) preist sie als „das starke und getreue Bild der Vergangenheit“. In ihnen sei die gesamte „Staatsordnung mit ihren Interessen und Teilen abgebildet“. Früher habe man den Text der Tafeln „wie ein unentbehrliches Lied“ (carmen necessarium) in der Schule auswendig gelernt, was nun aber, im ersten vorchristlichen Jahrhundert, nicht mehr üblich sei. Auch sagt man, dass ihr „wuchtig lapidarer Ausdruck“ seinesgleichen in der späteren Gesetzessprache nicht mehr wiederfand (Wieacker).

      Die Zwölf Tafeln bilden die wichtigste Quelle des alten ius civile (S. 56). Unter ius civile verstehen die Römer jenen Bereich der Privatrechtsordnung, der allein für den römischen Bürger gilt. Weil die römischen Bürger seit alters her auch „Quirites“ hießen, wurde das ius civile auch als ius Quiritium bezeichnet. Der deutsche Übersetzungsbegriff für ius civile ist „Zivilrecht“. Daneben sind in der modernen Fachsprache die Begriffe „Bürgerliches Recht“ und „Privatrecht“ (ius privatum) geläufig (zu den Unterschieden vgl. 21. Kapitel 1, S. 456.). Die Zwölf Tafeln suchen ein Recht umfassend darzustellen, das bislang weitgehend ungeschrieben war. Sie stehen an der Schwelle des Übergangs von der Mündlichkeit zu Denkformen der Schrift. Allerdings bezeichnet dieser Übergang keine Epochenschwelle, sondern eine kulturelle Transformation. Die bloße Aufzeichnung von Texten macht eine Kultur nicht schon zur Schriftkultur. Die vielen Spruchformeln und rituellen Elemente der in [<<29] den Zwölf Tafeln erwähnten Rechtsinstitute lassen vermuten, dass sich das geschriebene Wort hier nur in geringem Maße strukturierend auf das Recht auswirkt. Es handelt sich um verschriftlichte Mündlichkeit, deren Einfluss über das Ende der Antike hinaus bis ins Mittelalter und die Neuzeit reicht (S. 77.). Das römische Recht hat sich von der in den Zwölf Tafeln aufgezeichneten mündlichen Tradition zunächst also nicht abgesetzt, sondern diese in einzigartigem Umfang aufgenommen und weitergeführt. Die Folge war, dass Mündlichkeit und Schriftlichkeit über lange Zeit nebeneinanderstanden. Erst in der klassischen Epoche hat letztere eindeutig das Übergewicht erlangt.

      Die Zwölf Tafeln enthalten Vorschriften über den Ablauf des gerichtlichen Verfahrens, der Vollstreckung sowie über diejenigen Rechtsgebiete, die wir heute als Privat- und Strafrecht so sorgfältig voneinander abgrenzen. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. bildete das Bauerntum mit Viehzucht und Ackerbau die wirtschaftliche Grundlage der römischen Bevölkerung. Dementsprechend enthält das Zwölftafelgesetz eine beträchtliche Zahl von Regeln aus den Bereichen des Familien-, Erb- und Nachbarrechts. Von Handelsgeschäften und anderen schuldrechtlichen Verträgen ist in den erhaltenen Fragmenten dagegen nur sehr wenig die Rede. Dies mag auf die damals noch wenig entwickelten wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen sein. Erwähnt werden allerdings bereits die für die spätere Rechtsentwicklung wichtigen Libralakte und die Stipulation. Keine Regelung haben die Ordnung des Gemeinwesens und jener Teil des Rechts erfahren, welcher die Verhältnisse der Rechtsgemeinschaften als Träger hoheitlicher Gewalt betrifft. Die Beschränkung des Rechtsstoffs auf eine Zusammenfassung der Normen, die für das Recht des einzelnen Bürgers – des sog. kleinen Mannes – maßgebend waren, lässt an den Zweck des Gesetzes erinnern: Es sollte vor allem den sozial Schwachen Schutz vor Willkür bei der Rechtsfindung bieten. Der folgende Überblick über den damaligen Rechtszustand muss auf einige Beispiele aus dem Vermögens-, Familien-, Straf- und Deliktsrecht beschränkt bleiben. [<<30]

      Es gab einmal eine Zeit, in der Geld aus Vieh, Reis, Salz, Tabak oder ähnlichen nützlichen Dingen bestanden hat. Das lateinische Wort für Geld (pecunia) bezeugt, dass auch in Rom das Vieh (pecus) einmal Verrechnungseinheit gewesen ist. Der sich entwickelnde Handelsverkehr erzwingt indes schon bald eine Befreiung der Geldform aus ihrer Abhängigkeit vom Gebrauchsgut. Insbesondere der Handel über See sucht nach einem festen, beweglichen, dauerhaften, nicht verderblichen, zum Transport geeigneten Äquivalent und findet es im Metall. Am Anfang steht das ungemünzte, lediglich nach Gewicht bemessene Barrengeld. Im Wort für das englische Pfund klingt noch heute an, dass Geld ursprünglich eine Gewichtseinheit gewesen ist. Den entscheidenden Schritt in die Zukunft bedeutet der Übergang von den Metallbarren zu den kleinen Münzen aus Erz oder Kupfer (aes). Gegenüber dem alten Barrengeld hat die Münze den Vorteil, dass sie sich stückeln und relativ leicht transportieren oder thesaurieren lässt.

      Die ältesten römischen Geldgeschäfte sind die Libralakte, die auch als Geschäfte „durch Erz und Waage“ (per aes et libram) bezeichnet werden. Sie weisen zurück in eine Zeit, in der das römische Geld noch nicht aus Münzen, sondern aus Kupferbarren bestand, deren Wert sich nach der Höhe des Gewichts gerichtet hat. Die Libralakte werden in Form eines Rituals vollzogen, bei dem der Geldgeber dem Nehmer vor mindestens fünf Zeugen und dem Waagehalter (libripens) eine bestimmte Geldsumme zuwiegt. Formale Voraussetzungen sind ferner Gebärden und das Aussprechen bestimmter Worte oder Sätze, deren Inhalt – je nach Art und Alter des jeweiligen Geschäftstyps – divergiert.

      Die Libralakte geben Aufschluss über die Eigenarten eines Rechts, das auf struktureller Mündlichkeit beruht. Zu seinen Merkmalen gehören die Verwendung von Spruchformeln oder Gebärden und die Hinzuziehung von Zeugen. Der Gebrauch von Spruchformeln soll den Rechtsakt aus dem formlosen, unverbindlichen Fluss bloßen Gesprächs herausheben. Das Erfordernis von Zeugen dient der Absicherung mündlich getroffener Vereinbarungen. Die Zwölf Tafeln erwähnen mit mancipatio und nexum die beiden das altrömische Vermögensrecht beherrschenden Libralgeschäfte. Sie sagen aber nichts über ihre Handhabung in der Praxis. Wir sind hier auf die Überlieferung späterer Autoren angewiesen. Die wichtigste Quelle, welche Rückschlüsse auf die ursprüngliche Gestalt dieser Geschäfte zulässt, sind die im 2. Jahrhundert n. Chr. von dem römischen Juristen Gaius verfassten Institutionen (S. 84, 88).

      Ihre vielseitige Verwendbarkeit und der Umstand, dass die mancipatio im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung eine besondere Anpassungsfähigkeit bewiesen hat, lassen diesem Institut eine exemplarische Stellung im Bereich der altrömischen Geldgeschäfte zukommen. Bei Gaius (I, 119) findet sich die folgende Beschreibung

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