Rechtsgeschichte. Stephan Meder

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Rechtsgeschichte - Stephan Meder

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Rechtsform, wie schon gesagt, eine Art symbolischen Verkaufs und geht so [<<32] vor sich: Unter Zuziehung von wenigstens fünf mündigen römischen Bürgern als Zeugen und außerdem eines anderen von gleicher Rechtsfähigkeit, der die eherne Waage hält, des sogenannten Waagehalters, spricht der, welcher zu mancipium empfängt, indem er das Erz mit der Hand erfaßt, so: Ich behaupte, daß dieser Sklave nach quiritischem Recht mein ist, und er ist mir gekauft durch dieses Kupfer und die kupferne Waage. Dann stößt er mit dem Kupfer an die Waage und gibt dieses Kupfer demjenigen, von dem er zu mancipium empfängt, gleichsam anstatt des Kaufpreises (est autem mancipatio, ut supra quoque diximus, imaginaria quaedam venditio: quod et ipsum ius proprium civium Romanorum est; eaque res ita agitur: adhibitis non minus quam quinque testibus civibus Romanis puberibus et praeterea alio eiusdem condicionis, qui libram aeneam teneat, qui appellatur libripens, is, qui mancipio accipit, aes tenens ita dicit: Hunc ego hominem ex iure Quiritium meum esse aio isque mihi emptus esto hoc aere aeneaque libra; deinde aere percutit libram idque aes dat ei, a quo mancipio accipit, quasi pretii loco).

      Wie uns die angeführte Stelle sagt, handelt es sich bei der mancipatio nicht um einen eigentlichen Kauf, sondern um eine Art des symbolischen Verkaufs (imaginaria quaedam venditio). Gaius hat diesen Verkauf (venditio) deshalb als symbolisch (imaginaria) bezeichnet, weil zu seiner Zeit das alte Barrengeld längst nicht mehr in Umlauf und durch gemünztes Geld vollständig ersetzt worden war. Die Zahlung des Preises erfolgte nicht mehr durch die tatsächliche Zuwägung des Kupfers, sondern durch Anschlagen der Waage mit einem Geldstück (mancipatio nummo uno). Doch hat uns Gaius auch darüber informiert, welchen Zweck die Waage ursprünglich zu erfüllen hatte. Danach beruhte die mancipatio anfänglich auf einer wirklichen Wägung des als allgemeines Tauschmittel anerkannten Kupfers. Die Zuwägung bildet die frühzeitliche Form einer Bezahlung des Kaufpreises (vgl. Gaius I, 120 – 122).

      Das Anschlagen der Waage ist also der geschichtliche Überrest eines ursprünglich umfassenderen Vorgangs. Die vorstehende Textstelle erwähnt aber noch eine weitere Gebärde, und zwar den rituellen Ergreifungsakt, der dem Geschäft seinen Namen verliehen hat: Der Zahlende ergreift unter öffentlicher Autorität die zu erwerbende Sache oder Person und spricht die Formel: „Ich behaupte, dass dieser Sklave [als Beispiel] nach quiritischem Recht mein ist“ (hunc ego hominem ex [<<33] iure Quiritium meum esse aio). Sodann wird das Kupfer dem Gegner mit der Waage zugewogen, was im zweiten Teil der Spruchformel seinen Ausdruck findet: „Und er ist mir gekauft durch dieses Kupfer und die kupferne Waage“ (isque mihi emptus esto hoc aere aeneaque libra, Gaius I, 119). Den Quellen lässt sich entnehmen, dass das Wort mancipium auf die Handanlegung des Erwerbers (manu capere) zurückzuführen ist. Von einem gewöhnlichen Kaufgeschäft unterscheidet sich die mancipatio durch die besondere Einseitigkeit des Erwerbsrituals. Die Rolle des Veräußerers beschränkt sich auf die schweigende Duldung des Aktes und die Annahme des dargewogenen Geldes. In dieser Form gewinnt die mancipatio mit der Zeit die Bedeutung eines Barkaufs. Sie verschafft dem Erwerber die mancipium-Gewalt, die allerdings nur an Sklaven und bestimmten Sachgütern (res mancipi) ausgeübt werden darf (Gaius I, 120).

      Wie dem Anschlagen der Waage mit einem Geldstück in früherer Zeit eine wirkliche Zahlung in rohem Kupfer zu Grunde lag, so dürfte auch der zweite Gestus: der Ergreifungsakt, anfänglich auf einer realen Handlung beruht haben. Ursprünglich wird der Erwerber den Gegenstand nicht nur der Form halber, sondern zur Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft mit der Hand ergriffen haben. Mit ihrem eigentümlichen Ritual hätte die mancipatio damit Elemente aufbewahrt, deren Formalisierung in eine Zeit zurückweist, in der zur Durchführung von Austauschgeschäften noch kein allgemein anerkanntes Äquivalent vorhanden war, in der ein Erwerb aus eigener Kraft stattfand und in der die Gewalttat den eigentlichen Geltungsgrund für einen Besitzwechsel bildete.

      Über den Ergreifungsakt gibt aber noch ein weiterer Umstand Aufschluss, der mit dem altrömischen Eigentumsprozess zusammenhängt (legis actio sacramento in rem), aus dem sich später die rei vindicatio entwickelt hat. Noch heute sprechen wir von Vindikation oder Vindikationsanspruch, wenn ein Kläger sein Eigentum herausverlangt (§ 985 BGB). Begriffe wie vindicare (herausverlangen) oder vindex (Retter, Befreier) sind ein Kompositum aus vis (Gewalt) und dicere (sprechen, behaupten). Nach dem Bericht des Gaius (IV, 16) müssen Kläger und Beklagter jeweils sagen, die Sache gehöre ihm (meum esse). Der Kläger vindiziert, indem er die an die Gerichtsstätte (in iure) gebrachte, streitbefangene Sache [<<34] ergreift, mit dem Stab berührt (vindicta) und feierlich die Formel ausspricht: „Ich behaupte, dass dieser Sklave [als Beispiel] nach quiritischem Recht mein ist“ (hunc ego hominem ex iure Quiritium meum esse aio). Gewalt (vis) im Sinne der vindicatio ist also bloße Scheingewalt, sie darf durch Berührung und Aussprechen der Formel nur behauptet (dicta), nicht aber tatsächlich ausgeübt werden (Heumann-Seckel, S. 626). Wem die Sache wirklich zusteht, entscheidet nicht die Gewalt, sondern das Recht. Wieder liegt es nahe anzunehmen, dass den rechtlichen Handlungen ein Szenario zum Vorbild dient, wo derjenige, der einen Anspruch auf die Sache zu haben glaubt, diese nicht nur der Form halber, sondern tatsächlich sich nehmen wird (1. Kapitel 3, S. 47.).

      Der Manzipationserwerber bedient sich derselben Formel wie der Kläger im Eigentumsprozess. Bei der mancipatio erklärt der Veräußerer durch Schweigen jedoch sein Einverständnis mit der Ergreifung. Dagegen streitet der Beklagte bei der vindicatio mit dem Kläger, indem er die contravindicatio vollzieht: Auch er berührt die Sache mit dem Stab (vindicta) und spricht die Formel. Auf Befehl des Gerichtsherrn müssen beide die Sache dann loslassen. Der Kläger fragt anschließend den Beklagten, warum er vindiziere (herausverlange). Dieser antwortet, weil er Eigentümer sei. Schließlich behaupten die Parteien unter Eid (sacramentum), der andere habe jeweils zu Unrecht vindiziert. Letztlich geht es darum zu beweisen, wem die Sache eher gehört als dem Gegner. Die Entscheidung fällt der Gerichtsherr. Sie betrifft nur das Verhältnis der Beteiligten. Ob die Sache möglicherweise einem Dritten gehört, wird nicht erörtert.

      Der Eigentümer kann seine Sache im Rahmen eines Eigentumsprozesses von jedem herausverlangen, bei dem er sie findet, ohne dass es darauf ankäme, ob der augenblickliche Besitzer für den Erwerb bezahlt hat, ob sie dem Eigentümer gestohlen wurde oder sonst abhanden gekommen ist oder ob er sie freiwillig aus der Hand gegeben hat. Wer eine Sache im Wege der mancipatio erworben hat, muss daher jederzeit damit rechnen, dass ein Dritter nachträglich als Eigentümer auftritt und sie im Eigentumsprozess herausverlangt. Bei solchen Rechtsproblemen, die wir heute unter dem Stichwort „gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten“ erörtern, zeigt sich eine weitere Besonderheit der mancipatio. [<<35]

      Die modernen Regelungen über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten dienen dem Schutz des Rechtsverkehrs: Ist der Veräußerer einer Sache nicht Eigentümer und nicht zur Verfügung befugt, so kann im Grundsatz dennoch Eigentum erworben werden (§§ 932 ff. BGB). Dagegen macht die mancipatio den Erwerber nur dann zum Eigentümer, wenn es auch der Veräußerer gewesen ist. Entsteht nachträglich ein Streit über das Eigentum an der Sache (vindicatio), so ist der Manzipationserwerber gezwungen, sich gegenüber dem von dritter Seite geltend gemachten Eigentumsherausgabeanspruch zu verteidigen. Zur Unterstützung kann er sich hier der Gewährschaftshilfe (auctoritas) seines Veräußerers (auctor) bedienen. Hintergrund ist der Gedanke, dass der auctor über das bisherige Schicksal der Sache meist besser unterrichtet ist als der Erwerber. Unterlässt dieser die Hilfeleistung oder gelingt dem Dritten der Nachweis der Unrechtmäßigkeit des Besitzes, dann haftet er dem Erwerber für den doppelten Betrag der Manzipationssumme. Die Gewährschaft (auctoritas) führt also zu einer Verstärkung der Rechtsposition des Manzipationserwerbers und dient insoweit auch dem Schutz des Rechtsverkehrs. Dieser Bestimmung der auctoritas ist der moderne Begriff ‚Autorität‘ entsprungen, worauf noch zurückzukommen ist (S. 81).

      Als Zug-um-Zug-Geschäft erzeugt die mancipatio keine ‚Distanzwirkung‘ im Sinne von zeitlich aufgeschobenen oder weiterwirkenden Verpflichtungen. Hier liegt der Hauptunterschied zum nexum, einem Darlehnsgeschäft. Das Darlehn gehört zu den ersten Geschäften, die zeitliche

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