Klausurenkurs im Strafprozessrecht. Marco Mansdörfer
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(3) | Die besseren Gründe streiten für die zweite Ansicht. Der Staatsanwaltschaft wird ihre Unabhängigkeit nicht genommen, vielmehr steht es ihr frei, eine gegenteilige Rechtsauffassung im Gerichtsverfahren zu vertreten und einen Freispruch zu beantragen.[30] |
Damit war S verpflichtet, an der Strafverfolgung mitzuwirken. Die Voraussetzung für eine Garantenstellung ist erfüllt. Folglich hat S den objektiven Tatbestand des § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 StGB durch Unterlassen verwirklicht.
2. Subjektiver Tatbestand § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB
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S handelte zumindest bedingt vorsätzlich hinsichtlich der Vortat und mit dolus directus ersten Grades hinsichtlich der Vereitelung der Bestrafung des J aus § 265a StGB. Er wusste auch, dass er als Staatsanwalt zur Mitwirkung an der Strafverfolgung verpflichtet ist. Sein bedingter Vorsatz erstreckte sich mithin auf seine Mitwirkungspflicht sowie seine Amtsträgereigenschaft.
3. Rechtswidrigkeit
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S könnte indes gerechtfertigt gehandelt haben. Da er durch seine Entscheidung, das Strafverfahren einzustellen, als Amtsträger bei der Entscheidung über eine Rechtssache gehandelt hat (siehe oben), bewegte sich sein Verhalten innerhalb des gegenständlichen Bereichs des Tatbestands der Rechtsbeugung. Dessen Untersuchung hat jedoch ergeben, dass sein Verhalten keine strafbare Rechtsbeugungshandlung darstellt. Fraglich ist, ob diesem Umstand eine rechtfertigende Wirkung hinsichtlich der verwirklichten Strafvereitelung im Amt zukommen kann. Dies, wie auch die sonstige Wirkung der nichtverwirklichten Rechtsbeugung für weitere durch die rechtliche Entscheidung verwirklichte Delikte, ist umstritten.
a) Rechtfertigung aus amtlichem Handeln
aa) E.A. rechtfertigende Wirkung der Nichtverwirklichung der Rechtsbeugung
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Nach einer Ansicht soll eine den Tatbestand der Rechtsbeugung nicht verwirklichende Entscheidung bzw. Leitungshandlung in einer Rechtssache bei verwirklichten Delikten einen Spezialfall der Rechtfertigung aus amtlichem Handeln darstellen.[31] Begründet wird dies mit der Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 339 StGB eine für die Strafbarkeit im Zusammenhang mit rechtlichen Entscheidungen abschließende Regelung getroffen hat. Der Tatbestand der Rechtsbeugung diene nicht nur dem Schutz der Rechtspflege, sondern umgekehrt auch dem Schutz der inneren Unabhängigkeit der Rechtspflegeorgane. Daher konstituiere die Rechtsbeugung innerhalb ihres Anwendungsbereichs im Falle der Nichtverwirklichung eine Sperrwirkung für alle anderen verwirklichten Delikte. Sofern dem Richter oder sonstigen Amtsträger bei der Entscheidung oder Leitung der Rechtssache kein darüberhinausgehender gravierender Rechtsverstoß vorzuwerfen ist, ist sein tatbestandliches Handeln als Diensthandeln gerechtfertigt.[32] Rechtsdogmatisch realisierbar sei diese in der Sache zutreffende Sperrwirkung lediglich über den Rechtfertigungsgrund des amtlichen Handelns. Ungeachtet der dogmatischen Begründung kommt nach allgemeiner Ansicht die Sperrwirkung nicht nur dem Richter, sondern auch dem Staatsanwalt zugute.[33] Hiernach wäre das Verhalten des S gerechtfertigt.
bb) Konkurrenzlösung
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Die h.M. erkennt grundsätzlich die Sperrwirkung der Rechtsbeugung an. Sie begründet dies mit denselben grundlegenden Argumenten, wie die Ansicht vom Rechtfertigungsgrund des amtlichen Handelns. So diene die Rechtsbeugung nicht nur dem Schutz der Rechtspflege vor Angriffen von innen, sondern umgekehrt auch dem Schutz ihrer Unabhängigkeit, sodass § 339 StGB gewissermaßen für die Strafbarkeit von Handlungen bei der Befassung mit einer Rechtssache eine abschließende Regelung treffe.[34] Die Sperrwirkung des § 339 StGB stelle jedoch einen Fall der Spezialität dar, der alle bei der rechtlichen Entscheidung in Idealkonkurrenz verwirklichten Delikte ausschieße.[35] Eine Rechtfertigung wäre hiernach ausgeschlossen.
cc) A.A Straflosigkeit über die allgemeinen Grundsätze
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Eine weitere Ansicht lehnt die Existenz einer Sperrwirkung der Rechtsbeugung ab. Weder für die Konkurrenzlösung der h.M. noch für einen gesonderten Rechtfertigungsgrund bestünde eine normative Grundlage. Der nicht nach der Rechtsbeugung strafbare Richter oder Amtsträger bleibe nach den anderen Delikten vielmehr durch entsprechende Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Strafbarkeit straflos, so etwa analog § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.[36] Auch nach dieser Ansicht wäre eine Rechtfertigung des S ausgeschlossen.
dd) Stellungnahme
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Für die Frage der Rechtfertigung des Verhaltens des S kommen die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass der Streit zu entscheiden ist. Der herrschenden Konkurrenzlösung ist hierbei insgesamt zuzustimmen. Dogmatisch handelt es sich bei der Sperrwirkung der Rechtsbeugung zutreffend um einen Sonderfall der Gesetzeskonkurrenz. Der Fall der Sperrwirkung des Nichteingreifens von Tatbeständen beruht auf dem Gedanken der Konkurrenzregel von der Gesetzesspezialität. Im Gegensatz zur Ausgangsform, bei der beide Tatbestände erfüllt sein müssen, geht es bei dieser Form der Gesetzeskonkurrenz um die Sperrwirkung des partiellen Eingreifens eines Tatbestands. Sie stützt sich auf den Gedanken der abschließenden Regelung der Strafbarkeit in bestimmten Fällen, wie der exklusiven Erfassung richterlichen Fehlverhaltens bei der Entscheidung einer Rechtssache. Sie ist auch bei anderen Tatbeständen durchaus anerkannt (vgl. §§ 113 und 240 oder § 258 gegenüber § 267 StGB).[37] Eine gesonderte Begründung der Straflosigkeit des Täters mittels eines speziellen Rechtsfertigungsgrunds oder etwa über eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Grundsätze ist daher entbehrlich.
b) Zwischenergebnis
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Eine Rechtfertigung des Verhaltens kommt mithin nicht in Betracht.
S handelte somit rechtswidrig.
4. Schuld
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Entschuldigungsgründe sowie persönliche Strafausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.
5. Sperrwirkung der Rechtsbeugung
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Da S den Tatbestand der Strafvereitelung durch Unterlassen in Ausübung der ihm amtlich eingeräumten Entscheidung über eine Rechtssache verwirklicht hat, ist § 258a, § 13 Abs. 1 StGB in seinen Rechtsfolgen aufgrund der Nichtverwirklichung der Rechtsbeugung als insoweit für die Strafbarkeit abschließende Regelung gesperrt.
6. Ergebnis