Klausurenkurs im Strafprozessrecht. Marco Mansdörfer
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(3) Objektive Theorie und Rechtsprechung
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Nach der herrschenden objektiven Theorie muss der Täter bei seiner Entscheidung das Recht klar verletzt haben und mithin eine Entscheidung getroffen haben, die in klarem Widerspruch zu Recht und Gesetz steht.[15] Zusätzlich verlangt die Rechtsprechung, dass nicht jede unrichtige Rechtsanwendung den Tatbestand der Rechtsbeugung verwirklichen soll, sondern dass der Rechtsbruch einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt, bei der der Täter sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt haben muss.[16] Wie bereits oben geschildert, waren die anzuwendenden Normen des formellen und materiellen Rechts in ihren Voraussetzungen und ihrer Reichweite umstritten. Eine klare und schwerwiegende Verletzung des Legalitätsprinzips ist deshalb nicht zu erkennen, weil die Bindung des Staatsanwalts an die höchstrichterliche Rechtsprechung prozessrechtlich umstritten ist. Mithin liegt in der Entscheidung des S auch nach dieser Meinungsgruppe keine taugliche Rechtsbeugungshandlung.
Mithin stellt der Erlass der Einstellungsverfügung keine tatbestandliche Handlung dar.
b) Zwischenergebnis
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Der objektive Tatbestand ist nicht verwirklicht.
2. Zwischenergebnis
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S handelte daher nicht tatbestandlich.
3. Ergebnis
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S hat sich nicht wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit gemäß § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB
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S könnte sich durch Einstellung des Ermittlungsverfahrens und Nichtanklage des J wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Dafür müsste er absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt haben, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat dem Strafgesetz gemäß bestraft wird oder einer Maßnahme unterworfen wird, § 258 Abs. 1 StGB. Daneben müssten die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 StGB erfüllt sein und S müsste als Amtsträger gehandelt haben, § 258a Abs. 1 StGB.
1. Objektiver Tatbestand von § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB
a) Tauglicher Täter
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S war als Staatsanwalt Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB und zur Mitwirkung am Strafverfahren berufen.
b) Strafbare fremde Vortat
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Daneben müsste eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Vortat eines anderen vorgelegen haben. Im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt das Verhalten des J das Erschleichen einer Leistung i.S.d. § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB dar und laut Sachverhalt sind alle weiteren Voraussetzungen erfüllt.
c) Vereitelungserfolg
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Darüber hinaus müsste S die Bestrafung des J aus dieser Tat vereitelt haben. Darunter versteht man jede Besserstellung des Täters im Hinblick auf den staatlichen Anspruch auf Verhängung oder Androhung der Strafe oder Maßnahme.[17] Die Tat kann grundsätzlich auch durch Unterlassen begangen werden.[18]
J wurde infolge der Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht bestraft, der Taterfolg ist mithin eingetreten.
d) Vereitelungshandlung durch begehungsgleiches Unterlassen gem. § 13 Abs. 1 StGB
aa) Unterlassen gebotener Handlung/Quasi-Kausalität
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S hat die zur Erfolgsabwendung gebotene Handlung, die Erhebung der Anklage, unterlassen. Das Unterlassen war auch kausal für den Erfolgseintritt.
bb) Garantenstellung
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Fraglich ist aber, ob S eine Garantenstellung innehat. Eine solche besteht nur bei Personen, die gesetzlich dazu berufen sind, an der Strafverfolgung mitzuwirken.[19] § 152 Abs. 2 StPO begründet für die Staatsanwaltschaft die Pflicht, wegen einer verfolgbaren Straftat einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Gemäß § 170 Abs. 1 StPO muss die Staatsanwaltschaft schließlich die öffentliche Anklage erheben, sofern ein hinreichender Tatverdacht besteht (Legalitätsprinzip).[20] Offen ist aber, wer darüber befindet, ob insoweit eine verfolgbare Straftat i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO vorliegt. Hierbei kann das Problem entstehen, dass die Staatsanwaltschaft das Verhalten entgegen der Rechtsprechung für straflos hält oder umgekehrt.[21]
Vorliegend ist S entgegen der Rechtsprechung davon überzeugt, dass das „schlichte Schwarzfahren“ nicht unter den Tatbestand des Erschleichens von Leistungen nach § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB fällt. Fraglich ist, ob er an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden ist. Dies ist umstritten.
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(1) | Im Schrifttum wird eine Bindung teilweise verneint.[22] Argumentiert wird dabei mit der Stellung der Staatsanwaltschaft, welche nach § 150 GVG von den Gerichten unabhängig ist.[23] Ihr obliege es deshalb, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Straftat in eigener Verantwortung zu beurteilen.[24] Das Legalitätsprinzip begründe zwar die Pflicht der Staatsanwaltschaft strafbare Handlungen zu verfolgen, besage aber nicht, dass die Staatsanwaltschaft über die Strafbarkeit nicht nach ihrer eigenen Auffassung urteilen dürfe.[25] |
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(2) |
Die Rechtsprechung und ein Großteil der Literatur gehen hingegen von einer Bindungswirkung aus.[26] Dafür sprechen das Prinzip
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