Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
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Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass die befürchtete Beweisnot durch „organisierte Unverantwortlichkeit“ mit empirischen Daten bislang nicht belegt ist und allenfalls sehr selten auftreten dürfte.[325] Im Regelfall sind klare Organisationsstrukturen und geordnete interne Kommunikations- und Informationssysteme vorhanden, werden Entscheidungen und Tätigkeiten fortlaufend dokumentiert.[326] Die Verantwortlichen werden daher ermittelt, auch und gerade in der Führungsebene.[327] Hierzu trägt vor allem § 130 OWiG bei, der die Leitungspersonen zur sorgfältigen Auswahl von Mitarbeitern, sachgerechten Aufgabenverteilung und Instruktion, ausreichenden Überwachung und zum Eingreifen bei Verstößen anhält. Gerade in Großunternehmen, aber auch in vielen anderen Unternehmen, wurden in den letzten Jahren verstärkt Compliance-Organisationen etabliert, die – worauf eine neuere empirische Studie[328] hindeutet – dort zu einem signifikanten Rückgang der Wirtschaftskriminalität geführt haben. In bestimmten Bereichen, wie bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, ist die Einrichtung von Compliance-Organisationen sogar gesetzlich vorgeschrieben. Im Übrigen ist die Lösung von Beweisproblemen nicht die Aufgabe des materiellen Strafrechts, sondern des Prozessrechts.[329] Eine gezielte Verschleierung der wahren Verantwortung lässt sich auch durch die Einführung eines Verbandsstrafrechts nicht ausschließen.[330] Diesbezüglich wird auf die Erfahrungen in den USA verwiesen, wo von Unternehmen eine „Kooperation“ in Form der Belastung der für die Tat verantwortlichen Mitarbeiter erwartet wird, um die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu demonstrieren und damit eine Strafmilderung oder gar Verfahrenseinstellung zu erreichen.[331] Daher könnte auch in Deutschland der Druck auf die Unternehmen zunehmen, wenn nicht mehr bloße Geldbußen, sondern Geldstrafen drohen.[332]
b) Pflichten von Individualtätern und Zurechnungsstrukturen
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Für die Einführung eines Verbandsstrafrechts wird weiter angeführt, der Versuch, die Unternehmenskriminalität zu bewältigen, habe in der Rechtsprechung zu einer Überdehnung des Individualstrafrechts geführt.[333] Leitungspersonen seien immer strengere und häufig kaum noch erfüllbare Pflichten auferlegt worden (z.B. die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung), um zu einer Bestrafung zu gelangen. Auch Strafvorschriften, die an die Verletzung von Pflichten anknüpfen (z.B. § 266 StGB), seien so weit ausgedehnt worden, dass sie kaum noch dem Bestimmtheitsgebot genügen. Zudem seien bedenkliche Zurechnungsstrukturen anerkannt worden, wie die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft („Täter hinter dem Täter“) und die Mittäterschaft bei Leitungsgremien.[334] Ein Verbandsstrafrecht könne „Druck“ herausnehmen und bewirken, dass die Pflichten auf ein angemessenes Maß zurückgeführt und die Zurechnungsstrukturen auf ihren Kernbestand reduziert werden.
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Gegen diese Argumentation wird zu Recht eingewandt, dass die Rechtsprechung zwar in Einzelfällen zu weit gegangen sein mag, insgesamt aber keine Überdehnung festzustellen ist.[335] So lässt sich die „strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung“, wonach Leitungspersonen für die Nichthinderung von Straftaten untergeordneter Personen als Garanten einstehen müssen, auf Verkehrssicherungspflichten stützen; außerdem bereitet der notwendige Nachweis der strafrechtlichen Beteiligung einer Leitungsperson in der Praxis angesichts der Anforderungen an Kausalität und subjektive Tatseite regelmäßig große Schwierigkeiten, weshalb regelmäßig auf § 130 OWiG ausgewichen wird.[336] Im Übrigen ist anzunehmen, dass die Rechtsprechung auch nach der Einführung eines Verbandsstrafrechts an bereits etablierten Zurechnungsstrukturen festhalten wird.[337]
c) Individualstrafandrohung und Freistellungsklausel
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Schließlich wird für ein Verbandsstrafrecht angeführt, dass sich die Geldstrafe eines Individualtäters nur an seinen persönlichen Verhältnissen orientiert, nicht aber an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens. Daher würden gegen Individualtäter
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Hiergegen ist aber einzuwenden, dass mit der Verbandsgeldbuße bereits heute nicht nur die Vorteile, die ein Unternehmen unrechtmäßig gezogen hat, abgeschöpft werden können, sondern auch die „fehlerhafte kollektive Sinnsetzung“, die mit der Straftat verbunden ist, geahndet werden kann (Rn. 70). Dass die Geldstrafe Individualtäter möglicherweise im Ergebnis finanziell nicht mehr trifft, ist die Folge der neueren Rechtsprechung zur Strafvereitelung. Es ist nicht zu erwarten, dass die Einführung eines Verbandsstrafrechts Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Erstattung von Geldstrafen haben wird.
4. Verbandsverantwortung
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Sehr kontrovers wird diskutiert, ob die bestehende Verbandsverantwortung ausreichend ist, oder ob Defizite bestehen, die mit der Einführung eines Verbandsstrafrechts beseitigt werden müssen.
a) Sanktionsinstrumentarium
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Die Befürworter eines Verbandsstrafrechts führen an, dass das vorhandene Sanktionsinstrumentarium unzureichend sei und ein Präventionsdefizit bestehe.[342] Im Ausland würden neben Verbandsgeldstrafen weitere, z.T. sehr scharfe Sanktionen und Maßnahmen drohen, die in Deutschland bislang nicht bzw. nicht im Rahmen der Verbandsgeldbuße angeordnet werden können:[343] Eintragung der Verurteilung in ein Strafregister; Ausschluss von öffentlichen Aufträgen oder Zuwendungen; zeitweise oder dauerhafte Betriebsbeschränkung und Betriebsschließung; Betriebsauflösung; Zwangsaufsicht bzw. Kuratel durch einen Treuhänder oder ein Gremium; Entlassung von Mitarbeitern; Änderung der Inhaberverhältnisse und Ausschluss von Gesellschaftern; Anteilsverwässerung; öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung; staatliche Warnhinweise; Werbeverbote; Auflagen, Anordnungen und Weisungen. Daher könne das geltende Recht „nicht die Anreize setzen, die erforderlich wären, um auf die Unternehmenskultur in Deutschland flächendeckend Einfluss auszuüben“.[344]
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Die Gegner eines Verbandsstrafrechts halten dem entgegen, dass das Sanktionsinstrumentarium ausreichend