Die Rechte des Verletzten im Strafprozess. Klaus Schroth
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![Die Rechte des Verletzten im Strafprozess - Klaus Schroth Die Rechte des Verletzten im Strafprozess - Klaus Schroth Praxis der Strafverteidigung](/cover_pre1171365.jpg)
Ob dem Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht zusteht, ist eine noch immer ungeklärte und umstrittene Frage.[15] Diesbezüglich existiert nach wie vor keine gesetzliche Regelung, wie dies zwischenzeitlich beim Verletztenbeistand nach § 406e StPO der Fall ist. Der Zeugenbeistand nach § 68b StPO hat nach wohl überwiegender Meinung kein Recht zur Akteneinsicht, das über jenes aus § 475 StPO hinausgeht.[16] Begründet wird dies damit, dass er nicht mehr Rechte haben soll als der Zeuge selbst.[17] Voraussetzung ist jedenfalls stets die Geltendmachung eines berechtigten Interesses. Dieses besteht richtigerweise darin, dass der Zeugenbeistand die Interessen des Zeugen kaum sachgerecht wahrnehmen kann, wenn er allein auf die Angaben eines Zeugen angewiesen ist, der selbst nicht in der Lage ist, seine Rechte eigenständig wahrzunehmen.[18] Gerade in den Fällen, in denen es um das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrecht geht, ist die Gewährung von Akteneinsicht aus anwaltlicher Sicht jedoch zwingend erforderlich, um den Mandanten sachgerecht beraten zu können. Nur nach genauer Kenntnis des Verfahrensgegenstands können Fragen nach dem Umfang von Auskunftsverweigerungsrechten beantwortet werden. Die Akteneinsicht ist vielfach zwingende Voraussetzung für einen wirksamen und effektiven Schutz des Zeugen.[19] Der Zeugenbeistand sollte wenigstens insoweit Akteneinsicht erhalten, als dies für die Wahrnehmung der Zeugenrechte erforderlich ist. Das Akteneinsichtsrecht kann sich demnach auch auf Teile der Akten beschränken, die insbesondere den Tatvorwurf, etwa der polizeiliche Abschlussbericht oder die Anklageschrift und den Zeugen betreffen, etwa Protokolle früherer Vernehmungen des Zeugen oder Niederschriften über Aussagen mit Bezug zum Zeugen.[20] Die Entscheidungen des Vorsitzenden hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts sind nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
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Hinweis
Auf jeden Fall sollte der Zeugenbeistand Akteneinsicht beantragen, auch wenn die Erzwingung nicht möglich ist. Hilfsweise kann für den Fall der Verweigerung einer vollumfänglichen Akteneinsicht die Überlassung einer Kopie der Anklageschrift sowie anderer Teile der Akten beantragt werden, bei denen nach der Darstellung des Mandanten zu vermuten ist, dass sie für die Beratung des Zeugen gebraucht werden.[21]
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › III. Rechte des anwaltlichen Zeugenbeistands › 4. Anwaltliche Vorbereitung der Zeugenvernehmung
4. Anwaltliche Vorbereitung der Zeugenvernehmung
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Der anwaltliche Zeugenbeistand muss häufig bereits vor der Hauptverhandlung tätig werden, damit eine sachgerechte Betreuung des Zeugen im Vernehmungstermin erfolgen kann. Insofern besteht in der Vorgehensweise kein Unterschied zur klassischen Strafverteidigung. Der Zeugenbeistand hat nach Übernahme des Mandats zunächst die Aufgabe, sich möglichst schnell mit dem Verfahrensgegenstand vertraut zu machen, den Mandanten zu befragen und sodann zu beraten. Dadurch können mögliche Risiken und Umstände, die zu Konflikten mit den anderen Verfahrensbeteiligten führen können, frühzeitig erkannt werden. Häufig ist auch eine weitergehende Informationsbeschaffung erforderlich, die in bestimmten Fällen in der Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger des Angeklagten bestehen kann.
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Im Hinblick auf die notwendige Befragung des Zeugen zur Vorbereitung der Vernehmung ist mitunter von zentraler Bedeutung, dass dem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht über den Inhalt des Beratungsgesprächs zustehen muss. Relevant wird dies insbesondere dann, wenn es in der Hauptverhandlung zu einer Auseinandersetzung mit den übrigen Verfahrensbeteiligten über ein mögliches Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht oder gar den Inhalt der Zeugenaussage kommt. Dem Rechtsanwalt steht jedenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu. Hingegen müsste der Zeuge aussagen. Ein wirksamer Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt wird in der besonderen Mandatssituation des Zeugenbeistandes aber nur dann gewährleistet, wenn der Zeuge über den Inhalt des Beratungsgespräches die Aussage verweigern kann. Die verfassungskonforme Auslegung der Art. 1, 2 GG in Verbindung mit der verfassungsrechtlichen Herleitung der Funktion des Zeugenbeistands sowie der Umstand, dass kein Zeuge gezwungen sein kann, seinen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung auszubreiten, hat die Ablehnung einer erzwingbaren Durchsichtigkeit der Mandatsbeziehung zur Folge.[22] Im Ergebnis erscheint dies auch deshalb unproblematisch, weil eine Verkürzung der Sachaufklärungsmöglichkeit gegenüber dem Fall der Vernehmung eines Zeugen ohne Beistand nicht erfolgt. Es wird lediglich der durch die Inanspruchnahme eines Anwalts zusätzlich entstehende Sachverhalt der Offenbarungspflicht entzogen.[23]
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Prinzipiell ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, mehrere Zeugen zu vertreten.[24] Eine Doppelvertretung scheidet jedoch aus, wenn die gesteigerte Gefahr von Interessengegensätzen besteht. Aus § 45 Nr. 2 BRAO, § 356 StGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BerufsO ergibt sich, dass ein Rechtsanwalt als Zeugenbeistand nicht für Mandanten mit widerstreitenden Interessen tätig werden darf, selbst wenn die Mandanten mit der Doppelvertretung einverstanden sind. Ein Interessengegensatz kommt beispielsweise in Betracht, wenn einer der Zeugen daneben auch noch Nebenkläger oder Adhäsionskläger ist. Grundsätzlich wird der Rechtsanwalt in demselben Verfahren nicht zugleich als Verteidiger und als Zeugenbeistand auftreten können.[25] Eine Zurückweisung des anwaltlichen Zeugenbeistands durch die vernehmende Stelle ist mangels gesetzlicher Grundlage allerdings nicht möglich.[26]
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Bereits im Vorfeld des Vernehmungstermins sollte der Rechtsanwalt abklären, welche Rechte dem Zeugen zustehen und ob diese zur Wahrung seiner Interessen in Anspruch genommen werden können.
Anmerkungen
BVerfGE 38, 105, 116.
BVerfGE 38, 105 ff.
Allgemein Klengel/Müller NJW 2011, 23.
BVerfGE 38, 105, 116; M-G/S StPO Vor § 48 Rn. 11.
AG Neuss StraFo 1999, 139.
Allgemein Stoffers NJW 2013, 1495.
BGHSt 55, 257.
Daimagüler Der Verletzte im Strafverfahren, Rn. 133.