Einführung in die Praxis der Strafverteidigung. Olaf Klemke

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Einführung in die Praxis der Strafverteidigung - Olaf Klemke страница 24

Автор:
Жанр:
Издательство:
Einführung in die Praxis der Strafverteidigung - Olaf Klemke Praxis der Strafverteidigung

Скачать книгу

Verstoß gegen § 44 BRAO ist eine Berufspflichtverletzung. Gründe, ein angetragenes Mandat abzulehnen, können im Gegenstand des Mandates oder in der Person des Mandanten liegen.

      36

      So mancher Kollege lehnt Mandate aus gewissen Deliktsbereichen ab. Dies betrifft insbesondere Sexualstraftaten an Kindern und politische Strafsachen. Die Natur des erhobenen Tatvorwurfes allein rechtfertigt die Ablehnung eines Mandates jedoch nicht. Eine derartige Einstellung würde der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK widersprechen, deren Garant auch der Strafverteidiger sein sollte. Im Übrigen hat selbst ein Mitmensch, der die allerschlimmsten Verbrechen glaubhaft eingestanden hat, einen Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren. Hierzu gehört auch und gerade die Gewährleistung einer sachgerechten und effektiven Verteidigung. Es ist zu bedenken, dass gerade in einem solchen Fall nicht nur die Gesellschaft geschlossen den Täter ächtet. Zusätzlich hat dieser Mensch auch noch den Staat mit seiner unermesslichen Machtfülle in Gestalt der Strafjustiz gegen sich. Der Beistand durch den Verteidiger stellt bei dieser Sachlage nur ein winziges Stück „sozialer Gegenmacht“ dar, welches man dem Beschuldigten nicht vorenthalten darf. Der von Laien gelegentlich ohne jedes Verständnis für eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege erhobene Vorwurf, wie man denn nur einen solchen Menschen verteidigen könne, sollte den Verteidiger an der Übernahme auch „heikler“ Mandate nicht hindern.

      37

      38

      Der Verteidiger sollte jedoch darauf achten, dass er sich – insbesondere in „politischen“ Verfahren – seine Unabhängigkeit vom Mandanten bewahrt. Er sollte sich keinesfalls zum „Sprachrohr“ der politischen Überzeugung seines Mandanten machen, vielmehr das Mandat betont sachlich führen. Politische Propaganda des Verteidigers für den Mandanten schadet letztendlich dem Mandanten. Der Verteidiger wird nämlich, wenn er zum politischen Agitator seines Mandanten avanciert, seine Integrität und damit seine Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einbüßen.

      39

      Eine damit verbundene Frage ist diejenige, ob sich ein politischer „Überzeugungstäter“ von einem Verteidiger vertreten lassen sollte, der den politischen oder weltanschaulichen Ansichten seines Mandanten nahesteht. Ratsamer ist es, wenn die Verteidigung ein politisch „neutraler“ oder „gegnerischer“ Anwalt führt. Dann liegt die Gefahr ferner, dass der Verteidiger als „Gesinnungsgenosse“ des Angeklagten diffamiert und so in seiner Integrität beeinträchtigt wird. Im Übrigen ist ein solcher dem Angeklagten politisch nicht nahestehender Verteidiger nicht nur optisch glaubwürdiger, sondern vor allem im Hinblick auf seine professionelle Distanz zum Mandanten auch der „objektivere“ und damit effektivere Verteidiger.

      40

      Keineswegs sollte indes eine von der des Mandanten abweichende politische oder weltanschauliche Einstellung des Verteidigers dazu führen, dass sich der Verteidiger in öffentlicher Hauptverhandlung auch nur den Anschein gibt, er „distanziere“ sich von seinem Mandanten oder von dessen Ansichten oder dessen Haltung. Der Verteidiger sollte in diesem Fall dieses Thema am besten nicht ansprechen. Er sollte diesen Dissens auch nicht nonverbal signalisieren. Der Mandant könnte sich anderenfalls zu Recht von seinem Verteidiger verraten fühlen.

      41

      

c) Exkurs: Aufgaben der Strafverteidigung im Gefüge des Strafverfahrens

      42

      Es kommt auch gar nicht darauf an, ob der einzelne Mandant schuldig ist oder nicht. Die verfahrensrechtliche Aufgabe besteht zwar auch, aber nicht in erster Linie darin, Unschuldige vor ungerechtfertigter Verurteilung und Bestrafung zu bewahren. Der Verteidiger ist als einseitiger, streng parteilicher Beistand des Beschuldigten eine verfahrensrechtliche Gegenmacht zu dem das Strafverfahren betreibenden Staat. Seine vordringlichste Aufgabe ist zunächst, dafür Sorge zu tragen, dass sowohl die Verfahrensrechte des Mandanten gewahrt als auch die sonstigen verfahrensrechtlichen Normen peinlichst genau beachtet werden. Denn nur die Einhaltung der formellen Sicherungen ist der Garant für ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und damit für die Schaffung einer zutreffenden Urteilsgrundlage. Die verfahrensrechtlichen Regelungen sind nicht Selbstzweck. Vielmehr dienen sie dazu, die Verurteilung eines Unschuldigen zu verhindern und ein gerechtes Urteil zu fällen. Nur ein Urteil, welches auf Grund eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens ergangen ist, kann daher ein richtiges, ein gerechtes Urteil sein.

      43

      

      Dies gerät jedoch zusehends mehr und mehr in Vergessenheit. Die Formerfordernisse der Strafprozessordnung werden von vielen, vielleicht sogar von den meisten, Strafrichtern geringschätzig als bloße „Förmeleien“ betrachtet. Verteidiger, die zum Schutze der Rechte ihrer Mandanten auf der Einhaltung der Verfahrensvorschriften bestehen, werden von diesen Richtern als Querulanten angesehen; oder man wirft ihnen vor, mit angeblicher „Konfliktverteidigung“ die Strafrechtspflege zu sabotieren.

      44

      

Скачать книгу