Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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      Über die Unterbringung eines Jugendlichen in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §§ 20, 21, 63 StGB ist auch dann zu entscheiden, wenn seine strafrechtliche Verantwortlichkeit i.S.v. Satz 1 ausgeschlossen ist, mit der Folge, dass der Jugendliche untergebracht werden muss, wenn die Voraussetzungen der §§ 62, 63 StGB vorliegen (BGHSt 26, 67 = JR 1976, 16; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 14; ThürOLG Beschl. v. 29.1.2007, 1 Ws 16/07; absolut h.M., s. § 7 Rn. 4; Dallinger/Lackner § 3 Rn. 34; Streng DVJJ-J 1997, 379 ff., 380; a.A. Eisenberg Rn. 34 ff., 39; differenzierend Meier/Rössner/Trüg/Wulf-Remschmidt/Rössner JGG 2. Aufl., Rn. 34, wonach je nach konkret vorliegendem Erfordernis Maßnahmen nach Satz 2 oder nach § 63 StGB anzuwenden sind; ähnlich auch OLG Karlsruhe NStZ 2000, 485, das eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nach Landesrecht im Wege einer Anordnung nach S. 2 für zulässig hält; ebenso Dehne-Niemann NStZ 2018, 374). Dies gilt auch dann, wenn beim Zusammentreffen entwicklungsbedingter und krankhafter Störungen, die einerseits die Nichtverantwortlichkeit nach § 3, andererseits eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründen und somit die Möglichkeit für Maßnahmen in beide Richtung besteht (BGHSt 26, 68; a.A. insoweit Schönke/Schröder-Perron/Weißer § 20 Rn. 44; Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 185; Ostendorf § 3 Rn. 4; siehe aber unten Rn. 29). Die Unterbringung gem. § 63 StGB, die, wie der Regelung in §§ 5, 7 zu entnehmen ist, zu den grundsätzlich auch gegen Jugendliche statthaften Maßregeln gehört, ist im Falle der Verneinung der Verantwortlichkeit wegen fehlender Reife des Jugendlichen nicht ausgeschlossen. Der Vorschrift des § 3 ist ein solcher Ausschluss nicht zu entnehmen (BGHSt 26, 68; a.A. Eisenberg § 3 Rn. 39 und NJW 1986, 2408 ff., der einen dogmatischen Vorrang von § 3 mit dessen Satz 2 begründet, somit bei fehlender Verantwortlichkeit gem. Satz 1 jede strafrechtliche Reaktion ausschließt und nur Maßnahmen nach Satz 2 für zulässig hält). § 3 hat es nämlich ausschließlich mit entwicklungsbedingten Störungen zu tun und gibt dem Jugendrichter in diesem Rahmen die Befugnis, dieselben Maßnahmen wie der Familienrichter anzuordnen (Satz 2). Über ihr Verhältnis zu den §§ 20, 21 StGB und über die Frage, ob nach Feststellung einer Entwicklungsunreife Raum für Maßregeln bleibt, die das allgemeine Strafrecht mit der Regelung des § 63 StGB an den Zustand krankhafter Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit knüpft, gibt die Bestimmung keine Auskunft (BGHSt 26, 68/69). Der Ausschluss der Unterbringung bei fehlender strafrechtlicher Verantwortlichkeit nach Satz 1 lässt sich in den Fällen des § 21 StGB auch nicht damit begründen, dass diese Vorschrift in erster Linie in ihrer Bedeutung für die Straffrage zu sehen ist (a.A. Ostendorf § 3 Rn. 4). Für die Frage der Unterbringung ist vielmehr entscheidend, dass krankheitsbedingt geminderte Schuldfähigkeit im Rahmen des § 63 StGB dem krankheitsbedingten Ausschluss der Schuldfähigkeit, bei dem eine Bestrafung immer auszuscheiden hat, sachlich uneingeschränkt gleichgestellt wird (BGHSt 26, 69/70). Für das Jugendstrafrecht kommt hinzu, dass dann, wenn die Voraussetzungen des § 20 StGB vorliegen, daneben die Frage der Entwicklungsreife gänzlich bedeutungslos wird. Ihr dann entgegen der Gleichordnung in § 63 StGB in völliger Umkehrung dieses Verhältnisses in ihrer Bedeutung das Übergewicht zu geben, wenn ein Zustand i.S.d. § 21 StGB vorliegt, wäre nicht nur logisch verfehlt, sondern auch sachwidrig, weil nicht nur dem allgemeinen Sicherungsbedürfnis, sondern auch dem Wohl des betroffenen Jugendlichen mit einer Behandlung in einer psychiatrischen Krankenanstalt auf jeden Fall besser gedient ist (BGHSt 26, 70).

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      Liegen die Voraussetzungen des § 63 StGB vor, so ist danach auch eine Wahlmöglichkeit zwischen Erziehungsmaßnahmen nach Satz 2 und der Unterbringung nach § 63 StGB ausgeschlossen, gleichviel, ob es sich um eine irreparable seelische Störung handelt oder um eine solche, die zwar pathologisch bedingt ist, aber mit zunehmendem Alter einen Ausgleich erwarten lässt (a.A. Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 185; Schönke/Schröder-Perron/Weißer § 20 Rn. 44; Meier/Rössner/Trüg/Wulf-Remschmidt/Rössner, Rn. 34). Sind nämlich die Voraussetzungen des § 63 StGB erfüllt, so hat das Gericht die Unterbringung anzuordnen (BGHSt 26, 67, 68, s. hierzu § 5 Rn. 15, § 7 Rn. 4). Diese eindeutige gesetzliche Regelung wird auch nicht durch einen zusätzlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgehoben (a.A. Ostendorf § 3 Rn. 20), denn diesem Grundsatz ist bereits mit §§ 62, 63 StGB Rechnung getragen. Ist danach die Unterbringung nicht geboten, so kommen Maßnahmen nach Satz 2 in Betracht (Rn. 35).

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      Verbleiben nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten Zweifel, ob das Fehlen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (nur) entwicklungsbedingt ist oder (zugleich) auf vom Reifeprozess unabhängigen Beeinträchtigungen i.S.d. §§ 20, 21 StGB beruht, so ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nur § 3 anzuwenden (allg. M., s. etwa Dallinger/Lackner § 3 Rn. 33; Brunner/Dölling § 3 Rn. 14; Eisenberg § 3 Rn. 40 m.w.N.), weil dies im Hinblick auf § 63 StGB die für den Betroffenen günstigere Lösung ist.

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      Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wird bei Verneinung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil es am ausreichenden Tatverdacht fehlt; der Staatsanwalt benachrichtigt von Amts wegen den Familienrichter. Eine Sachbehandlung nach § 45 kommt nicht in Betracht, denn diese Vorschrift setzt das Vorliegen strafrechtlicher Verantwortlichkeit voraus. Die Einstellung des Verfahrens wegen mangelnder strafrechtlicher Verantwortlichkeit wird im Erziehungsregister eingetragen, § 60 Abs. 1 Nr. 6 BZRG. Die Gegenmeinung (Ostendorf § 3 Rn. 21) übersieht, dass mit der „Einstellung“ des Verfahrens in § 60 Abs. 1 Nr. 6 BZRG nur diejenige nach § 170 Abs. 2 StPO gemeint sein kann, da für die Sachbehandlung nach §§ 45, 47 mit § 60 Abs. 1 Nr. 7 BZRG eine eigene Eintragungsgrundlage besteht. Zu den Grundzügen des Strafregisterrechts s. eingehend § 97 Rn. 8 ff.

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      Im Zwischenverfahren ist die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 204 StPO abzulehnen, weil ein hinreichender Tatverdacht (§ 203 StPO) nicht besteht. Eine Einstellung gem. § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 kommt vor der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht in Betracht (ebenso jetzt auch Eisenberg § 47 Rn. 5; Ostendorf § 3 Rn. 16; Brunner/Dölling Rn. 10). § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 verwendet – im Unterschied zu dessen Nr. 3 – den verfahrensrechtlichen Begriff des „Angeklagten“, der gem. §§ 157, 203 StPO voraussetzt, dass das Hauptverfahren eröffnet ist. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Redaktionsversehen; das 1. JGGÄndG hat bei der Neufassung des § 47 die Formulierung der Nr. 3 a.F. („Angeklagter“, jetzt Nr. 4) ausdrücklich beibehalten, andererseits aber den Begriff des „Angeklagten“

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